Jungle+ Artikel 20.03.2025
Der Bildungstheoretiker Heinz-Joachim Heydorn kritisierte den linken Antisemitismus

Für die rational vermittelte Spontaneität

Der Pädagoge Heinz-Joachim Heydorn beschäftigte sich noch während des Nationalsozialismus kritisch mit dem Antisemitismus und widerlegte bereits in den sechziger Jahren die antiisraelischen Aussagen der Studentenbewegung. Seine Vorstellung von Bildung war die, Menschen zu befähigen, »das Selbstverständliche zu bezweifeln«.

Als sich nach dem 7. Oktober 2023 an den Universitäten in den USA und in Europa eine lautstarke, angeblich propalästinensische, in der Tat aber vor allem antizionistische Bewegung formierte, konnte man des Öfteren den Satz lesen, dass Bildung nicht vor Antisemitismus schütze. Gemeint war damit zunächst: Nur weil man eine Universität besucht oder auf ihr einen Abschluss erworben hat, ist man nicht vor Antisemitismus gefeit.

Das ist richtig, auch wenn es vor allem eine professorengläubige deutsche Öffentlichkeit überraschen wird. Wenn jener Satz etwas elaborierter gedacht wurde, war mit ihm gemeint: Die formalen geistigen Fähigkeiten, die man an anderen Gegenständen gewonnen hat, können zur intellektuellen Verbrämung des eigenen Ressentiments missbraucht werden. Richtiger, wenn auch dadurch weniger provokativ, müsste es also heißen: Halbbildung schützt nicht vor Antisemitismus.

Festzuhalten bleibt, dass die Solidarität mit dem jüdischen Staat auch unter Intellektuellen keine Selbstverständlichkeit ist, selbst wenn diese über die Umstände seiner Existenz grob informiert sind. Insofern sich darin die Attraktivität des antisemitischen Schemas zeigt, wird es umgekehrt erklärungsbedürftig, warum es dennoch Menschen gibt, die nicht dem Schema verfallen. Offensichtlich sind sie zu der wahren Erkenntnis, dass es bis auf weiteres einen sicheren Ort für Juden geben muss, durch einen Lernprozess gekommen, in dem sie nicht nur die isolierten Tatsachen rund um den Konflikt zur Kenntnis genommen, sondern sie auch auf vernünftige Weise interpretiert haben.

Dass Heydorns Auseinandersetzung mit dem Antisemitismus ab 1967 deutlich in den Vordergrund trat, hatte mit der antizionistischen Reaktion der deutschen und insbesondere studentischen Linken auf den Sechstagekrieg zu tun.

Noch kein Abonnement?

Um diesen Inhalt zu lesen, wird ein Online-Abo benötigt::