08.05.2025
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk versucht, rechtem Publikum nach dem Mund zu reden

Neues Programm für die Ära Merz

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist ein Erbe der westlichen Besatzungsmächte. Inzwischen versucht er immer öfter, der Entwicklung der gesellschaftlichen Grundstimmung nach rechts zu willfahren.

Die Vorstellung, dass neuartige Medien den politischen Fortschritt befördern, erweist sich am Internet nicht zum ersten Mal als Illusion. Schon im 20. Jahrhundert waren Radio und Film sehr schnell zu Instrumenten faschistischer Agitation geworden.

Nach dem Sieg im Zweiten Weltkrieg fassten die Westalliierten Pläne, die Massenmedien zum Werkzeug der demokratischen re-education der Deutschen zu machen. Zu Pionieren wurden die Briten, die einen Nordwestdeutschen Rundfunk nach dem Vorbild ihrer BBC aufbauten. Um einer direkten staatlichen Kontrolle wie in der Spätphase der Weimarer Republik und im Nationalsozialismus vorzubeugen, wurde 1948 mit der Übergabe der von den Westalliierten geschaffenen regionalen Rundfunkanstalten an die frisch gegründete Bundesrepublik eine selbständige Anstalt des öffentlichen Rechts eingerichtet. Nicht die Regierung, sondern pluralistisch besetzte Räte sollten die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten kontrollieren. Für die Finanzierung sorgt eine Rundfunkabgabe – das Geld kommt also nicht direkt aus dem Staatshaushalt.

Eine umfangreiche Studie im Auftrag der Mercator-Stiftung ermittelte im vergangenen Jahr, dass im öffentlich-rechtlichen Rundfunk »liberal-progressive die konservativen Perspektiven« überwögen.

Von Anfang an missfiel es deutschen Politikern, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk (ÖRR) der direkten Kontrolle der Regierung entzogen blieb. 1959 unternahm Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) den Versuch, ein eigenes »Deutschland-Fernsehen« des Bundes einzurichten. Das Bundesverfassungsgericht unterband das Vor­haben, indem es die Rundfunkkompetenz im Inland allein den Bundesländern zusprach.

Von völliger Staatsferne konnte allerdings nie die Rede sein. In den Rundfunkräten ist der »Anteil der staatlichen und staatsnahen Mitglieder« zwar auf ein Drittel beschränkt, doch sind sie gut zur Hälfte mit Mitgliedern politischer Parteien besetzt, ermittelte kürzlich eine Studie im Auftrag der gewerkschaftsnahen Otto-Brenner-Stiftung.

Rechte Agitation gegen den vermeintlichen »Staatsfunk«

Der antikommunistische Konsens eröffnete auch Alt-Nazis wieder Karrierewege – wie etwa dem Waffen-SS-Veteranen und späteren Mitgründer der rechtsextremen Partei »Die Republikaner«, Franz Schönhuber, der ab 1975 stellvertretender Chefredakteur beim Fernsehsender des Bayerischen Rundfunks war.
Nicht nur wegen solcher Fälle wird der öffentlich-rechtliche Rundfunk immer wieder von links kritisiert. Der Publizist Berthold Seliger beispielsweise forderte in seinem Buch »I Have a Stream« die »Abschaffung des gebührenfinanzierten Staatsfernsehens«. Er argumentiert, der öffentlich-rechtliche Rundfunk habe im Kampf mit den Privatmedien um die Quote seinen kulturellen und journalistischen Auftrag schon längst verraten. Fragwürdig scheinen auch reibungslose Karrieresprünge in den Staatsdienst wie bei Steffen Seibert, der 2010 vom »Heute-Journal« im ZDF auf den Posten des Sprechers der Bundesregierung wechselte.

Linke Kritik sieht sich seit einiger Zeit damit konfrontiert, dass die rechte Agitation gegen den vermeintlichen »Staatsfunk« immer lauter wird. Schon auf den Dresdner Pegida-Demonstrationen ab 2014 waren neben der Rede von »Lügenpresse« auch Losungen wie »GEZ abschaffen!« verbreitet. Das Bundestagswahlprogramm der AfD 2025 warf dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk »Meinungsmache bis hin zur Manipulation« vor und fordert, ihn in seiner bisherigen Form abzuschaffen.

Den Ruf nach Budgetkürzung hört man auch aus Reihen von CDU und CSU im Namen der »Beitragsstabilität«. Große Zeitungsverlage wiederum stören sich an der öffentlich-rechtlichen Konkurrenz. Der »milliardenschwere ÖRR-Tanker« nehme »ökonomisch den privaten Medien in Deutschland die Luft zum Atmen«, klagte kürzlich der inzwischen zum Herausgeber aufgestiegene damalige Welt-Chefredakteur Ulf Poschardt. Die Sender hätten sich außerdem längst zu »Akteuren politisch-moralischer Bekehrungsarbeit und Moralfürsorge« entwickelt.

»Meine Oma ist ’ne alte Umweltsau«

Eine umfangreiche Studie im Auftrag der Stiftung Mercator ermittelte im vergangenen Jahr, dass im öffentlich-rechtlichen Rundfunk »liberal-progressive die konservativen Perspektiven« überwögen. Dezidiert linke und rechte Positionen würden eher negativ dargestellt. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk bevorzuge also allenfalls die Parteien der »Mitte« – doch schon dies stört offenbar viele Rechte und Rechtsextreme. Wenn sie nach »Neutralität« rufen, meinen sie tatsächlich: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss klar nach rechts rücken.

Einiges spricht dafür, dass diese Forderungen bei Intendanten und Programmverantwortlichen der Sender längst auf Gehör stoßen. Im Rückblick war es ein fatales Signal, als Tom Buhrow, der damalige Intendant des einst als »Rotfunk« bekannten WDR, sich 2019 nach einem rechten Shitstorm für das vom WDR-Kinderchor gesungene alberne Lied »Meine Oma ist ’ne alte Umweltsau« entschuldigte. Die Einlage hatte Empörung vor allem von konservativer Seite und wochenlange Mediendebatten ausgelöst.

Das im April gestartete neue, von der Jungjournalistin Julia Ruhs moderierte ARD-Magazin »Klar« treibt die Rechtsverschiebung aktiv voran. In der ersten Folge wurde »Migration« haarsträubend einseitig und emotional manipulativ mit Gewaltkriminalität, islamistischem Terror und »Sozialmissbrauch« identifiziert.

Seit Günther Jauch 2015 in seiner Sendung den Faschisten Björn Höcke deutschlandweit bekannt machte, sind AfD-Politiker zu Stammgästen in den Talkshows der Öffentlich-Rechtlichen geworden. Der Kabarettist Dieter Nuhr gibt regelmäßig zur besten Sendezeit in der ARD den erzürnten Spießbürger.

Die Verantwortlichen der Sender behaupten gern, sie würden lediglich die gesellschaftliche Entwicklung in ihrem Programm widerspiegeln. Doch das im April gestartete neue, von der Jungjournalistin Julia Ruhs moderierte ARD-Magazin »Klar« treibt die Rechtsverschiebung aktiv voran. In der ersten Folge wurde »Migration« haarsträubend einseitig und emotional manipulativ mit Gewaltkriminalität, islamistischem Terror und »Sozialmissbrauch« identifiziert.

Nicht nur wegen des Aufstiegs der extremen Rechten ist das Internet inzwischen ein unerschöpflicher Quell von Hetze, Propaganda und zweifelhaftem Informationsmüll geworden. Schon allein das spricht dafür, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk als ein Refugium der Restvernunft nicht abzuschreiben. Man kann ihn auch als gesellschaftliches Eigentum verstehen, das gegen kommerzielle Interessen verteidigt werden muss. Jagt er jedoch aus Existenzangst einer Minderheit von nach rechts abrutschenden Zuschauern hinterher, vergrämt er seine letzten Unterstützer und arbeitet auf seine eigene Abschaffung hin.