17.04.2025
Initiativen gegen Antisemitismus an deutschen Kunsthochschulen

»Heute wird gelernt, dass Israelhass ›en vogue‹ ist«

Besonders schlimm grassiert der Antizionismus im Kulturbetrieb – seinen Anfang nimmt dieser nicht selten an Kunsthochschulen. Doch dort gründen sich in jüngster Zeit immer mehr Initiativen, die dem antisemitischen Konsens trotzen, beispielsweise an der Kunstakademie Düsseldorf.

Der Kritik an Antisemitismus wird mittlerweile routiniert mit Artikel 5 des Grundgesetzes gekontert. Wahlweise sei die Freiheit von Meinung, Rede, Kunst, Forschung oder Lehre eingeschränkt, wenn Israelhass, Judenfeindlichkeit oder Terrorverherrlichung als solche benannt oder gar sanktioniert werden. Besonders an Kunsthochschulen spielen diese Freiheiten eine große Rolle, doch gleichzeitig sind diese ein Schmelztiegel für die israel- und judenfeindlichen Trends und Traditionen aus Kunstbetrieb, Wissenschaft und linkem Aktivismus.

An den renommierten Schulen werden ganze Kohorten von Nach­wuchs­künstler:innen nicht nur künstlerisch und handwerklich geschult, sondern hier bilden sie auch ihren Habitus und ihre politischen Überzeugungen aus, hier erlernen sie den radical chic. Seit dem terroristischen Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 kommt es an deutschen Kunsthochschulen immer wieder zu antisemitischen Vorfällen und Kontroversen über das Thema. Dass an manchen Orten dagegen angearbeitet wird, zeigt beispielsweise eine studentisch organisierte Veranstaltungsreihe zu Antisemitismus an der Kunstakademie Düsseldorf.

Der damalige Präsident der Universität der Künste Berlin, Norbert Palz, attestierte im »Tagesspiegel« »bestimmten Gruppen« an seiner Hochschule ein Antisemitismusproblem.

Die Reihe wird von der studentischen Gruppe About Antisemitism organisiert und schließt eine Lücke im Lehrangebot der Akademie. In deren Veranstaltungsraum »Sparta« finden im April und Mai öffentliche Veranstaltungen zum Begriff des Antisemitismus, über postkoloniale Theorie und Antisemitismus, Antisemitismus in Subkulturen und der Technoszene sowie zu Antisemitismus in der AfD statt.

Leonard Schmidt-Dominé, Künstler, Student und federführender Veranstalter der Reihe, sagt im Gespräch mit der Jungle World, dass es außerdem auch darum gehe, »antisemitismuskritische Stimmen an der Kunsthochschule zu vernetzen und überhaupt sichtbar zu machen«. Finanziert aus einem universitären Topf zur Qualitätssicherung sei die Reihe letztlich auch ein »Signal, um Sichtbarkeit für das Thema und für jüdische Studierende zu erzeugen«.

Antisemitismus und der Hass auf Israel sind spätestens mit der vergangenen Documenta und Nan Goldins Auftritt in der Neuen Nationalgalerie auch für eine breite Öffentlichkeit im etablierten deutschen Kunstbetrieb wahrzunehmen. Daneben werden auch Kunsthochschulen vermehrt kritisiert, weil es in Berlin, Kassel, München, Halle und anderswo zu Vorfällen mit Bezug zu antisemitischen Ressentiments, Delegitimierung des Staates Israels oder der Verherrlichung islamistischen Terrors kam.

»Kultur des Wegschauens«

Während sich die Bedrohungslage für jüdische Studierende und Dozierende an Hochschulen im Allgemeinen erheblich verschärft hat, kommen an Kunsthochschulen noch ganz spezielle Bedingungen hinzu. Der Student Klemens Elias Braun beklagte jüngst in der Jüdischen Allgemeinen eine »Kultur des Wegschauens«, die nicht nur durch Hilflosigkeit und Unwillen der Hochschulverwaltungen begünstigt werde, sondern auch durch besonders starke Abhängigkeitsverhältnisse in der kleinen Welt der Kunst.

Diese Einschätzung bestätigt der Autor Matthias Naumann, Herausgeber des Bandes »Judenhass im Kunstbetrieb«, im Gespräch mit der Jungle World: »Ein Merkmal des Kunstbetriebs im Allgemeinen ist die starke Fokussierung auf Autoritätsstrukturen und Vorbilder in Form von bekannten und erfolgreichen Personen. Das verschärft sich an Kunsthochschulen noch, weil einerseits die Studierenden stark nach Orientierung suchen und andererseits die Position des Professors, der seine Klasse führt, so immens einflussreich ist.« Auch Schmidt-Dominé vermisste nicht nur Solidarität von Kunstprofessor:innen, sondern nahm sogar wahr, dass viele der Dozierenden selber »in einem postkolonialen oder BDS-nahen Kontext« stünden, was wiederum die Lage verschärfe, »weil man an Kunsthochschulen ja eine sehr starke Identifikation mit den Professor:innen bemerkt«.

Eine solche Identifikation mit antisemitischer Autorität zeigte sich im Februar 2024 an der Akademie der Bildenden Künste München. Studierende witterten hier Zensur und Canceling, weil die befristete Vertretungsprofessur der Künstlerin Jumana Manna auslief. Diese hatte unmittelbar nach dem terroristischem Pogrom vom 7. Oktober auf Instagram von der »creativity of resistance« gesprochen und die Opfer des Supernova-Festivals verhöhnt. Während ihre Einzelausstellungen im Heidelberger Kunstverein klammheimlich abgesagt wurde, konnte Manna an der Münchner Kunstakademie vorerst weiter unterrichten. Trotzdem sah sie sich als Opfer einer rassistischen »Schmutzkampagne«, was die Studierenden in München nur allzu gern genauso sahen.

»Vom sogenannten Nahostkonflikt überhaupt keine Ahnung«

Matthias Naumann sieht in solchen Fällen die besonderen Risiken in der Ausbildung von jungen Künstler:innen am Werk: »Kunststudierende wollen nicht nur handwerkliche und künstlerische Skills von ihrer Ausbildung, sondern auch erfahren, was gerade in Mode ist und wie sie das bedienen können.« Gerade heute, so Neumann, »wird dann eben gelernt, dass Israelhass en vogue ist und dabei gleichzeitig noch vermittelt, dass man vom sogenannten Nahostkonflikt überhaupt keine Ahnung haben muss, um extreme Ansichten zu vertreten oder extreme Aktionen durchzuführen«.

An einem Hotspot solcher Aktivitäten reagiert die Hochschulleitung mittlerweile: Die Universität der Künste Berlin (UdK) war Schauplatz des bisher wohl bekanntesten Falls von Verherrlichung antisemitischen Terrors an einer deutschen Hochschule, als Protestierende im November 2023 mit rot bemalten Händen Bezug auf einen bekannten antisemitischen Lynchmord nahmen. Die Leitung der UdK wurde zu dieser Zeit bereits für eine Solidaritätsnote mit Partner:innen an israelischen Universitäten heftig kritisiert und es folgten weitere Streikaufrufe gegen die vermeintliche institutionelle Unterstützung von Apartheid, Genozid und Kolonialismus.

Eine Stellungnahme von Lehrenden und Mitarbeitenden der UdK vom Februar 2024 positionierte sich dann »nachdrücklich gegen Antisemitismus an unserer Hochschule und in unserer Gesellschaft«. Weiterhin wurden Argumentationen abgelehnt, die den »Verteidigungskrieg Israels mittels einer Verkürzung postkolonialer Theoriebildung als koloniale Mission und Israel als Regime der Apartheid klassifizieren und den Terror der Hamas als Freiheitskampf verschleiern«. Der damalige UdK-Präsident Norbert Palz, ein Unterzeichner der Stellungnahme, attestierte im Tagesspiegel »bestimmten Gruppen« an seiner Hochschule ein Antisemitismusproblem.

»Positive Rückmeldungen«

In Reaktion auf diese Auseinandersetzungen und Gefährdungspotentiale gründete sich beispielsweise die Jüdische Kunstschule. Auch institutionelle Maßnahmen nehmen an der UdK langsam Gestalt an. Im Juli 2024 wurde beschlossen, eine:n »Anti­semi­tismus­­beauftragte:n mit intersektionaler Perspektive« zu berufen. Daneben hat die UdK ein Informationsportal zur Antisemitismusprävention aufgebaut, das auf aktuelle Studien zu Antisemitismus, Bildungsmaterial sowie interne und externe Beratungs- und Meldestellen verlinkt.

In Zusammenarbeit mit dem Mid­east Freedom Forum Berlin findet außerdem ein Workshop-Programm für Lehrende, Mitarbeitende und Studierende statt. Für ein Gespräch zu bisherigen Erfahrungen stand die Prozessbeauftragte nicht zur Verfügung, die Presseabteilung der UdK teilte der Jungle World aber schriftlich mit, dass es auf das Bildungsprogramm »positive Rückmeldungen« gebe und der Berliner Senat im Angebot der UdK »ein vorbildliches Modell für andere Hochschulen« sehe.

 »Uns wurde gesagt, dass man nach dem 7. Oktober keine Veranstaltung zu Antisemitismus machen könne, weil das automatisch eine Solidarisierung mit dem Staat Israel wäre und man damit wiederum einen angeblichen Genozid an den Palästinensern gutheißen würde.« Leonard Schmidt-Dominé, Künstler und Student

Dass es gerade in Berlin ausschließlich positive Rückmeldungen auf die neuen Angebote gegeben habe, lässt sich nicht mit den Erfahrungen von Leonard Schmidt-Dominés in Einklang bringen. In Düsseldorf hätten ihm manche Mitstudierende »vehemente Ablehnung« wegen der Veranstaltungsreihe zu Antisemitismus entgegengebracht: »Uns wurde gesagt, dass man nach dem 7. Oktober keine Veranstaltung zu Antisemitismus machen könne, weil das automatisch eine Solidarisierung mit dem Staat Israel wäre und man damit wiederum einen angeblichen Genozid an den Palästinensern gutheißen würde.«

Weiter wurde eingewendet, dass »Antisemitismus Teil eines Narrativs der USA, Deutschlands und Israels sei, um den angeblichen Genozid an den Palästinensern zu verschleiern«. Schmidt-Dominé findet es alarmierend, dass solche Argumentationen und Verschwörungstheorien bei Studierenden von Kunsthochschulen verbreitet seien, und fühlt sich in seinem Unterfangen bestätigt: »Die Reaktionen haben nochmal die Notwendigkeit unserer Vortragsreihe bewiesen.«