Wie lange noch US-Truppen im östlichen Europa?
US-Präsident Donald Trump sorgte bereits vor seinem Amtsantritt in den europäischen Verteidigungsministerien und Generalstäben für Unruhe. Aussagen wie die aus dem Wahlkampf im Februar 2024, dass er jedes Nato-Land, dessen Verteidigungsausgaben nicht mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts betragen, Russland zum Fraß vorwerfen werde, die zeitweise Aussetzung der US-Militärhilfen für die Ukraine im März dieses Jahres und die offensichtliche Bereitschaft, die ukrainische und ostmitteleuropäische Sicherheit in den Gesprächen mit Russland zu verscherbeln, sind wahrlich Grund genug, nervös zu werden. Kein Wunder also, dass die Meldung über eine schon lange vor Trumps Wahlsieg geplante Umgruppierung US-amerikanischer Truppen in Polen ausreicht, um in Osteuropa Alarmstimmung auszulösen.
Am Montag vergangener Woche erklärte die United States Army Europe and Africa (ein Großverband der US-Streitkräfte, zu dessen Verantwortungsbereich auch die Staaten der ehemaligen Sowjetunion gehören), dass sie Personal und Gerät von dem in Polen gelegenen Flughafen Jasionka bei Rzeszów, etwa 80 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt, an andere Standorte in Polen verlegen würden. Die Militärbasis ist eines der wichtigsten Transitzentren für die westliche Unterstützung der ukrainischen Armee.
Der Abzug sei bereits länger geplant und mit den polnischen Partnern abgesprochen. Einen Tag später veröffentlichte NBC News einen Artikel, in dem auf Basis von Aussagen einiger US-amerikanischer und europäischer Beamter von Plänen des Pentagon berichtet wurde, bis zu 10.000 US-Soldaten aus Polen und Rumänien abzuziehen. Diese beiden Meldungen sorgen seitdem für große Aufregung in der Region.
Die litauische Verteidigungsministerin Dovilė Šakalienė räumte ein, dass die US-Präsenz in Europa in Zukunft wohl »reevaluiert« werden würde.
Gegenwärtig sind etwa 20.000 US-Soldaten in den Ländern der Nato-Ostflanke stationiert. Dieses Aufgebot war nach der russischen Vollinvasion der Ukraine aufgestockt worden. Nach Litauen sind etwa 1.000 Soldaten entsandt worden. In Rumänien ist der Großteil der 1.700 Soldaten auf dem militärischen Teil des Flughafens »Mihail Kogălniceanu« bei Constanța im Südosten des Landes stationiert.
Aber Dreh- und Angelpunkt für die US-Armee im östlichen Europa ist Polen. Etwa 10.000 Soldaten sind derzeit dort stationiert. Auf den verschiedenen Militärbasen befinden sich US-amerikanische Luftabwehrsysteme, Panzereinheiten und Waffenlager. Im Camp Kościuszko in Poznań verfügt außerdem seit dem Jahr 2020 das V. Korps der US-Streitkräfte, das für die Koordination mit den Nato-Partnern zuständig ist, über ein zweites Hauptquartier neben dem ursprünglichen in Fort Knox. Der Namensgeber der Militärbasis, Tadeusz Kościuszko, ist in Polen bekannt als Anführer des polnischen Aufstandes gegen die Besatzungsmächte Russland und Preußen im Jahr 1794. In den USA wird er für seinen Einsatz im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg gefeiert.
Um dem Eindruck entgegenzuwirken, die enge militärische Zusammenarbeit zwischen Polen und den USA könnte sich aufzulösen beginnen, beeilten sich sowohl der polnische Ministerpräsident Donald Tusk als auch Präsident Andrzej Duda in Presserklärungen am 8. April zu betonen, dass die Truppenbewegungen schon lange geplant und mit den Partnern koordiniert gewesen seien. Tatsächlich sind die Veränderungen in der Nutzung des Flughafens Jasionka schon beim Nato-Gipfel in Washington, D.C., im vergangenen Jahr beschlossen worden.
Norwegische und deutsche Truppen stationiert
Seither wurden dort unter anderem norwegische und deutsche Truppen stationiert, welche die Koordination der Patriot-Flugabwehrsysteme übernommen haben, so Oberst Piotr Lewandowski, ehemaliger Kommandant der polnischen Militärbasis Redzikowo, auf der auch US-Soldaten stationiert sind, im Interview. Der polnische Offizier beanstandete außerdem, dass die Angst der Öffentlichkeit vor einem Rückzug der US-Armee derzeit übertrieben panisch sei. Andere polnische Sicherheitsexperten mahnten ebenfalls zur Ruhe und vermuteten gar, dass die Befürchtungen über einen US-Rückzug von der Nato-Ostflanke von russischer Propaganda verstärkt würden.
Doch auch in anderen ostmitteleuropäischen Ländern sorgten die Pressemeldungen für Diskussionen. In Litauen ist man schon länger besorgt, die USA könnten ihre Militärpräsenz beenden. Nach der Berichterstattung von NBC News betonten sowohl das rumänische als auch das litauische Verteidigungsministerium, es lägen keinerlei Informationen über Pläne für einen Rückzug von US-Truppen in den jeweiligen Ländern vor.
Trotz aller Beschwichtigung durch ostmitteleuropäische Regierungsvertreter:innen und Militärexpert:innen wird aus deren Aussagen deutlich, dass sie ihre Verteidigungsstrategie unabhängig von den Vereinigten Staaten weiterentwickeln. So räumte die litauische Verteidigungsministerin Dovilė Šakalienė auch ein, dass die US-Präsenz in Europa in Zukunft wohl »reevaluiert« werden würde. Ihr Landsmann Andrius Kubilius, EU-Kommissar für Verteidigung und Raumfahrt, betonte in einem Interview mit der polnischen Zeitung Rzeczpospolita, dass die USA in Zukunft ihren Fokus auf den Asien-Pazifik-Raum verschieben würden und die EU sich dementsprechend auf eine »neue Aufgabenverteilung« vorbereiten müsse.
Nato-Gipfel in Den Haag für Juni geplant
US-Verteidigungsminister Pete Hegseth hatte dies bei seinem Besuch in Warschau am 14. Februar selbst unmissverständlich klargemacht, indem er sagte, Europa müsse sich darauf vorbereiten, dass die Präsenz des US-Militärs nicht ewig andauern werde.
Entscheidend für die Zukunft der militärischen Zusammenarbeit zwischen den USA und ihren europäischen Verbündeten wird wohl der Nato-Gipfel in Den Haag sein, der für Juni diesen Jahres geplant ist. Aber auch die Präsidentschaftswahlen in Polen und Rumänien, deren erste Runde jeweils im Mai ansteht, werden hierbei eine Rolle spielen.
In beiden Ländern setzen sich die Kandidaten der nationalkonservativen bis rechtsextremen Parteien für eine enge Kooperation mit der Regierung Trump ein, während ihre liberalen Gegenkandidaten für die Stärkung der Europäischen Union eintreten. Diese wiederum hat den Plan »Rearm Europe« in dem im März präsentierten Weißbuch zur europäischen Verteidigung vorgelegt. Er sieht unter anderem vor, dass die EU Kapital aufnimmt und als Darlehen an Mitgliedsländer weitergibt, damit diese ihre Armeen modernisieren, oder Verteidigungsausgaben von den Haushaltsrestriktionen bei der Verschuldung zu befreien. Insgesamt ist für derlei Maßnahmen eine Finanzvolumen von 800 Milliarden Euro geplant. Ob die Mitgliedsstaaten davon Gebrauch machen, liegt jedoch in deren Ermessen.