Flucht ins Allgemeine
Eingerissene »Brandmauern« und ein Maß politischer Regression, das mittlerweile selbst von der bürgerlichen Mitte und ihren Demokratiebewegten als Faschismus bezeichnet wird – da scheint die Rede von Populismus denkbar unzeitgemäß geworden zu sein. Ein knappes Jahrzehnt lang hatte der Begriff die Gegenwartsbeschreibung und Analyse des sogenannten Rechtsrucks in liberalen Gesellschaften dominiert, sollte den Aufstieg von Donald Trump, AfD und Co. mit ihren Desinformationen, Verschwörungsmythen und ihrem kulturellem Backlash fassen.
Aber erklären, warum die Agitation gegen »die da oben« eine solche Massenwirkung entfaltete – also zur Aufklärung des Phänomens beitragen – konnte der Begriff Populismus kaum. Es gehörte vielmehr zum Selbstverständnis der Populismusforschung, dass der Begriff allzu schwammig und ungenau sei. »Das Wort mag allgegenwärtig sein«, resümierte daher der französische Historiker Pierre Rosanvallon in seinem Buch »Das Jahrhundert des Populismus«, »die Theorie des Phänomens hingegen findet sich nirgendwo.«
Möller teilt die Unzufriedenheit mit dem Stand der Populismusforschung, und so solle »hier nochmals eine Gesellschaftsanalyse gewagt werden, die aufs Ganze geht«.
Vielleicht ist also genau dieser Aspekt am Populismus interessant: Warum ist es so schwer, die politische Regression theoretisch zu durchdringen? Die Populismusanalysen lieferten immer umfangreichere und differenziertere Beschreibungen ihres Gegenstands, darüber kamen sie aber kaum hinaus. In der Theorielosigkeit glichen sie letztlich den populistischen Radikalinskis und konformistischen Rebellen: Sie lieferten im Grunde eine Apotheose des Bestehenden.
Um den Zusammenhang zwischen der Populismusdiagnose und ihrem Gegenstand aufzuklären, bräuchte es eine Gesellschaftstheorie des Populismus – diese will der Politologe Kolja Möller in seinem Buch »Volk und Elite« nun vorgelegt haben.
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