17.04.2025
Warum Spaltungen nichts Schlimmes sind

Linke Schunkelstimmung

Podkowik Propaganda. Ein Plädoyer für die Spaltung.

Als Antideutsche in der Linken noch eine gewisse Relevanz hatten und alles auf den Kopf stellten (oder auf die Füße), wurden sie oft als Spalter bezeichnet. Dies geschah wohlgemerkt in diffamierender Absicht – ganz so, als wäre Spalten etwas Schlechtes. Die linken Bewegungsheinis geiferten, denn sie waren des Antisemitismus überführt worden und sahen ihre wohlig warme Gemeinschaft bedroht. Widersprüche durften nicht sein.

Bis heute besagt eine allgemein beliebte Floskel, dass Linke sich mit ihren ständigen Streitereien handlungsunfähig machen würden. Man solle all die kleinkarierten Differenzen doch endlich ad acta legen und gemeinsam an einem Strang ziehen. Gegen rechts oder so.

Eine aufdringliche Sehnsucht nach Harmonie macht sich breit. Nörgler nerven.

Heidi Reichinnek, Fraktionsvorsitzende der Linkspartei im Bundestag, würde gerne »mit Islamisten reden«, wie es in einem von ihr geschriebenen Artikel von 2016 heißt, und einige meiner besten Freunde haben ihre Partei unironisch gewählt. »Lass uns schauen, was uns verbindet / Und nicht nur, was uns trennt«, heißt es in der neuen Single der von mir geschätzten Feine Sahne Fischfilet. Eine aufdringliche Sehnsucht nach Harmonie macht sich breit. Nörgler nerven.

In Wirklichkeit aber ist die Gemeinschaft das Grauen, weil sie Differenzen erstickt und Anpassung erzwingt. Man sollte sich ständig abspalten. 2003 zum Beispiel spaltete ich mich mit ein paar Dutzend Gleichgesinnten von der konformistischen HipHop-Szene ab.

Wir nannten uns, tja, HipHop-Partisan. Als sich 2005 herausstellte, dass wir doch nicht gleichgesinnt waren, spaltete ich mich wiederum mit ein paar Leuten von HipHop-Partisan ab.

Als Klavierspieler oder als Kolumnist – Hauptsache abspalten!

Diesmal nannten wir uns Anti Alles Aktion. War natürlich wieder nix, die nächste Spaltung folgte 2009 – so entstand wenigstens die Antilopen Gang. Diese hält nun schon ziemlich lange durch, unerträglich lange sogar, doch wir neigen nicht zu Bierseligkeit und sind selten einer Meinung. Ein Antilopen-Grundsatzprogramm gab es nie. Irgendeiner von uns hat immer das Bedürfnis, sich abzuspalten, etwa als Klavierspieler oder als Kolumnist. Und die Zeitung, in der diese Kolumne erscheint, ist ja auch ein Spaltprodukt. Also: Lass uns schauen, was uns trennt!

Kolumnenlogo mit Wutemoji

Podkowik Propaganda – die Kolumne von Kolja Podkowik