24.04.2025
In Israel wurden Vertraute des Ministerpräsidenten wegen Korruptionsverdacht festgenommen

Die nächste politische Affäre

In Israel wird darüber diskutiert, ob enge Berater von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu von Katar bezahlt wurden, um dessen Interessen im Land zu fördern. Das Emirat gilt als Unterstützer der Hamas.

Im August 2023 kaufte der Staatsfonds Katars, die Qatar Investment Authority, das Park Lane Hotel in New York City für 623 Millionen US-Dollar von einem Immobilienmakler. Sein Name: Steve Witkoff, seit Donald Trumps neuerlichem Amtsantritt als US-Präsident Sondergesandter der Vereinigten Staaten. Kürzlich lobte Witkoff die Rolle Katars in den Verhandlungen um die Freilassung der israelischen Geiseln und die Beendigung des Kriegs im Gaza-Streifen mit den Worten: »Sie sind gute, anständige Leute«, und weiter: »Sie sind eine kleine Nation und sie wünschen sich, als Friedensstifter anerkannt zu werden.«

Mit nur rund 300.000 Staats­bür­ger:in­nen und 2,3 Millionen Gastar­beiter:in­nen errang der winzige, aber an Öl und Gas reiche Golfstaat spätestens mit der Fußballweltmeisterschaft von 2022 internationales Ansehen. Seit Generationen wird das Emirat von der Familie al-Thani autoritär regiert, die Staatsreligion ist der Islam und die Hauptquelle der Gesetzgebung ist die Sharia.

Die Regierung propagiert den streng fundamentalistischen Wahhabismus, sie fördert die Muslimbruderschaft, die Mutterorganisation der Hamas, sie stützt den Islamismus und den Jihad und sie kooperiert mit dem Mullah-­Regime im Iran. Dennoch sehen die USA und die EU Katar als Verbündeten und Vermittler, was den außenpolitischen Einfluss des Emirats stärkt. Doch auch die Fehleinschätzung Katars durch die israelischen Regierungen der vergangenen zwei Jahrzehnte erweist sich als verhängnisvoll.

Netanyahu macht für »Katargate« nicht seine Regierung, sondern eine nicht gewählte »linke« Bürokratie verantwortlich, die einen »deep state« ausgebildet habe.

Ministerpräsident Benjamin Netan­yahu betrachtet Katar nicht als feindlichen Staat, obwohl dessen Verteidigungsminister Saoud bin Abd al-Rahman al-Thani unmissverständlich tweetete: »Wir sind alle Hamas.« Seit 2008 verständigten sich die israelischen Regierungen mit den al-Thanis, die Hamas finanziell zu unterstützen oder mit ihr zu verhandeln. Diese Kooperation mit Katar kann als ein wesentlicher Grund der israelischen Unaufmerksamkeit für die wachsende Bedrohung durch die Hamas aus dem Gaza-Streifen vor dem 7. Oktober betrachtet werden. Unter Zustimmung der israelischen Regierung sandte Katar jährlich viele Millionen US-Dollar in den Gaza-Streifen. Damit konnte die Hamas die Regierungsgeschäfte und ihre Aufrüstung finanzieren.

Nun beschäftigt die »Katargate« genannte Affäre die israelische Öffentlichkeit. Richter Menachem Mizrahi beschuldigt Jonatan Urich und Eli Feldstein, zwei Berater Netanyahus, Gelder von den al-Thanis erhalten zu haben. Dafür sollen sie prokatarische Nachrichten an Reporter weitergegeben haben mit dem Ziel, das Image Katars in der Öffentlichkeit zu verbessern und seine Rolle in den Verhandlungen zwischen Israel und der Hamas zu stärken.

Der israelischen Polizei zufolge habe Urich solche Nachrichten als Informationen hochrangiger Beamter aus dem Büro des Ministerpräsidenten verschleiert. Während der Fußball-WM in Katar waren Urich und Yisrael Einhorn, ein weiterer Berater Netanyahus, Berichten zufolge an einer Kampagne zur Verbesserung des Images von Katar in der israelischen Öffentlichkeit beteiligt.

Keine öffentliche Kritik an Katar

Dagegen arbeitete das israelische Außenministerium kurz nach dem 7. Oktober einen Plan aus, öffentliche Kritik an Katar zu üben. Der Leiter des Mossad, David Barnea, habe das jedoch mit der Begründung unterbunden, Israel brauche die Vermittlung Katars bei der Freilassung der Geiseln. Der Plan des Außenministeriums sah vor, die Regierung der al-Thanis in Pressemitteilungen, in sozialen Medien und bei diplomatischen Kontakten als Sponsor des Terrors zu porträtieren. Erst kürzlich entlarvte das israelische Militär Reporter al-Jazeeras als Mitglieder der Hamas.

In den Verhandlungen über die Freilassung der Geiseln drang Israel seit dem 7. Oktober nicht auf eine Vermittlung durch Ägypten, sondern erlaubte Katar, diese zu übernehmen. Die meisten Gesprächen fanden seither in der katarischen Hauptstadt Doha statt. Netanyahu macht für »Katargate« nicht seine Regierung, sondern eine nicht gewählte »linke« Bürokratie verantwortlich, die einen deep state ausgebildet habe.

Mizrahi sagte, Feldstein habe auch negative Berichte über Ägypten verbreitet, um dessen Rolle in den Verhandlungen zu schwächen. Die Beziehungen zwischen Ägypten und Israel haben sich im Laufe des Kriegs deutlich verschlechtert. Seit dem Militärputsch gegen die Muslimbruderschaft im Juli 2013, die ein Jahr zuvor bei der ersten und bislang einzigen freien Präsidentschaftswahl in Ägypten an die Macht gelangt war, kontrolliert die Regierung von Präsident Abd al-Fattah al-Sisi die Südgrenze des Gaza-Streifens, sieht die Hamas als Bedrohung und kooperiert mit der israelischen Regierung in militärischen und geheimdienstlichen Fragen. Dennoch unterhält sie auch Kontakte zur Hamas und organisiert seit Jahren inoffizielle Gespräche zwischen Israel und der Terrorgruppe.

Netanyahus Helfer von Katar beeinflusst

Seit die Hamas 2007 die Herrschaft im Gaza-Streifen übernommen hat, können deren Mitglieder, die dort ein- oder ausreisen wollen, dies nur mit ­Genehmigung der ägyptischen Regierung tun. Derzeit hat diese ein starkes Interesse an einem schnellen Ende des Kriegs, da der ihrer stark angeschlagenen Wirtschaft schadet. Darüber hinaus lassen die Berichte des katarischen Senders al-Jazeera über angebliche israelische Gräueltaten die Kritik am Friedensvertrag mit Israel in der ägyptischen Öffentlichkeit von Tag zu Tag wachsen.

Der Polizei und dem Inlandsgeheimdienst Shin Bet zufolge seien Netanyahus Helfer von Katar beeinflusst worden, aber nicht der Ministerpräsident selbst. Netanyahu hat dennoch versucht, den Shin-Bet-Direktor Ronen Bar zu entlassen, den er mit dem angeblichen deep state in Verbindung bringt und der eine Untersuchung der Affäre angeordnet hatte.

Auch die Zurückhaltung der deutschen Regierung bei der Unterstützung Israels im Gaza-Krieg könnte spezielle Gründe haben. Gaslieferungen aus Katar sollen einen Teil der entfallenen Importe aus Russland ersetzen. Am größten deutschen Automobilkonzern VW hält Katar 10,4 Prozent der Aktien und beim Energiekonzern RWE ist die Qatar Holding mit neun Prozent größter Einzelaktionär. An der Deutschen Bank halten die Paramount Services und die Supreme Universal Holdings Anteile. Hinter beiden Investmentgesellschaften stehen die al-Thanis, die 2014 bei der Deutschen Bank eingestiegen sind und ihre Anteile seitdem über die beiden Unternehmen aufstockten.