10.04.2025
Der FC Schalke 04 versucht, durch die Gründung einer Genossenschaft Schulden zu tilgen

Seid umschlungen, Genossen

An drei Dingen hat der Zweitligist Schalke 04 keinen Mangel: Tradition, Mitglieder und Schulden. Nun sollten die Mitglieder helfen, die Schulden in den Griff zu bekommen. Doch die zu diesem Zweck gegründete Genossenschaft brachte bislang nicht so viel Geld ein wie erhofft.

Ein wichtiger, aber magerer 2:1-Sieg gegen Ulm am Samstag im eigenen Stadion, Platz elf in der Tabelle der 2. Bundesliga – alles nichts, was einen Verein mit der Tradition und vor allem den Ansprüchen des FC Schalke 04 besonders glücklich machen kann. Aber noch vor wenigen Monaten drohte der Abstieg in die 3. Liga.

Der Verein ist dabei, sportlich wieder festen Boden unter die Stollenschuhe zu bekommen und die Basis dafür zu legen, sich in den kommenden Jahren wieder in Richtung Bundesligaaufstieg zu orientieren. Trainer Kees van Wonderen ist zwar nicht unumstritten, hat aber etwas Ruhe in die Mannschaft gebracht. Mit Frank Baumann, als Spieler und Manager einst Aushängeschild des SV Werder Bremen, gelang es dem Verein nach monatelanger Suche, einen neuen Sportvorstand zu finden, der obendrein als besonders seriös gilt.

Und mit dem 28jährigen Innenverteidiger Timo Becker holt Schalke ein Eigengewächs aus der sogenannten Knappenschmiede zurück, dem Nachwuchszentrum des Vereins. Er könnte zum Gesicht der zukünftigen Mannschaft werden: Auch in den Jahren, in denen Becker bei Holstein Kiel spielte, machte er immer klar, dass er Schalke-Fan geblieben war. Im Urlaub ließ sich der im Ruhrgebiet geborene und aufgewachsene Becker im Schalke-Trikot ablichten und immer wieder war er in der Nordkurve zu sehen, wo er mit anderen Fans seinen Herzensverein anfeuerte.

Ein Blick in den im Winter erschienen »Konzernzwischenbericht« ähnelt dem in einen finsteren Abgrund: Fast 150 Millionen Euro Schulden belasten den Verein.

Das größte Problem aber bleibt das Geld. Ein Blick in den im Winter erschienen »Konzernzwischenbericht« ähnelt dem in einen finsteren Abgrund: 149.830.097 Euro Schulden belasten den Verein. Im Sommer vergangenen Jahres waren es sogar noch über 162 Millionen Euro gewesen, aber neben eisernem Sparen hatte Schalke Glück: Stadionauftritte von AC/DC, Rammstein und vor allem Taylor Swift, die im Juli gleich drei ausverkaufte Konzerte gab, spülten viel Geld in die Kasse; der Bau der sogenannten Veltins-Arena war um die Jahrtausendwende in Eigenregie des Vereins ohne öffentliche Gelder realisiert worden.

Aber wenn ein Verein weiß, dass man nicht immer Glück hat, dann ist das Schalke: »Der Markt für nichtfußballerische Großveranstaltungen in der Veltins-Arena«, heißt es entsprechend im Konzernzwischenbericht, »ist schwer zu prognostizieren. In Deutschland konkurrieren relativ viele Stadien und Multifunktionsarenen um die wenigen großen lukrativen Konzerte und Shows.«

Profimannschaft in eine Kapitalgesellschaft ausgliedern?

Schalke braucht also Geld. Auch in Gelsenkirchen wurde darüber nachgedacht, die Lizenzspielerabteilung auszugliedern. Das bedeutet, dass die Profimannschaft in eine Kapitalgesellschaft ausgegliedert wird; dadurch kann leichter in sie investiert werden. In der Bundesliga ist das längst der Normalfall.

Bei den Fans kam das aber oft nicht gut an: Nachdem der HSV seine Profimannschaft in eine AG auslagerte, kehrten ihm viele Fans den Rücken. Einige taten sich sogar zusammen und gründeten mit dem HFC Falke einen eigenen Verein. Der Club der Fußballromantiker könnte in der kommenden Saison in die Hamburger Landesliga aufsteigen.

Nach Jahren der Diskussion und des Streits entschied man sich bei Schalke, einen eigenen Weg zu gehen, nachdem eine Mitgliederbefragung im Juni 2023 ergeben hatte, dass es wohl keine Mehrheit für eine Ausgliederung geben würde. Ab 11.04 Uhr am 22. Januar konnten Anteile an der neu gegründeten Genossenschaft »Auf Schalke« gezeichnet werden. Sven Kirstein, Mitglied des Schalke-Aufsichtsrats und der Fördergenossenschaft, warb in einem Interview auf der Internetseite der Knappen für die eingetragene Genossenschaft (eG): Die Fördergenossenschaft böte Antworten auf zentrale Fragen des Vereins. »Wie beschleunigen wir den Weg der Entschuldung? Wie schaffen wir Möglichkeiten für Zukunfts­in­vesti­tionen? Wie ermöglichen wir allen Schalkern, aktiv an diesem Weg teilzuhaben? Durch die Genossenschaft können wir finanzielle Fesseln lösen und – je nach Anzahl der gezeichneten Anteile – jährlich finanzielle Freiräume in Millionenhöhe schaffen.«

»Ich bin Genosse, weil der FC Schalke 04 mich niemals loslässt«

Anteile an der Genossenschaft können von Mitgliedern, Unternehmen und Vereinen gezeichnet werden. Jeder Anteil kostet 250 Euro, unabhängig von der Anzahl der Anteile hat jedes Mitglied, egal ob Einzelpersonen oder Unternehmen, eine Stimme in der Genossenschaft. Der Verein wirbt mit Witz um neue Genossen: Unter einem Foto einer etwas älteren Dame im Leopardenfellmantel ist der Satz »Unser Scheich bist Du« zu lesen – in Anspielung auf im europäischen Spitzenfußball engagierte Großinvestoren aus dem arabischen Raum. Genossenschaftsmitglieder werben mit Sprüchen wie »Ich bin Genosse, weil der FC Schalke 04 mich niemals loslässt« oder »Ich unterstützte die Genossenschaft, da ich aus dem Bergbau weiß, wie wichtig es ist zusammenzuhalten«.

Prominente wie der Schauspieler Peter Lohmeyer (»Wenn Schalke ein Teil von mir ist, dann bin ich doch auch gerne ein Teil von Schalke«) und der Bundestagsabgeordnete Frank Schwabe (»Schalke ist in meinem Herzen, von klein auf«), ehemalige Spieler wie Olaf Thon (»Ich bin dabei, weil Schalke mehr ist als nur Fußball«) und die Bloggerin Susanne Hein-Reipen, deren kluge Kommentare zum Vereinsgeschehen auf Facebook fast 100.000 Leser verfolgen, geben sich jede Mühe, Fans zu überzeugen, Geld für den Club zur Verfügung zu stellen.

Und so konnte der Verein zunächst auch schnell Erfolge verkünden: Schon nach drei Tagen waren 3,5 Millionen Euro zusammengekommen. Doch nach einem Bericht des Funke-Medienportals Der Westen ist Schalke von seinem Ziel, 48 Millionen Euro einzunehmen, weit entfernt. Von den mehr als 190.000 Mitgliedern haben bislang nur gut 7.000 Anteile gezeichnet. Schalkes Vorstandschef Matthias Tillmann sagte allerdings schon im Februar dem Fachmagazin Spobis, dass es kein Finanzziel gebe: »Wir haben nie behauptet, dass 50 Millionen Euro unser konkretes Ziel sind. Was wir gesagt haben, ist, dass diese Summe notwendig wäre, um von einem finanziellen Befreiungsschlag zu sprechen.« Bei Projekten dieser Größenordnung sei es entscheidend, die Erwartungen realistisch zu steuern: »Mit fünf Millionen Euro ist ein Befreiungsschlag eben nicht möglich.« Einen ersten Zwischenstand will der Verein am 19. April veröffentlichen.

Nach eine Zeichnungsphase von fünf Monaten verkündete der FC St. Pauli Ende März, dass 21.000 Menschen Mitglied der Football Cooperative Sankt Pauli 2024 eG geworden seien und Anteile im Gesamtwert von mehr als 27 Millionen Euro gezeichnet haben. 

Vielleicht blicken dann viele »auf Schalke« (wie es im Gelsenkirchener Lokalidiom heißt) mit Neid gen Norden. Nach eine Zeichnungsphase von fünf Monaten verkündete der FC St. Pauli Ende März, dass 21.000 Menschen Mitglied der Football Cooperative Sankt Pauli 2024 eG geworden seien und Anteile im Gesamtwert von mehr als 27 Millionen Euro gezeichnet haben. »Wir wurden überrannt«, sagte Andreas Borcherding, Vorstandsvorsitzender der Genossenschaft, in einer Pressemitteilung des Clubs. Dabei hat St. Pauli mit 49.000 nur ein Viertel so viele Mitglieder wie Schalke mit fast 200.000.

Aber 250 Euro sind nicht in jeder Stadt gleich viel Geld. Das jährliche Durchschnittseinkommen in Hamburg lag 2020 (neuere Zahlen gibt es nicht) bei 48.000 Euro pro Steuerpflichtigem. Hamburg ist eine der reichsten Städte Deutschlands. Ganz anders sieht es in Gelsenkirchen, der Stadt mit der höchsten Armutsquote Deutschlands aus. Das durchschnittliche verfügbare Einkommen lag dort 2022 nur bei gut 18.500 Euro – pro Haushalt. Vorteil Hamburg.