Antisemitismus und weißer Rassismus
Wenn sich Historiker in den Vereinigten Staaten mit Ideologien der Rasse und dem Rassismus befassen, geht es in erster Linie um die Hautfarbe. Angesichts der Geschichte des weißen Rassismus gegenüber Afroamerikanern in den Vereinigten Staaten und des Rassismus, der mit Kolonialismus und Imperialismus einherging, ist dieser Fokus nachvollziehbar. Antisemitismus, also der Hass auf Juden und das Judentum und in den letzten Jahren oft, wenn nicht gar immer, auch auf den Staat Israel, passt jedoch nicht in dieses konventionelle Verständnis. Weder Antijudaismus mit christlichen oder islamischen theologischen Ursprüngen noch rassistischer Antisemitismus, der auf vermeintlichen biologischen Unterschieden beruht, leiten sich von Unterschieden in der Hautfarbe ab.
Dass Antisemitismus nicht in die herkömmlichen Kategorien passt, wurde deutlich, als Neonazis und Rechtsextreme in Charlottesville am 11. und 12. August 2017 mit Fackeln durch die Straßen und an einer Synagoge vorbeimarschierten und skandierten: »Die Juden werden uns nicht austauschen.« Der Ruf entstammt einer antisemitischen Ideologie, die Juden beschuldigt, einen »großen Austausch« der Weißen durch nichtweiße Einwanderer zu planen und durchzuführen. Die Rechtsextremisten verteidigten auch Denkmäler der White Supremacy und der Konföderation.
Mit anderen Worten: Sie waren gleichzeitig Rassisten gegen Nichtweiße und Antisemiten. Ein Großteil der Pressekommentare konzentrierte sich jedoch auf die erstgenannte und bekanntere Form des Rassismus, die sich um die Hautfarbe dreht, nicht aber auf die spezifisch antisemitische Dimension ihres Hasses. Damit spiegelten die Journalisten das konventionelle amerikanische und westliche Verständnis von Rasse und Rassismus sowie dessen Unzulänglichkeit beim Verständnis von Antisemitismus wider.
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