Rauch
Milde Sorte
Es war nicht so, dass Sam gänzlich ohne Ehrgeiz gewesen wäre. In der Redaktion hielt er sich jedoch zurück. Er fühlte sich ein wenig wie einer, der gekommen war, ohne gerufen worden zu sein. Er wurde nicht zu Premieren eingeladen, saß in keinen Jurys, moderierte keine Veranstaltungen und nahm an keinen Diskussionen teil. Sam machte seinen Job. Er studierte die Verlagskataloge und wählte Bücher aus, die er für interessant hielt. Der Kulturchef ließ ihn gewähren. Er wusste einen guten Arbeiter an seiner Seite. Einen, dessen Konkurrenz er nicht zu fürchten hatte und dessen Ambitionen, wie es schien, überschaubar blieben. Sam mochte die Redaktionsassistentinnen. Er schaute ihnen gerne zu, wenn sie die Manuskripte in Zylinder steckten und per Rohrpost in die Druckerei beförderten. Manchmal lud Sam, um wenigstens ein paar Kontakte zu knüpfen, einen Autor oder eine Autorin ins Allmeier ein, wurde ob seiner Großzügigkeit bewundert und verschwieg, dass er nur die Hälfte des Abendessens zu bezahlen hatte.
Sam hasste Verrisse. Er hasste es, wenn das Ego der Rezensenten sich aufplusterte und wichtiger wurde als das zu besprechende Buch.
Er selbst schrieb wenig. Gezeichnete Beiträge fanden sich nur selten in der Zeitung. Nur die Lyrik, um die sich auch sonst niemand wirklich riss, behielt er sich vor. Er scheute sich davor, Zensuren zu vergeben. Sam hasste Verrisse. Er hasste es, wenn das Ego der Rezensenten sich aufplusterte und wichtiger wurde als das zu besprechende Buch. Sicher, man musste sich mit den Großmeistern auseinandersetzen, kritisch, durchaus. Aber er verstand nicht, wieso man den Lesern sagen sollte, dieses oder jenes Buch sei Mist, man solle es auf keinen Fall lesen. Die Guten ins Töpfchen, mehr wollte er nicht. Für die Schlechten war es Strafe genug, unerwähnt zu bleiben.
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