17.04.2025
Im Synthesizer-Museum in Berlin kann man die Instrumente selbst spielen

Paradies für Nerds

Im temporär eingerichteten Synthesizer-Museum in Berlin kann man die Instrumente nicht nur besichtigen, man kann auch selbst auf den guten Stücken spielen. Ein Besuch.

Zuerst ist nur ein einzelner, stehender Ton zu hören. Sobald eine Steckverbindung das Signal von einer bestimmten Buchse zu einer anderen leitet, wird aus dem Ton ein gleichmäßiger Puls. Noch eine Steckverbindung kommt zum Einsatz und aus dem gleichmäßigen Rhythmus wird ein unregelmäßiges Klackern und Puckern. Ein bisschen Hall dazu, schon klingt der elektronische Schluckauf wie ein außerirdisches Morsesignal.

Das Instrument, das diese Klänge hervorbringt, stammt nicht aus dem All, sondern aus Kalifornien. Es ist ein Buchla Music Easel, benannt nach seinem legendären Erfinder Don Buchla, der es Anfang der siebziger Jahre auf den Markt brachte. Ein Exemplar des Synthesizers, der in einen handlichen Koffer (40 mal 57 mal 17 Zentimeter) passt, ist im temporären Synthesizer-Museum Berlin zu sehen, zu hören und auszuprobieren.

Einer Studie zufolge war der einprogrammierte Klang »E Piano 1« des DX7 im Jahr 1986 in 40 Prozent der Singles zu hören, die es auf den ersten Platz der US-amerikanischen Billboard-Charts schafften. Prince, Madonna, Michael Jackson, Whitney Houston, A-ha, George Michael, Stevie Wonder, Depeche Mode – sie und viele andere benutzten den DX7.

Wer das seit einigen Wochen geöffnete und nur bis zum Ende des Jahres bestehende Museum am Kottbusser Tor betritt, steht sofort mittendrin in der Musik- und Instrumentengeschichte: Der erste Raum ist Synthesizern der achtziger und neunziger Jahre gewidmet, und so wird man am Eingang gleich von einem Korg Polysix begrüßt. In den Achtzigern spielten beispielsweise Tears for Fears ein solches Gerät.

Es kam 1981 auf den Markt und kündete von einer neuen Ära: Waren die meisten elek­tronischen Instrumente in den Siebzigern für Leute mit Durchschnittsverdienst noch unerschwinglich gewesen, erlaubten technische Neuerungen ab den Achtzigern eine günstigere Herstellung in erheblich größerer Stückzahl. Der Korg Polysix kostete damals nur einen Monatslohn, nicht mehr wie manche Vorgänger so viel wie ein Neuwagen.

Die Achtziger, das Jahrzehnt des Synthpop

Dass die Achtziger ein Jahrzehnt des Synthpop waren, lag also auch an erschwinglich gewordenem Gerät. Ein weiteres Zeugnis dieser Entwicklung ist im Synthesizer-Museum schräg gegenüber vom Korg Polysix zu finden: Dort steht ein Yamaha DX7 aus dem Jahr 1983, der erste preiswerte digitale Synthesizer für die Massen.

Einer Studie von Megan Lavengood zufolge, einer Professorin für Musiktheorie an der George Mason University in Virginia, war der einprogrammierte Klang »E Piano 1« des DX7 im Jahr 1986 in 40 Prozent der Singles zu hören, die es auf den ersten Platz der US-amerikanischen Billboard-Charts schafften. Prince, Madonna, Michael Jackson, Whitney Houston, A-ha, George Michael, Stevie Wonder, Depeche Mode – sie und viele andere benutzten den DX7, sein Klang beeinflusste den Sound der Zeit wie kein anderer.

Auch Exoten gibt es im Raum der Achtziger und Neunziger zu entdecken: etwa einen Vermona-Synthesizer, hergestellt Anfang der Achtziger in der DDR. Die Firma Vermona produziert auch heutzutage noch im sächsischen Erlbach Synthesizer. Einige Meter weiter steht ein Formanta Polivoks. Dieser Typ wurde von 1982 bis 1990 in der Sowjetunion hergestellt. Dem Exemplar im Synthesizer-Museum sieht man sein Alter an, es lässt sich aber problemlos spielen – nur die kyrillische Beschriftung erschwert das Verständnis der Funktionen der Knöpfe und Schalter etwas.

Zurück in die Siebziger

Im nächsten Raum, dessen großes Panoramafenster einen schönen Blick über den »Kotti« erlaubt, geht es zurück in die Siebziger und damit auch zu seltenen Geräten: Ein Roland System 700 zieht den Blick auf sich, ein modularer Synthesizer, so groß wie eine Schrankwand. Als modular wird er bezeichnet, weil er aus einzelnen Bausteinen zur Klangerzeugung und -formung, also aus Oszillatoren, Filtern, Hüllkurven, LFOs, Rauschgeneratoren, Effekteinheiten, Mixern und Verstärkern besteht, die mit Kabeln beliebig verbunden werden können. Das erlaubt eine Vielzahl an Kombinations- und Klangmöglichkeiten.

Hergestellt wurde dieses System der japanischen Firma Roland von 1976 bis 1982. Damals kostete es etwa 40 000 D-Mark. Wer heutzutage ein gebrauchtes Modell ergattern will, braucht neben Glück vor allem Geld: Bei Verkäufen werden schon mal 100.000 US-Dollar gefordert.

Auch ein seltener und mittlerweile für Gebrauchtpreise ab 40.000 Euro zu findender Yamaha CS-80, dessen Klang vor allem aus dem Soundtrack des Komponisten Vangelis zum Film »Blade Runner« von 1982 bekannt ist, steht in diesem Raum. Gleich daneben befindet sich ein Sequential Prophet-5, ein Modell, das neben Musikern wie Kraftwerk und Phil Collins auch der Regisseur John Carpenter gern verwendete, um seinen Horrorfilmen die gewünschte Atmosphäre zu verleihen.

Fast alle der 50 ausgestellten Synthesizer können ausprobiert werden

Gegenüber gibt es zu sehen, was die Firma des berühmten Synthesizer-Erfinders Bob Moog in den Siebzigern produzierte: ein Minimoog und ein Poly­moog. In einem Schaukasten befindet sich ein EMS Synthi AKS, ein handlicher, in ein Köfferchen passender Synthesizer, der auf dem Gebrauchtmarkt kaum unter 20.000 Euro zu haben ist.

In einem kleinen Raum nebenan stehen weitere Synthesizer der Siebziger wie der Buchla Music Easel, der ARP 2.600 und der Roland System 100. Doch es geht nicht nur antiquarisch zu im Synthesizer-Museum: In einem weiteren Raum, in dem es auch Getränke und Literatur gibt, kann man sich anhören, wie heutige Modelle von Korg und Haken Audio klingen.

Das Museum ist also in jedem Fall ein Paradies für Nerds. Wer nachts nicht von Oszillatoren, Filtern und Hüllkurven träumt, erhält dennoch einen aufschlussreichen Überblick über Instrumente, die das Musizieren grundlegend verändert haben. Denn nicht nur hängt an den Wänden gut aufbereitetes Informationsmaterial. Fast alle der 50 ausgestellten Synthesizer, die aus der Sammlung des Musikproduzenten, Filmkomponisten und Museumsgründers Michael Soltau stammen, sind an Lautsprecher angeschlossen und können ausprobiert werden.

Wer sich zusätzlich zur Eintrittskarte einen USB-Stick kauft, kann das, was aus den Instrumenten kommt, aufnehmen und als Datei nach Hause mitnehmen. Nicht zuletzt gibt es noch kompetentes Personal, das die Funktionsweise der Geräte erklärt und auf Bitten hin sogar Synthesizer vorführt, die nicht zum Ausprobieren für das Publikum vorgesehen sind, wie etwa den Yamaha CS-80.

Klaviatur, Knöpfe und Regler

Dass all die alten Instrumente auch in Zeiten, in denen die große Mehrheit der Menschen in Form ihres Smartphones einen digitalen Synthesizer in der Hosentasche herumträgt, eine Faszination ausüben, zeigt sich am regen Besuch. Manch eine oder einer kann sich hier den Traum erfüllen, einmal einen Synthesizer zu spielen, der nur einige Jahre lang in kleiner Stückzahl produziert wurde und heutzutage ein seltenes Sammlerstück ist.

Zwar gibt es mittlerweile Software-Emulationen, die das Klangverhalten von Klassikern wie dem Minimoog, dem Roland System 100 und anderen digital nachbilden. Aber eine Klaviatur, Knöpfe und Regler zu betätigen, bietet eben ein unmittelbares Spielgefühl, anders als am Computer mit der Maus irgendwelche Parameter einzustellen.

Der Synthesizer-Erfinder Don Buchla entwickelte seine Instrumente, die Musikerinnen und Musikern großen Raum für Experimente und intuitives Spiel erlauben, in den Sechzigern in der kalifornischen Stadt Berkeley, deren Universität zu einem wichtigen Ort der Studentenrevolte wurde.

Zudem haftet den frühen Synthesizern ein altes Versprechen an, nämlich neue musikalische Möglichkeiten und Freiheiten zu eröffnen. Manchmal ging das Streben, mit Hilfe der elektronischen Instrumente musikalische Zwänge zu überwinden, mit Hoffnungen einher, auch gesellschaftliche Zwänge hinter sich zu lassen. Der Synthesizer-Erfinder Don Buchla etwa entwickelte seine Instrumente, die Musikerinnen und Musikern großen Raum für Experimente und intuitives Spiel erlauben, in den Sechzigern in der kalifornischen Stadt Berkeley, deren Universität zu einem wichtigen Ort der Studentenrevolte wurde.

Buchla arbeitete mit dem Avantgarde-Komponisten Morton Subotnick zusammen und war mit dem Schriftsteller Ken Kesey (»Einer flog übers Kuckucksnest«) befreundet. Dieser protestierte mit der Künstlergruppe Merry Pranksters gegen die herrschenden Zustände, forderte eine gesellschaftliche Befreiung – und nahm mit seinem Kreis sehr gern LSD ein, häufig untermalt von den Klängen eines Buchla-Synthesizers.

Die große musikalische Befreiung blieb dann jedoch ebenso aus wie die gesellschaftliche. Und so spielen solche alten elektronischen Instrumente auch heutzutage noch das Lied einer Zukunft, die sich nie eingestellt hat. Im Synthesizer-Museum Berlin kann man sich davon überzeugen, dass sie dabei immer noch ganz bezaubernd klingen.

Synthesizer Museum Berlin, Skalitzer Str. 135a, 10999 Berlin, täglich außer dienstags von 10 bis 18 Uhr, Eintritt zwölf Euro, www.synthesizermuseum.info