08.05.2025
Vor der Siegesfeier am 9. Mai fürchtet die russische Regierung Anschläge und Drohnenangriffe

Siegesfeier mitten im Krieg

Die Feierlichkeiten zum Tag des Sieges am 9. Mai in Moskau finden unter hohen Sicherheitsvorkehrungen statt. Am 25. April wurde der russische Generalleutnant Jaroslaw Moskalik in Moskau durch eine Autobombe getötet.

Während Russlands Präsident Wladimir Putin und sein Führungspersonal mit nahezu allen zur Verfügung stehenden militärischen und ökonomischen Mitteln auf eine Niederlage der Ukraine hinarbeiten lassen, wird Putin am 9. Mai den 80. Jahrestag des sowjetischen Siegs über NS-Deutschland ohne die Staatsoberhäupter der damaligen Alliierten feiern. Feindlich gesinnten Staaten, also solchen, die der Ukraine im Kampf gegen Russlands Angriffskrieg beistehen, sprach der Kreml keine Einladung aus.

Auch Putins US-amerikanischer Amtskollege Donald Trump hatte zwar zuletzt Entgegenkommen bei zahlreichen russischen Forderungen gezeigt, der Militärparade auf dem Roten Platz bevorzugt er trotzdem fernzubleiben. Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas drohte ihrerseits mit Konsequenzen für EU-Mitglieds- und Kandidatenstaaten, falls deren Repräsentanten nach Moskau fahren sollten. Der serbische Präsident Aleksandar Vučić und der Ministerpräsident der Slowakei, Robert Fico, hatten zwar ihre Teilnahme an den Feierlichkeiten angekündigt, doch wurde über beide wenige Tage vor der geplanten Reise nach Moskau berichtet, sie hätten gesundheitliche Probleme; Vučić brach mit dieser Begründung bereits eine US-Reise vorzeitig ab.

»Ein Volltreffer ins Zentrum der Entscheidungsfindung«, kommentiert Michail Swintschuk, Autor des russischen Telegram-Propagandakanals Rybar, den Anschlag auf Generalleutnant Jaroslaw Moskalik.

In Moskau erwartet werden unter anderem der Präsident von Brasilien, Luiz Inácio Lula da Silva, der nach einem Militärputsch herrschende Präsident von Burkina Faso, Ibrahim Traoré, sowie – für Putin am wichtigsten – der chinesische Staatspräsident Xi Jinping, der gleich drei Tage in Russland verbringen wird.

Die russische Regierung hatte einen dreitägigen Waffenstillstand um den 9. Mai verkündet, was die Ukraine, die eine mindestens 30tägige Feuerpause fordert, jedoch ablehnte. In der Nacht auf Dienstag hatte ein ukrainischer Drohnenangriff dazu geführt, dass alle Flughäfen in der Region Moskau ihren Betrieb einstellen mussten. Die Bewohner von Moskau wurden per SMS informiert, dass es bis einschließlich zum 9.Mai zu Einschränkungen bei der mobilen Internetnutzung kommen werde.

Russland hat jedoch ein Problem mit der Sicherheit hochrangiger Militärs im eigenen Land. Erst Mitte Dezember waren Generalleutnant Igor Kirillow und dessen Referent bei einem Anschlag in Moskau ums Leben gekommen, der vermutlich auf das Konto ukrainischer Geheimdienste ging. Kurz vor den Feierlichkeiten am 9. Mai wurde dann ein weiterer hochrangiger Offizier getötet: Am 25. April gegen 10.40 Uhr explodierte im Moskauer Vorort Balaschicha ein geparktes Auto just in dem Moment, als Generalleutnant Jaroslaw Moskalik das Haus verließ.

Im Auftrag des ukrainischen Geheimdienstes

Der Wagen stand direkt neben dem Eingang des Wohnkomplexes. Soweit bekannt, soll er seit Ende Januar mehrmals den Besitzer gewechselt haben, bis ihn schließlich der in der ukrainischen Stadt Sumy geborene Ignat Kusin erworben hat. Bereits kurz nach dem Anschlag wurde er als dringend tatverdächtig festgenommen und sitzt seither in Untersuchungshaft.

Den Ermittlungsbehörden zufolge soll Kusin zwei Tage vor dem Anschlag einen Sprengsatz unter dem Wagen angebracht haben. Er verhalte sich kooperativ, so eine Vertreterin der Staatsanwaltschaft, und mache umfangreiche Aussagen. Demnach sei Kusin im September 2023 im Auftrag des ukrainischen Geheimdienstes SBU nach Russland gekommen, allerdings sei ihm erst im vergangenen November der Auftrag erteilt worden, Moskalik gegen ein Honorar von umgerechnet 18.000 US-Dollar zu beseitigen. Kusin habe sich daraufhin in dem Mehrfamilienhaus einquartiert, in dem Moskalik wohnte, und den Tagesablauf des hochrangigen Militärs beobachtet.

Moskalik zählt zu den Schlüsselfiguren der russischen Kriegsführung in der Ukraine. Seit Beginn der Vollinvasion hatte er im Generalstab die Kon­trolle und Koordination der Einsatzkräfte zu verantworten. Als stellvertretendem Generalstabsleiter fiel es in seinen Zuständigkeitsbereich, die Lageberichte für Putin zu erstellen. 2015 gehörte er dem Planungsstab des russischen Militäreinsatzes in Syrien an und war in den Folgejahren bis 2021 Mitglied der russischen Delegation der Arbeitsgruppe für Sicherheitsfragen der Minsker Kontaktgruppe, die über die Beilegung des Konflikts im Südosten der Ukraine verhandelte. »Ein Volltreffer ins Zentrum der Entscheidungsfindung«, kommentierte den Anschlag Michail Swintschuk, Autor des russischen Telegram-Propagandakanals Rybar.

Gezielte Tötungen in Russland logistisch nicht allzu schwer

Der Sekretär des Ausschusses für nationale Sicherheit im ukrainischen Parlament, Roman Kostenko, gab im Videointerview gegenüber der Zeitung Ukrajinska Prawda zu, dass die Tat auf das Konto der ukrainischen Sicherheitsbehörden gehe. Den Anschlag bezeichnete er als »gute Arbeit«, er schließt offenbar auch weitere Tötungsaktionen auf russischem Gebiet nicht aus. »Selbst wenn wir es schaffen, den Krieg bald zu beenden, hat die Arbeit der Geheimdienste gerade erst begonnen«, so Kostenko.

Wirklich erstaunlich ist eigentlich nur, dass das russische Militär es den ukrainischen Geheimdiensten derart leicht macht und ein Offizier vom Rang Moskaliks es bevorzugt, in seiner Wohnung zu leben und nicht auf abgesichertem Militärgelände. Dass gezielte Tötungen in Russland logistisch nicht allzu schwer zu bewerkstelligen sind, hatte bereits eine ganze Reihe vorangegangener Anschläge gezeigt.

Im August 2022 kam auf diese Weise die Tochter des neurechten Propagandisten für eine russische Vormachtstellung im sogenannten Eurasien, Aleksandr Dugin, Darja Dugina, ums Leben. Anzunehmen ist, dass ihr Vater das Ziel war. Die vermeintliche Täterin konnte ungehindert über die Grenze fliehen.