Intelligenter Blödsinn
Dass dem Schauspieler, Regisseur, Autor und Produzenten Seth Rogen und seinem Produktionsteam der große Wurf gelungen ist, lässt sich alleine schon an den illustren Namen der Schauspielerinnen und Schauspieler ablesen, die sie für ihre Serie »The Studio« gewinnen konnten. Charlize Theron, Paul Dano, Steve Buscemi, Martin Scorsese, Zac Efron, Johnny Knoxville, Zoë Kravitz, Ron Howard, Sarah Polly, Olivia Wilde – all diese alten und neuen HollywoodGrößen spielen sich in mehr oder weniger langen Gastauftritten selbst und sind sich dabei nicht zu schade, bei dem wohlgemerkt sehr intelligenten Blödsinn mitzumachen, mit dem Rogen der US-amerikanischen Filmindustrie den Spiegel vorhält.
Das beginnt schon auf grandios groteske Weise in der ersten Episode. Der Filmproduzent Matt Remick, gespielt von Seth Rogen selbst, wittert seine Chance auf den großen Karrieresprung. Wie ihm zu Ohren gekommen ist, wurde die Produktionsleiterin (eine völlig manische Catherine O’Hara) der fiktiven Continental Studios, für die er seit über 20 Jahren arbeitet, gefeuert. Remick wird als Nachfolger gehandelt und sogleich in das Büro seines exzentrischen Chefs Griffin Mill (Bryan Cranston) bestellt.
Studioleiter Remick wird im Laufe der Episoden erfahren müssen, dass jeder Besuch am Set, jede Casting-Entscheidung, jedes Marketing-Meeting und jede Preisverleihung in eine große Katastrophe münden kann.
Der träumt vom großen Box-Office-Hit für sein gebeuteltes Unternehmen und hat dafür bereits eine in seinen Augen erstklassige Idee: Einen Film über das in den USA beliebte Getränkepulver Kool-Aid. Wenn Warner mit einem Film über eine schnöde Spielzeugpuppe für Kinder (»Barbie«) über eine Milliarde Dollar einspielt, dann sollten sie doch mindestens zwei Milliarden Dollar mit einem Film über das so traditionsreiche Süßgetränk schaffen, dessen Verpackung ein rotes Männchen in Form eines Krugs ziert, und das, versetzt mit Gift, der Sekte Peoples Temple 1978 für ihren Massensuizid diente.
Dafür aber brauche er einen neuen Studioleiter, der ebenso an die Idee glaube wie er, ist Mill überzeugt. Doch was Remick angeht, hat er seine Zweifel. Und wirft ihm vor, am liebsten »verfurzte Kunstfilmchen« zu produzieren: »I’ve heard you are really into artsy farts filmmaking bull-shit, that you’re obsessed with directors and actors liking you rather than being obsessed with making this studio as much money as possible.« – »That could not be further from the truth«, bestreitet Remick den Vorwurf umgehend – und lügt dabei wie gedruckt.
Höllenschlund Hollywood
Der Anfang gibt die Stoßrichtung von »The Studio« vor. Hollywood ist ein Höllenschlund aus eingebildeten Exzentrikern und Narzissten wie Mill sowie rückgratlosen Jasagern und Feiglingen wie Remick. Ein falsches Wort entscheidet über Erfolg oder Karriereende. Remick wird im Laufe der insgesamt zehn Episoden noch erfahren müssen, dass jeder Besuch am Set, jede Casting-Entscheidung, jedes Marketing-Meeting und jede Preisverleihung in einer großen Katastrophe münden kann. Dabei vertritt er eigentlich ein Hollywood, das an künstlerischen Anspruch und den Erfolg großer Autorenfilme glaubt. Im Gegensatz zu seinem Vorgesetzten, der seinen Standpunkt von Unterhaltung auf niedrigstem Niveau mit einer im Englischen sehr feinen Unterscheidung ausdrückt: »At Continental we don’t make films. We make movies. Movies people wanna pay to see.«
Remick, der mit seiner Arschkriecherei letztlich die Beförderung zum Studioleiter bekommt, hat auch schon einen Plan, wie er den Konflikt zwischen seinem Selbstverständnis als großzügiger Finanzier gehobener Filmkunst und dem Profitstreben seines Chefs lösen kann. Wenn das mit der Autorenfilmerin Greta Gerwig und »Barbie« geklappt hat, müsste so etwas doch auch mit dem Kool-Aid-Film funktionieren. Hier kommt Martin Scorsese ins Spiel, wobei sich Remick letztlich in ein schier unerträgliches Fiasko aus Lavieren und Drucksen manövriert.
Seth Rogen, der nicht nur spielte, sondern abwechselnd mit seinem Kollegen Evan Goldberg auch die Regie übernahm, weiß, wovon er hier erzählt. Vielen ist er vor allem durch seine frühen Rollen in albernen Komödien (»Beim ersten Mal«, »Jungfrau (40), männlich, sucht … «, »Bad Neighbors«) bekannt. Doch er zählt schon seit Jahren zu den umtriebigsten Produzenten und Drehbuchautoren Hollywoods. Mit seiner eigenen Produktionsfirma Point Grey Pictures, die er zusammen mit seinem Kollegen Goldberg leitet, produzierte er in den vergangenen Jahren für den Hollywood-Riesen Universal. Nebenbei bemerkt betreibt der dauerkiffende 42jährige (ein Großteil seiner Instagram-Videos besteht darin, sich genüsslich einen Joint anzuzünden) auch ein florierendes Geschäft mit Cannabis.
Jede der rund halbstündigen und in sich abgeschlossenen Folgen von »The Studio« dreht sich darum, wie Matt Remick ein weiteres Mal über seinen eigenen Anspruch stolpert, wie er, getrieben von seiner Angst, Schauspieler oder Regisseure auch nur im geringsten zu verärgern, vor den Mächtigen der Branche kuscht, wie er lieber seinen cinephilen Interessen Vorrang gibt, anstatt wirtschaftlich sinnvolle Entscheidungen zu treffen.
Ist der Cast divers genug?
Dabei gerät er immer wieder in Clinch mit seinem Team, allen voran mit seinem Buddy und Produzentenkollegen Sal Seperstein (Ike Barinholtz) und der forschen Marketing-Chefin Maya (Kathryn Hahn). Die heftigen, aberwitzigen Wortgefechte, wenn es etwa darum geht, ob der Cast des Kool-Aid-Films divers genug ist, oder wenn darüber gestritten wird, wer aus dem Team nun Ron Howard sagt, dass die letzte halbe Stunde seines 180-Minuten-Films absoluter Mist sei, leben von einer umwerfenden Situationskomik. Am Ende ist es jedes Mal Matt Remick, der als Vollidiot dasteht, dabei aber immer mit einem blauen Auge davonkommt.
Die Serie wirkt wie eine großangelegte Tour hinter die Kulissen Hollywoods. Etwa wenn sich Remick und Seperstein mit einem Agenten im »Musso & Frank«, einem der ältesten und prestigeträchtigsten Restaurants Hollywoods, treffen. Wenn Remick sein Golfcart auf dem riesigen Studiogelände durch die Filmsets navigiert. Oder wenn in einer der großartigsten Folgen die Golden Globes im Hotel »The Beverly Hilton« stattfinden und Remick sehnlichst darauf hofft, dass einer seiner Filme gewinnt und auch er als ausführender Produzent auf der Bühne eine Danksagung erhält.
»The Studio« ist eine so ehrliche wie beißend komische Satire über eine Filmindustrie, deren glanzvolle Tage längst der Vergangenheit angehören. Eine Filmindustrie, die sich in ihrem Narzissmus permanent um sich selbst dreht.
Dieser Eindruck, aus nächster Nähe in das Räderwerk der Filmindustrie zu blicken, verstärkt sich noch durch die fabelhafte Kameraarbeit von Adam Newport-Berra. Selten sah eine Comedy-Serie so gut aus. Ein Großteil der Szenen wurde mit einer beweglichen Kamera gedreht, die immer wieder während der verbalen Scharmützel zwischen den Beteiligten hin und her wechselt und ihnen wie ein schlechtes Gewissen auf Schritt und Tritt folgt.
Die Kameraarbeit wird dabei selbst zum Aufhänger einer ganzen Episode, in der Remick der Regisseurin Sarah Polley einen Besuch am Set abstattet. Eben jene Szene, die das Filmteam zeigt, wie es völlig unter Zeitdruck zur goldenen Stunde einen One-Shot drehen möchte und von der Nervensäge Matt Remick permanent unterbrochen wird, ist als ein einziger, langer One-Shot angelegt. Das Ende der Folge, Remick hat letztlich den ganzen Dreh vermasselt, ist mit »You Can’t Always Get What You Want« von den Rolling Stones unterlegt.
»The Studio« ist eine so ehrliche wie beißend komische Satire über eine Filmindustrie, deren glanzvolle Tage längst der Vergangenheit angehören. Eine Filmindustrie, die sich in ihrem Narzissmus permanent um sich selbst dreht. Und eine Filmindustrie, die sich immer stärkerer Konkurrenz durch Streaming-Anbieter gegenübersieht und sich fragen muss, wie sehr sie dem eigenen Anspruch, großes Kino zu produzieren, überhaupt noch gerecht werden kann, wenn am Ende des Tages der Profit nicht mehr stimmt. Auch Matt Remick, der sich bei seiner Arbeit als leitender Produzent allzu gerne als Künstler versteht, muss zur Erkenntnis kommen, dass das heutige Filmemachen den Film zu zerstören droht: »I got into this because I love movies, but now I have this fear that my job is to ruin them.«
»The Studio« (USA 2025) kann bei Apple TV+ gestreamt werden.