10.04.2025
Deutsche Ökonomen wollen Feiertage streichen

Abrackern für Deutschland

Der geplanten deutlichen Steigerung der deutschen Staatsverschuldung wollen Ökonom:innen mit der Streichung eines Feiertags begegnen. Darunter leiden würden die Beschäftigten, doch selbst der wirtschaftliche Nutzen ist fraglich.

In einem waren sich die Kanzlerkandidaten im Bundestagswahlkampf fast alle einig: Die Prolet:innen müssen endlich wieder mehr malochen! Ob Friedrich Merz (CDU), Robert Habeck (Grüne), Olaf Scholz (SPD) oder auch der Spitzenkandidat der FDP, Christian Lindner – durch die Bank herrschte Konsens, dass endlich Schluss sein muss mit bequemer work-life balance, Debatten über die Viertagewoche und dem Streben nach mehr Freizeit.

Wolle man die Rezession überwinden und den Wohlstand sichern, heiße es jetzt: anpacken für Deutschland! Offen ist, wie man die Mehrwertprodu­zent:innen zu größeren Anstrengungen zum Wohle des Landes – beziehungsweise der Dividenden – bewegen kann.

Ökonom:innen und Wirtschaftslobbyist:innen haben diese Mahnungen in einen konkreten Vorschlag übersetzt: Sie fordern, einen Feiertag oder mehrere Feiertage zu streichen. Zuletzt haben sich unter anderem der Präsident des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung, Clemens Fuest, die Vorsitzende der sogenannten Wirtschaftsweisen, Monika Schnitzer, und der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks, Jörg Dittrich, für die Streichung freier Tage ausgesprochen.

Damit, so argumentieren sie, ließe sich sowohl die Produktivität steigern als auch das Arbeitsangebot erhöhen und Milliarden würden in die deutsche Staatskasse fließen. Als Vorbild dient ihnen Dänemark, das im vergangenen Jahr zur Finanzierung höherer Verteidigungsausgaben den »Store Bededag«, vergleichbar mit dem deutschen Buß- und Bettag, abschaffte.

Tatsächlich geht es denen, die weitere freie Tage streichen wollen, weniger um die Wohlstandssicherung der Allgemeinheit als um die damit verbundene gesellschaftliche Botschaft.

Neu ist die Forderung nach Abschaffung eines Feiertages nicht. Seit Jahrzehnten wird sie von Unternehmensvertreter:innen immer wieder vorgebracht. Mal soll ein Feiertag auf einen Sonntag gelegt, mal soll einer gestrichen werden. Erfahrungen mit dem Wegfall eines Feiertags konnte man in Deutschland bereits sammeln: 1994 beschloss der Bundestag, den Buß- und Bettag abzuschaffen, um die Einführung der gesetzlichen Pflegeversicherung zu refinanzieren.

Nicht die Beschäftigten wurden dadurch entlastet, stattdessen sanken die Beiträge der Arbeitgeber:innen zur Pflegeversicherung. Und auch die versprochene Beitragsstabilität blieb aus: Von anfangs einem Prozent sind die Beiträge auf inzwischen 3,6 Prozent für Personen mit Kindern und 4,2 Prozent für Kinderlose gestiegen. Und trotzdem klafft in der Pflegekasse ein Milliardenloch.

Auch an der gesamtökonomischen Wirksamkeit der Abschaffung eines Feiertages bestehen Zweifel. Dass mehr Arbeitstage automatisch die Wirtschaftsleistung steigern, ist fraglich. So liegt Bayern mit 13 Feiertagen im Vergleich der Bundesländer klar an der Spitze – und ist zugleich das wirtschaftsstärkste Flächenland. Über die zweitmeisten Feiertage können sich die Beschäftigten in Baden-Württemberg freuen – das Bayern beim Bruttoinlandsprodukt pro Kopf gleich auf dem Fuß folgt.

Tatsächlich geht es denen, die weitere freie Tage streichen wollen, weniger um die Wohlstandssicherung der Allgemeinheit als um die damit verbundene gesellschaftliche Botschaft. Die Abschaffung eines Feiertags, sagte Handwerkspräsident Jörg Dittrich der Neuen Osnabrücker Zeitung, würde »das Signal senden: Wir nehmen die Herausforderungen gemeinsam an und packen es jetzt alle zusammen an. Die neuen Realitäten erfordern einen fröhlichen Fleiß, um das Erworbene zu erhalten.« Auch Monika Schnitzer findet die Abschaffung vor allem »als Symbol genau richtig«.

Symbolpolitik auf dem Rücken der Lohnabhängigen

Dass solcherlei Plädoyers für Symbolpolitik auf dem Rücken der Lohnabhängigen nicht zu einem Sturm der Entrüstung führen, verdankt sich vor allem dem Umstand, dass es gelungen ist, den Mythos zu verbreiten, hierzulande werde zu wenig gearbeitet. Mit der Realität hat das jedoch wenig zu tun: Noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik war die Zahl der Erwerbstätigen so hoch.

46,1 Millionen Menschen leisteten 2023 insgesamt 55 Milliarden Arbeitsstunden – ebenfalls ein Rekord. Jahr für Jahr werden zudem etwa 1,3 Milliarden Überstunden geleistet, mehr als 775 Millionen Stunden davon unbezahlt. Darin nicht enthalten sind die zig Millionen Stunden, die nicht in der Statistik auftauchen, weil sie gar nicht erst erfasst werden.

Profitieren würde von der Streichung eines Feiertags ausschließlich das Kapital. Für die Beschäftigten bedeutet sie hingegen Mehrarbeit ohne Lohnausgleich, also eine Lohnkürzung durch die Hintertür. In den zahlreichen Branchen, in denen auch an Festtagen weitergearbeitet wird, würden zudem die Feiertagszuschläge entfallen. Einmal mehr werden so die Kosten der multiplen kapitalistischen Krise auf die Lohnabhängigen abgewälzt.