13.03.2025
Adina Marincea, Forscherin, im Gespräch über Rechtsextremismus in Rumänien

»Putinismus und Trumpismus werden relevanter«

Die »Jungle World« sprach mit Adina Marincea vom Nationalen Institut »Elie Wiesel« für Studien zum Holocaust in Rumänien (INSHR-EW) über die extreme Rechte, deren Einfluss in der rumänischen Gesellschaft und die Gefahr des Antisemitismus – auch von links.

Das Elie-Wiesel-Institut befasst sich primär mit der Aufarbeitung des Holocaust in Rumänien. Es forscht aber auch zu gegenwärtigem Antisemitismus und rechten Netzwerken?
Jährlich geben wir einen Monitoringbericht zu Antisemitismus heraus, in dem wir uns hauptsächlich auf Gruppen, Seiten und Personen mit viel Reichweite fokussieren. Wir beobachten und dokumentieren Fälle von Antisemitismus und Rechtsextremismus ­online und offline. Dazu gehören beispielsweise das Verwenden von rechten Symbolen und Codes in den sozialen Medien sowie die Beobachtung von extrem rechten Websites. Zu den bekannteren gehören hier Activenews und Incorect Politic. Seiten wie diese haben nicht nur ein rechtes Profil, sondern verbreiten und unterstützen explizit die Ideologie und den Geschichtsrevisionismus der Legionärsbewegung.

»In Rumänien ist die Linke sehr klein. Wir haben keine wirklich linken Parteien und in der Zivilgesellschaft gibt es wenig Aktivismus.«

Die Legionärsbewegung ist ein zen­traler Faktor in der Geschichte der extremen Rechten in Rumänien. Über was für eine Bewegung sprechen wir?
Die Legionärsbewegung, eigentlich Legion Erzengel Michael oder Eiserne Garde genannt, war eine gewaltbereite, antisemitische Bewegung aus der Zeit zwischen dem Ersten und Zweiten Weltkrieg. Die Bewegung wurde in den dreißiger Jahren zur Massenbewegung und war zeitweise an der faschistischen Regierung von Marschall Ion Antonescu beteiligt. Zusammen mit ­rumänischen Soldaten und Polizisten verübten sie 1941 ein Pogrom an rumänischen Juden in Iași, bei dem 13.000 Menschen ermordet wurden. Gegenwärtig sehen wir, dass in der ­rumänischen Rechten eine neofaschistische Ideologie Verbreitung findet, die an die Legionärsbewegung anknüpft.

Mit welchen Mitteln verbreitet die an die Legionärsbwegegung anknüpfende Szene ihren Geschichtsrevisionismus?
Sie betreiben Kampagnen im Netz und organisieren Demonstrationen, wie zum Beispiel die jährlich statt­findende Zeremonie zum Gedenken an Corneliu Zelea Codreanu, den einstigen Führer der Eisernen Garde. Sie wird in Tâncăbești, einem Dorf vor Bukarest, abgehalten, wo Codreanu gestorben ist. Jährlich treffen sich zu diesem Schauspiel rund 100 Anhänger:innen der Bewegung. Wichtige Teile dieses Netzwerks legen viel Wert auf »Bildungs­arbeit«. Konkret haben die Gogu-Puiu-Assoziation und die Ion-Gavrilă-Ogoranu-Stiftung, beide benannt nach Führungspersonen der Bewegung, auch jahrelang an Bukarester Schulen Informationsstunden gehalten. Dort wird die Legionärsbewegung fälschlich als rein antikommunistische Bewegung dargestellt.

Wird darauf nicht reagiert?
Doch. Vergangenes Jahr wurde, auf den Druck von Eltern, den beiden Organisationen von der Schulaufsichts­behörde der Stadt Bukarest untersagt, an Schulen in der Stadt ihre Stunden zu halten. Außerdem wurden vor zwei Jahren, in Zusammenarbeit mit unserem Institut, endlich der Holocaust und die Geschichte der Juden als Pflichtfach in die nationalen Lehrpläne aufgenommen.

»Generell beobachten wir, dass es eine Zunahme an extrem rechten Gruppen gibt, die Kampfsporttraining anbieten.«

Ist diese neolegionäre Szene militant?
Die Ogoranu-Stiftung ist zwar das Zentrum für Propaganda, aber die Gogu-Puiu-Assoziation organisiert auch paramilitärische Trainingscamps. Derzeit werden diese Camps von Eugen Sechila, einem früheren Söldner der französischen Fremdlegion, organisiert. Sechila ist auch ein enger Vertrauter des extrem rechten Präsidentschaftskandidaten Călin Georgescu, der die später annullierte erste Runde der Präsidentschaftswahl im November 2024 gewonnen hatte und womöglich im Mai erneut für das Präsidentenamt kandidieren wird. Georgescu umgibt sich generell gerne mit ehemaligen Soldaten. Die Trainings der Gogu-Puiu-­Assoziation finden monatlich mit etwa zehn bis 15 Personen statt. Generell beobachten wir aber, dass es eine Zunahme an extrem rechten Gruppen gibt, die Kampfsporttraining anbieten.

Eine jüdische Schauspielerin, Maia Morgenstern, bekommt derzeit bei Auftritten Polizeischutz, und die ­Bibliothek der Korallen-Synagoge in Bukarest ist seit Oktober 2023 geschlossen. Welche Bedrohung geht von der extremen Rechten aus?
Seit Georgescus Wahlerfolg haben Morddrohungen gegen Mitarbeiter von liberalen NGOs, aber auch von Vereinen, welche Minderheiten repräsentieren und gegen Personen des öffentlichen Lebens zugenommen. Nur langsam kommen die Behörden in Bewegung. Während auch dieses Jahr in Tâncăbești in Anwesenheit der Polizei wieder der verbotene Hitlergruß ­gezeigt wurde, gab es wenigstens im Nachhinein Strafanzeigen. Es ist jedoch nicht klar, ob es wirklich Konsequenzen geben wird. Der Staatsanwalt in Bukarest sagte sinngemäß, dass es mit dem geltenden Gesetz zu schwer sei, Antisemitismus und Rechtsextremismus zu bekämpfen. Das stimmt aber nicht. Das Gesetz ist ausreichend, der Wille es anzuwenden nicht.

Seit der annullierten Präsidentschaftswahl gehen immer wieder Unterstützer Georgescus auf die Straße, kürzlich waren es Zehntausende. Wie viel Einfluss hat die ­extrem rechte Szene in der Gesellschaft?
Es ist schwierig, das zu quantifizieren. Dennoch können wir eine klare Tendenz zur Normalisierung rechtsextremer Ansichten erkennen; vor allem seit die nationalistische Allianz zur Einheit Rumäniens (AUR) 2020 ins Parlament gewählt wurde. Die Köpfe der Partei benutzen andauernd antisemitische Anspielungen, trivialisieren oder leugnen den Holocaust. Auch die rechtsextreme Partei S.O.S. România, die mittlerweile im Parlament vertreten ist, bietet auf ihren Plattformen regelmäßig den extremsten­Holocaustleugnern eine Bühne. Die Parteivorsitzende Diana Șoșoacă rief während einer Parlamentssitzung im Mai 2024, die den freundschaftlichen Beziehungen zu Israel gewidmet war: »Lang lebe die Eiserne Garde!«. In einer Gesellschaft wie der rumänischen, in welcher immer noch ein latenter Antisemitismus herrscht und es sehr wenig Wissen über den Holocaust gibt, können antisemitische und rechtsex­treme Einstellungen schnell aktiviert und reaktiviert werden. Wir beobachten eine steigende Präsenz von rechten Stickern, Graffiti und Online-Kommentaren. Die Behörden verfolgen das kaum und spielen solche Fälle regelmäßig herunter, obwohl es den ­gesetzlichen Rahmen wie gesagt gibt.

»Es sind nicht nur die Wahlen, sondern es ist auch der generelle nationale und internationale Kontext, der besorgniserregend ist.«

Und die etablierten Parteien?
Leider können wir beobachten, dass es Signale aus diesen Parteien gibt, die Ideologien der extremen Rechten zu übernehmen. Zum Beispiel, dass auch in ihren Reden »Globalismus«, Minderheiten, antisemitische Verschwörungserzählungen über George Soros oder die sogenannte Woke-Kultur herhalten müssen, um Schuldige für Probleme zu benennen. Der internationale Kontext ist hier sicher auch wichtig. Die USA spielen kulturell und finanziell eine wichtige Rolle in Rumänien. Putinismus, aber auch Trumpismus, werden hier immer relevanter.

Das Elie-Wiesel-Institut beobachtet auch linken Antisemitismus. Wie sieht es da aus?
In Rumänien ist die Linke sehr klein. Wir haben keine wirklich linken Parteien und in der Zivilgesellschaft gibt es wenig Aktivismus. Seit dem 7. Oktober 2023 sehen wir auch in Rumänien ein Erstarken des linken Antisemitismus, vor allem in der »propalästinensischen« Szene. Deren Anhänger:innen besetzten im vergangenen Jahr auch Universitäten in Bukarest und Cluj. Dieser Teil ist aber sicherlich nicht die ganze Linke und es wurde gegen Georgescu auch von links mobilisiert.

In Anbetracht all dessen, wie blicken Sie auf die kommenden Präsidentschaftswahlen im Mai?
Es sind nicht nur die Wahlen, sondern es ist auch der generelle nationale und internationale Kontext, der besorgniserregend ist. Extrem rechte Parteien stellen gerade ein Drittel der Parlamentsabgeordneten und sind stark beeinflusst von Putin und Trump. Vor allem LGBT-Personen werden vermehrt attackiert. Es wäre wichtig, dass sich demokratische Kräfte im Parlament und der Zivilgesellschaft zusammen mit öffentlichen Einrichtungen gegen den Einfluss der extremen Rechten stellen. Ob das passieren und ob es Erfolg haben wird, bleibt fraglich.

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Adina Marincea

Adina Marincea forscht am Nationalen Institut »Elie Wiesel« für Studien zum Holocaust in Rumänien (INSHR-EW) zu Anti­semitismus und rechten Strukturen in Rumänien. Sie hat zur Ideologie der Legionärsbewegung und ihrer ­Bedeutung in der rechtsextremen rumänischen Partei Allianz zur Einheit Rumäniens (AUR) habilitiert.

Bild:
Jean-Philipp Baeck