13.03.2025
Auf einer Demo am Frauentag

Der analoge Mann

Aus Kreuzberg und der Welt: Dating am Frauentag

Als Julia und ich am Samstagmittag zum Treffpunkt der feministischen Demo zum Internationalen Frauentag kommen, scheint die Sonne bereits hoch über dem Oranienplatz. Der Himmel ist wolkenlos. Wir schließen unsere Fahrräder an und laufen über den Platz, als eine Frau Julia einen Zettel gibt: »Hier, ein Quittungsbeleg! Wer zahlt die Rechnung für die ganze Sorgearbeit?«

Julia nimmt den Zettel und antwortet lakonisch im Vorbeigehen: »Ich mache doch gar keine Sorgearbeit.« Und das stimmt. Seit 25 Jahren mache ich bei uns die Hausarbeit. Putze, koche, pflege und leiste emotionalen Beistand. Julia weiß noch nicht mal, wie die Waschmaschine funktioniert. Einmal, bevor ich auf eine Auslandsreise mit der Jungle World fuhr, fragte Julia: »Aber das obere ist der Trockner, oder?« Der Trockner steht bei uns über der Waschmaschine.

Die erste Rednerin heißt Transmenschen ausdrücklich willkommen, aber bittet darum, die Israel-Fahnen runterzunehmen.

Wir suchen uns einen Sitzplatz auf einer Bank in der Nähe des Lautsprecherwagens und zücken unsere Skizzenbücher. Genauer gesagt findet nur Julia einen Platz, ich stehe. Mit auf der Bank sitzt eine ältere Frau mit ihrem vor sich geparkten Rollator, daneben vermutlich ihr Sohn, der ihr gerade einen Döner gebracht hat und sich jetzt eine Zigarette anzündet.

»Sie können aber gut malen«, sagt er, auf Julias Bild zeigend. Julia guckt ihn nur kurz an und zeichnet unbekümmert weiter. »Danke.« »Das heißt Zeichnen. Das ist eine Zeichnung«, korrigiert die Frau mit dem Döner.

»Machen sie dit beruflich?« fragt er. »Nö«, sagt Julia, ohne aufzublicken. »Was machen sie denn damit, wenn ihr Bild fertig ist?« will er weiter wissen. »Nichts«, sagt Julia, »dann bleibt das in meinem Skizzenbuch.« »Naja, hätt‘ ja sein können, dass sie dit denn später kopieren, oder vergrößern. Wat weeß ick.«

Der Mann würde sich gern unterhalten. Das Konzept Skizzenbuch versteht er nicht. Aber Julia hat dafür keine Zeit. Sie ist eine Zeichenmaschine. Das vor ihr ausgebreitete Meer an Demonstrationsteilnehmern soll ein Wimmelbild werden.

Ausgedachter Achtziger-neunziger-Jahre-Look

Die Stimme der ersten Rednerin auf dem Wagen der GEW schallt zu uns rüber: »Diesen Tag, den wir heute begehen, gibt es schon seit 100 Jahren. Leider brauchen wir ihn immer noch.« Sie heißt Trans-Menschen ausdrücklich willkommen, aber bittet auch darum, die Israel-Fahnen runterzunehmen. Julia und ich zeichnen beide eine Gruppe von jungen Männern mit langen Haaren, die direkt vor uns stehen.

Sie tragen enge Röhrenhosen, Blousonjacken und Schirmmützen. Eigentlich kann ich ihren ausgedachten Achtziger-neunziger-Jahre-Look nicht leiden, aber ich finde gut, dass sie hier sind. »Guck mal, die WG-Boys«, sage ich zu Julia. »Irgendwie rührend, dass die ihren Samstagmittag hier auf der Frauendemo verbringen, oder? Voll die Feministen.« »Von wegen Feministen«, antwortet Julia, »die sind hier, um nachher noch ein paar Dates klarzumachen.«