15.05.2025
Zurück in Hamburg, wo man herkommt – eine Stippvisite in die eigene Jugend

Der analoge Mann

Aus Kreuzberg und der Welt: Farblos in Hamburg

Besuch in meiner Heimatstadt Hamburg. Julia und ich kommen am Dammtor an und setzen uns erst mal vor den Bahnhof und zeichnen, während wir auf unsere Freundin Minou warten. Die Stadt begrüßt uns mit einem fast wolkenlosen, strahlend blauen Himmel. Nach zehn Minuten ist die Skizze fertig und ich suche in meiner Tasche nach meinen Aquarellkästen.

Finde sie nicht. Die ganze kleine Tasche, in der ich die Aquarellkästen, alle Pinsel und meine Druckbleistifte aufbewahre, ist weg. Ich vermute, der Beutel ist in der Bahn aus meiner Tasche gefallen.

Im Urlaub ist alles erlaubt

Jetzt kommt Minou. Wir begrüßen uns und gehen zurück in den Bahnhof. Auf dem Bahnsteig ist ein kleines Service-Büro, in dem ein freundlicher Mann meine Verlustmeldung aufnimmt.  Er telefoniert sogar dem Zug hinterher und fragt, ob mein Beutel gefunden wurde.

Leider ohne Erfolg. Später gebe ich noch eine digitale Verlustmeldung bei der Deutschen Bahn ab. Vielleicht habe ich ja Glück und meine Malutensilien finden sich wieder an.

Wir gehen zum »Block House« am Jungfernstieg. Julia und ich essen zu Hause nie Fleisch, im Urlaub ist allerdings alles erlaubt. Wir sitzen drinnen gemütlich mit einem Alster, als draußen eine Demonstration vorbei zieht. Die Transparente feiern den 80. Jahrestag des Sieges über Hitler-Deutschland.

Ah, unsere Burger kommen!

Vorneweg präsentiert eine Gruppe von orthodoxen Christen ein Jesus-Banner, dahinter läuft eine Reihe von weißhaarigen Männern mit DKP-Fahnen. Auch viele Schilder mit kyrillischer Schrift sind zu sehen. »Wir danken euch, ihr Sowjetsoldaten!«. »Frieden mit Russland«. Ah, unsere Burger kommen!

Nach dem Essen holen wir uns draußen einen Kaffee, spazieren durch Planten un Blomen, den großen Innenstadtpark, und setzen uns auf eine Bank am Wasser. Gegenüber ist das Café »Schöne Aussichten« zu sehen. In den frühen achtziger Jahren begegneten sich hier für kurze Zeit Popper und Punks. Nach Jahren verbringe ich mal wieder ein paar Stunden in Hamburg.

Nicht weit vom Dammtor, an der Rothenbaumchaussee, bin ich aufgewachsen. Am Turmweg, einer Seitenstraße der Rothenbaumchaussee, ging ich zur Grundschule. Jetzt, nach fast 30 Jahren in Berlin, ist mir die Stadt fremd. Aber seltsamerweise erfreue ich mich gerade daran.

So viele Bands habe ich in der Markthalle gesehen. 1984 zum Beispiel Einstürzende Neubauten, die die Rückwand mit einem Pressluftbohrer einrissen und die Bühne anzündeten.

Wir ziehen weiter und fahren mit dem Bus ein paar Stationen bis zum Hauptbahnhof. Rechts erkenne ich die Markthalle. Wie schön, dass es die noch gibt! So viele Bands habe ich dort gesehen. 1984 zum Beispiel Einstürzende Neubauten, die die Rückwand mit einem Pressluftbohrer einrissen und die Bühne anzündeten.

Bei einem Konzert von Man or Astro-man? lernte ich in der Markthalle Karsten kennen, mit dem ich wenig später selbst eine Band gründete. Ich hätte mal wieder Lust auf ein Konzert in der Markthalle. Stattdessen ziehe ich unseren Rollkoffer jetzt am frühen Abend über den Steindamm, eine Straße wie es sie in ganz Deutschland kein zweites Mal gibt. Eine Mischung aus Sonnenallee und Frankfurter Bahnhofsviertel. Offene Drogenszene, Prostituierte an jedem zweiten Hauseingang, dazwischen Gemüsehändler, Handyläden, Restaurants. Antisemitismus-Hotspot. Hier wurde nach dem 7. Oktober gefeiert.

Wir sind am »Centralkomitee«, dem ehemaligen »Polittbüro«, angekommen, dem kleinen Theater, in dem der Berliner Stand-up-Komiker Fil auftritt. Wir treffen noch mehr Freunde und Freundinnen. Auch Karsten und seine Freundin Corrie. Fils Show ist super. Zwei Stunden lachen wir. Die Hamburg-Visite hat sich jetzt schon gelohnt. Und wir haben ja noch drei Tage.