Keine Angst vorm Fliegen
Fast drei Minuten lang knistert, rauscht und hallt es – bis auf einmal ein Bass pulsiert und Synthesizer herumfiepsen wie R2-D2 in »Star Wars«. Der Track »Abrir Monte« entfaltet einen atmosphärischen Sog und eröffnet »Día«, das zweite Album von Gabriela Jimeno Caldas, veröffentlicht unter ihrem Künstlernamen Ela Minus. Die kolumbianische Sängerin und Multiinstrumentalistin verknüpft in den zehn Stücken nicht nur Elektropop und Techno, sondern präsentiert sich auch erneut als Singer/Songwriterin.
Die Klangästhetik fällt insgesamt experimenteller und energetischer aus als auf Ela Minus' Debütalbum »Acts of Rebellion«, das 2020 erschien.
Caldas singt über Reue, Desorientierung und diverse Rückschläge. Ihre Texte sind introspektiv, das lyrische Ich wirkt verletzlich. Oft werden die melancholischen Lyrics musikalisch konterkariert, nicht nur in »Broken« erklingen Wave-Elemente und euphorische Synthesizer, die an New Order erinnern.
Das ravige »Onwards« knarzt hingegen ordentlich und hat eine rohe Acid-House-Note, während in »Upwards« technoide Bassdrums scheppern. Dieser Ansatz gehört zum Markenkern von Caldas: Zu clubbigen Sounds und stampfenden Beats verhandelt die 35jährige intime Themen und Probleme, die man auf der Tanzfläche eigentlich kollektiv vergessen will.
Dabei fällt die Klangästhetik insgesamt experimenteller und energetischer aus als auf ihrem Debütalbum »Acts of Rebellion«, das 2020 erschien. »Día« erinnert zum Teil auch an die kanadische Band Austra, für die Caldas früher im Vorprogramm spielte.
Das Finale »Combat« ist eine Ballade, in der die Musikerin auf Spanisch singt und auf ein Sprichwort anspielt: Es geht um Vögel, die in Käfigen geboren wurden und angeblich Angst vor dem Fliegen haben. Das Lied erzählt von Emanzipation und möglichem Glück. Caldas hat Wunden und etliche Hardware-Synthesizer gesammelt, davon profitiert diese spannende Platte.
Ela Minus: Día (Domino)