13.03.2025
Die Organisation Ende Gelände übernimmt vorbehaltlos die antizionistische Weltsicht

Antiisraelischer Geländegewinn

Bei der Klimagruppe Ende Gelände äußerte man sich bisher nicht zum Israel-Palästina-Konflikt. Doch hat die internationale antiisraelische Protestwelle mittlerweile auch bei dieser Organisation dafür gesorgt, sich der Bedenken zu entledigen und einseitig Partei zu ergreifen.

Bis zum 7. Oktober 2023 war es in der linken Klimaschutzorganisation Ende Gelände weitgehend Konsens, als Organisation keine Position zum Israel-Palästina-Konflikt zu beziehen. Dieser Minimalkonsens wurde von einigen Beteiligten in einer E-Mail im Oktober 2023 als »Schweigen zum anhaltenden Genozid an der palästinensischen Bevölkerung« und »Mittäterschaft« verurteilt, was Rassismus schüre. Mit einer antirassistischen Haltung sei das Schweigen nicht vereinbar, monierten die Kritiker.

Ein weiterer Vorwurf lautete, »der antideutsche Einfluss« würde »nicht nur die deutsche Linke weiter« spalten, sondern fördere »auch eine letztlich selbstzerstörerische Haltung«, die »die bereits aufstrebenden Kräfte der ex-tremen Rechten« stärke und es verhindere, »sinnvolle Solidarität mit Genossen international aufzubauen«. In Reaktion auf diese Kritik beschloss man bei Ende Gelände, sich mit dem Konflikt in Israel und Palästina auseinanderzusetzen, was eine Kleingruppe organisieren und anleiten sollte.

Die Resultate dieses Prozesses wurden im Dezember 2024 in einem Positionspapier mit dem Titel »Ende Gelände dem Schweigen« festgehalten. Darin kommt die Organisation nahezu allen Forderungen der Kritiker am vorherigen Konsens nach und geht sogar noch darüber hinaus.

In ihrem Papier macht sich Ende Gelände den gegen Israel gerichteten Vorwurf der Apartheid und des Genozids an Palästinensern zu eigen. Die Organisation erklärt sich solidarisch mit den »Palästinaprotesten« weltweit, legitimiert die antiisraelische Boykottkampagne BDS und lehnt die IHRA-Definition des Antisemitismus ab. Den Vorwurf des Antisemitismus erhebt die Organisation nun vielmehr gegen die Kritiker des Antisemitismus.

»Der antideutsche Einfluss« fördere »eine letztlich selbstzerstörerische Haltung« und verhindere »Solidarität mit Genossen international«, hieß es in einer internen E-Mail von Ende Gelände aus dem Oktober 2023.

All das wird unter den hehren Zielen der Wahrung der Menschenrechte für alle und der internationalen Solidarität gegen Kolonialismus, Rassismus und für Klimagerechtigkeit als Ergebnis eines Bildungsprozesses präsentiert und mit einer Entschuldigung für die bisher ausgebliebene Solidarität verbunden. Das Schweigen sei damit beendet. Wie konnte es zu dieser Umkehr mit der vollständigen Einnahme einer antizionistischen Position bei Ende Gelände kommen?

Der im Positionspapier formulierte Anspruch von Ende Gelände an den Lernprozess war es, »eine offene und ernste Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Positionen« vorzunehmen. Dabei sollten »kritische Stimmen sich konstruktiv einbringen« können, um »eine differenzierte Auseinandersetzung zu ermöglichen«. Es wird behauptet, in einem »längeren Prozess mit Online-Diskussionen in acht Themenabenden und moderiert durch eine Kleingruppe« habe es »über vermeintliche Bruchlinien hinweg« eine Auseinandersetzung »mit der Geschichte Palästinas und Israels, mit Antisemitismus, Zionismus und Antizionismus« gegeben und es seien »Räume geöffnet« worden, »um mit palästinensischen, jüdischen und israelischen Linken ins Gespräch zu kommen«.

Unerwähnt bleibt, dass dieser Prozess von Anfang an völlig einseitig gestaltet wurde und mit einer »palästinasolidarischen« Aktivistin, der »Jüdischen Stimme für gerechten Frieden in Nahost« und dem »Jüdisch-israelischen Dissens Leipzig« nur Sprecher eingeladen worden waren, die antizionistische Positionen vertreten und Israel grundsätzlich ablehnend gegenüberstehen.

Einseitig antizionistische Vorgabe

Mit linken zionistischen und israelsolidarischen Positionen setzte man sich gar nicht erst auseinander. Die Auswahl und die Interpretation der Texte für die Themenabende zu Konfliktursachen, Antisemitismus und Zionismus, die von der Kleingruppe selbst inhaltlich vorbereitet wurden, folgte ebenso einseitig einer antizionistischen Vorgabe.

Unter solchen Umständen war eine differenzierte Auseinandersetzung mit diesem Themenkomplex unmöglich. Grotesk ist es daher, wenn im Positionspapier der Vorwurf erhoben wird, dass es zynisch sei, »wie in Deutschland wieder zwischen guten und schlechten Juden*Jüdinnen unterschieden wird«.

An der Gestaltung der Themenabende und den Entwürfen für ein Positionspapier gab es ausführliche Kritik. Auf diese wurde aber entweder gar nicht oder nur insoweit eingegangen, als die Kritikpunkte derart relativiert wurden, dass die generell antizionistische Linie beibehalten werden konnte. Ein Beispiel dafür ist die Strategie der Hamas und anderer palästinensischen Terrorgruppen, die Zivilbevölkerung als Schutzschilde zu benutzen und zivile Opfer in ihre militärische Strategie bewusst einzukalkulieren.

Mehrfach wurde die Ignoranz dem gegenüber in der Auseinandersetzung kritisiert. In dem veröffentlichten Papier wird nun auf die Schutzschild-Strategie eingegangen, aber nur um sie einerseits auch der IDF vorzuwerfen und sie andererseits in Bezug auf die Hamas in Frage zu stellen, indem unter Berufung auf »Menschenrechtsorganisationen und Rechtsexpert*innen« auf die dichte Besiedelung des Gaza-Streifens und die Schließung der Grenzen durch Israel hingewiesen wird. Die Kritik an Behauptungen wie denen eines »Flächenbombardements« und der »Blockade Gazas« durch Israel und einer von Israel verursachten »Hungersnot«, wurde hingegen völlig übergangen.

Unter Berufung auf UN-Organisationen und UN-Vertreter wie Francesca Albanese sowie permanent gegen den jüdischen Staat agitierende Organisationen wie B’Tselem, Amnesty International, Human Rights Watch und Forensic Architecture kam man zu dem Ergebnis, Israel einen Genozid zu unterstellen.
In konsequenter Fortführung der so erlangten Erkenntnisse wird dann erklärt: »Es kann gerechtfertigt sein, Institutionen und Konzerne, die den Genozid vorantreiben oder davon profitieren, zu boykottieren und zu blockieren.« Dazu passt es dann auch, wenn behauptet wird, »reduktionistische Erzählungen der deutschen Politik und medialer Debatten« seien »gleichermaßen Grundlage für antimuslimischen Rassismus und für einen Antisemitismus, der den bedingungslosen Proisraelismus zum Kern der Bekämpfung von Juden*Jüdinnen-Feindlichkeit macht«.

Emanzipation der arabischen Bevölkerung

Gefordert wird: »Weder Kritik an israelischer Politik noch die Sorge um die Menschen im Kriegs- und Krisengebiet in Gaza dürfen mit Antisemitismus gleichgesetzt werden. (…) Deshalb lehnen wir die IHRA-Definition als unzulänglich und die Bundestagsresolution als Angriff auf die Meinungsfreiheit ab.« Diese immer wieder vorgetragene Behauptung ist aber falsch, weil die Kritik an israelischer Politik in der IHRA-Definition ausdrücklich nicht mit Antisemitismus gleichgesetzt wird.

Schließlich heißt es: »Die hauptsächlich migrantisch und jüdisch getragene Palästinabewegung in Deutschland ist beeindruckend und wichtig.« Das offensichtlichste Merkmal der »Palästinabewegung« ist aber gerade, dass bei dieser »eine klare Distanzierung von der Hamas oder den Verbrechen am 7.10. ausbleibt«, wie es im Positionspapier selbst als Problem benannt wird. Proteste oder eine Bewegung, die sich für die Emanzipation der arabischen Bevölkerung in den palästinensischen Gebieten und für deren Selbstbestimmung, Frieden und Sicherheit einsetzen, existieren praktisch nicht. Eine solche Bewegung müsste sich nicht nur von der Hamas distanzieren, sondern sich aktiv gegen sie und alle anderen palästinensischen Organisationen einsetzen, die terroristische Angriffe verüben und unterstützen und autoritäre Systeme von Repression und korrupter Herrschaft errichtet haben.

Eine differenzierte Position ist mit einer eindeutigen Positionierung für die real existierende »palästinasolidarische Bewegung« nicht vereinbar. Der minimale Konsens, sich nicht zum Konflikt in Israel und Palästina zu äußern, wurde damit einseitig aufgekündigt. Bei Ende Gelände haben die Hamas, der Islamische Jihad und die PFLP mit ihrem Terrorangriff vom 7. Oktober 2023 letztlich einen politischen Sieg davongetragen.