Pöbeln für Rot-Weiß-Blauland
»Sei still, kleiner Mann« – es sind herabsetzende Äußerungen wie diese Elon Musks über den polnischen Außenminister, die bei den Anhängern des US-Präsidenten Donald J. Trump und seines engen Mitarbeiters für Begeisterung sorgen und bei den Verbündeten der USA zu Irritationen und Befürchtungen führen.
Nicht zuletzt seit Trumps Rede vor dem Kongress am vorvergangenen Wochenende scheint klar, dass der Präsident die von ihm im Wahlkampf immer wieder genannten außen- und handelspolitischen Ziele, die damals von zahlreichen Beobachtern noch als populistische Meinungsmache eingestuft wurden, tatsächlich realisieren will.
Dazu gehört vor allem das, was Trump Frieden in der Ukraine nennt. Am 3. März beschloss er, die Militärhilfen für das Land auszusetzen, auch der Austausch von Geheimdienstinformationen wurde, wie CIA-Direktor John Ratcliffe zwei Tage später mitteilte, vorübergehend eingestellt. Auf diese Informationen ist die Ukraine für Angriffe auf militärische Stellungen im russischem Staatsgebiet stark angewiesen. Und genau diese Angriffe ermöglichen es der Ukraine, den russischen Vormarsch zu verlangsamen. Hinzu kommt, dass Trump auf Wahlen in der Ukraine so bald wie irgend möglich besteht, zweifellos um den ihm verhassten Präsidenten Wolodymyr Selenskyj loszuwerden.
85 Prozent der Grönländer sind laut einem Bericht der grönländischen Zeitung »Sermitsiaq« gegen einen Beitritt zu den USA, neun Prozent haben keine Meinung und sechs Prozent sind dafür.
Es wirkt allerdings so, als überschätzten Trump und seine Berater die Effekte der fast täglich erfolgenden verbalen Angriffe auf und Drohungen gegen ausländische Politiker und andere Staaten – die erhoffte Wirkung, nämlich der Kotau der derart Angegangenen, bleibt immer öfter aus. Wolodymyr Selenskyj genießt nach wie vor das Vertrauen von 67 Prozent der Ukrainer. Ein kürzlich erfolgter Versuch von Trump-Vertrauten, die wichtigsten Oppositionspolitiker des Landes insgeheim anzustacheln, auf baldige Wahlen zu dringen, endete mit einer sehr peinlichen öffentlichen Zurückweisung durch die umgarnten Politiker.
Auch Musks auftrumpfende Pose auf X, wo er äußerte, er habe Putin zu einem Zweikampf um die Ukraine herausgefordert, und dass sein Starlink-System das Rückgrat der ukrainischen Armee sei, denn wenn er es abschalte, breche die gesamte Frontlinie zusammen, erzeugte Gegenwehr statt eineschüchterter Unterwerfung. Der polnische Außenminister Radosław Sikorski stellte daraufhin klar, dass das polnische Digitalisierungsministerium jährlich 50 Millionen Dollar für die Starlink-Nutzung in der Ukraine bezahlt.
Er fügte hinzu, dass man sich nach anderen Anbietern umschauen werde, wenn sich Space X »als unzuverlässiger Anbieter« erweise. Musk legte zwar nochmal nach und machte Sikorski als »kleinen Mann« verächtlich, der nur einen »Bruchteil der Kosten« zahle, gab aber schließlich klein bei, nachdem sich auch Polens Ministerpräsident Donald Tusk eingemischt hatte: »Um es ganz klar zu sagen: Egal, wie sehr ich mit der ukrainischen Politik nicht einverstanden bin, Starlink wird seine Terminals niemals abschalten. Wir würden so etwas niemals tun oder als Druckmittel einsetzen.« Das entspricht nicht den Tatsachen: Musk hat seit 2022 insgesamt dreimal damit gedroht, Starlink für die Ukraine abzuschalten, 2023 schränkte er den Dienst für ukrainische Offensiven stark ein.
Demonstrationen gegen Tesla
Sikorskis Verweis auf andere Anbieter war nicht nur so dahergesagt, mit dem Programm EU Govsatcom befindet sich ein EU-eigenes Satellitenkommunikationssystem derzeit in einer ersten Umsetzungsphase. Bis 2027 soll das System voll funktionsfähig sein. Es soll über hochsichere Netzwerkknotenpunkte verfügen, bestehende staatliche und kommerzielle europäische Satellitensysteme nutzen und sowohl für die Überwachung von Grenzen und Seegebieten als auch militärische Operationen zur Verfügung stehen. Dazu kommen Einsatzmöglichkeiten bei Naturkatastrophen und humanitären Einsätzen. Im Prinzip also das, was Musks Starlink leistet.
Musks Einlenken dürfte allerdings nicht nur an den EU-Konkurrenzplänen liegen, sondern auch daran, dass sein Wirken in der Regierung Trump beginnt, ihm geschäftlich zu schaden. Nachdem die Tesla-Aktie noch im Dezember 2024 einen Höchststand von 479,86 Dollar erreichte, ist ihr Kurs in den vergangenen vier Monaten um mehr als 50 Prozent gesunken; allein am vergangenen Montag binnen eines Tages um 15 Prozent. In den USA finden mittlerweile täglich Demonstrationen gegen Musks Unternehmen statt.
Die Auswirkungen von Trumps Zollpolitik, die laut Warnung vieler Ökonomen die Inflation in den USA weiter erhöhen dürfte, wollen seine Anhänger in ihren Beiträgen in den sozialen Medien nicht wahrhaben. Sie träumen vielmehr von einem autarken Land, das alles Benötigte schon bald selbst produziert. Und weil das leider viel Neid auf sich ziehen werde, müssten sich die Vereinigten Staaten jetzt schon in anderen Staaten vorkommende Rohstoffe und strategisch wichtige Gebiete sichern.
Bezahlte Jubelgrönländer
Neben Kanada, das laut der kanadischen Tageszeitung Globe and Mail durch Trumps Pläne, es zu einem US-Bundesstaat zu machen, einen seit den Achtzigern nicht mehr gehabten Anstieg des Nationalbewusstseins erlebt, weckt auch Grönland Begehrlichkeiten. »One way or the other« werde er das autonome dänische Gebiet zum Bundesstaat der USA zu machen, bekräftigte Trump in seiner Rede vor dem Kongress. In den Chats, die das Spektakel live verfolgten, stimmten seine Anhänger daraufhin mit »USA! USA!«-Slogans ein und pflichteten ihrem politischen Idol bei, Grönland müsse aus Sicherheitsgründen US-amerikanisch werden.
Die Grönländer, so wurde weiterhin behauptet, wollten selbst mehrheitlich zu den USA gehören. Das hatte tatsächlich eine im Januar 2025 von rechten amerikanischen Zeitungen sowie von der russischen Tageszeitung Prawda verbreitete Umfrage von Patriot Polling ergeben, einem Umfrageinstitut mit Verbindungen zur Maga-Bewegung.
Allerdings wird die Methode, mit der das Ergebnis erzielt wurde, von Experten als push polling, als suggestive Befragung mit eindeutigem politischem Ziel, eingestuft. Gemutmaßt wird, dass hierfür diejenigen interviewt wurden, die während eines Besuchs von Donald Trump Jr. als Jubelgrönländer – mutmaßlich bezahltermaßen – posierten.
»Make Greenland Great Again«
Die tatsächlichen Zahlen sehen anders aus: 85 Prozent der Grönländer sind laut einem Bericht der grönländischen Zeitung Sermitsiaq gegen einen Beitritt zu den USA, neun Prozent haben keine Meinung und sechs Prozent sind dafür. 45 Prozent der Befragten empfinden Trumps Interesse an Grönland überdies als bedrohlich, während 43 Prozent es als Chance sehen, die Unabhängigkeit ihres Landes tatsächlich eines Tages zu erreichen.
Entsprechend zeigte sich in Meinungsumfragen vor den Parlamentswahlen am Dienstag (das Ergebnis stand zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses noch nicht fest), dass jene Parteien vorn liegen, die sich zwar auch für komplette Unabhängigkeit von Dänemark aussprechen, aber gleichzeitig zur Vorsicht mahnen, da die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen unabsehbar seien. Das passt zu älteren grönländischen Umfragen: Im Jahr 2016 waren 64 Prozent der Befragten für die Unabhängigkeit, 2017 erklärten jedoch 78 Prozent, dagegen zu sein, wenn der Lebensstandard dadurch zu sinken drohe.
Die Parteien der bisherige Regierungskoalition aus der sozialistisch-demokratischen Partei Inuit Ataqatigiit (Gemeinschaft der Inuit) und der sozialdemokratischen Siumut (Vorwärts) befürworten ein langsames, durchdachtes Vorgehen; Umfragen zufolge können sie mit insgesamt an die 53 Prozent der Stimmen rechnen.
Womit das Kalkül von Grönlands Ministerpräsident Múte B. Egede aufginge, der die vorgezogenen Neuwahlen als Reaktion auf Trumps Grönland-Pläne vorgeschlagen hatte. Gleich zwei im US-Kongress unter phantasievollen Überschriften eingebrachte Gesetzesvorschläge hatten im Januar und Februar nicht nur in Grönland und Dänemark für Irritationen gesorgt: »Make Greenland Great Again« sieht vor, dass die US-Regierung die Erlaubnis erhält, Grönland zu erwerben, der »Red, White, and Blueland Act« zielt auf die Umbenennung Grönlands in »Rot-Weiß-Blauland«.
Hatte Trump in seiner Rede vor dem Kongress noch von einer kurzen Periode wirtschaftlicher Schwierigkeiten gesprochen, die auf seine Strafzölle folgen werde, schloss er eine Woche später eine längere Krise nicht aus.
Am Tag vor der Wahl gab sich Trump konziliant. Die Grönländer hätten selbstverständlich das Recht auf Selbstbestimmung, schrieb er auf Truth Social. Gleichzeitig versprach er ihnen für den Fall eines Beitritts Milliardeninvestitionen.
Das allerdings könnte schwierig werden, wenn das eintrifft, was sogar Trump selbst mittlerweile zugibt: Hatte er in seiner Rede vor dem Kongress noch von einer kurzen Periode wirtschaftlicher Schwierigkeiten gesprochen, die auf seine Strafzölle folgen werde, schloss er eine Woche später eine längere Krise nicht aus.