22.05.2025
Angestellte bei der Berliner Charité kämpfen darum, nach Tarif bezahlt zu werden

Mit Subunternehmen den Tarif unterlaufen

Seit Wochen streiken Hunderte Beschäftigte am landeseigenen Berliner Krankenhaus Charité. Sie fordern, nach Tarif bezahlt zu werden.

Ayada Sabah hat die Nase voll. Seit mehreren Wochen befindet sie sich mit etwa 700 weiteren Verdi-Mitgliedern an der Charité im Arbeitskampf. Die 40jährige arbeitet als Reinigungskraft an der landeseigenen Charité, dem größten Krankenhaus Berlins. Sie ist eine der über 3.000 Beschäftigten der Charité-Tochtergesellschaft Charité Facility Management GmbH (CFM), die für Serviceleistungen wie Reinigung, Transport und Verpflegung zuständig ist.

Sabah bedient eine schwere Aufsitzscheuersaugmaschine, mit der große Bodenflächen gereinigt werden. »Wie kann man Menschen, die hier seit 20 oder 30 Jahren arbeiten, so behandeln?« fragt sie im Gespräch mit der Jungle World mit Blick auf die CFM-Geschäftsführung.

Die Streikenden fordern, nach Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVöD) bezahlt zu werden. Dann würden sie bis zu 500 Euro mehr im Monat verdienen. Für die regulären Angestellten der Charité gilt der TVöD bereits, denn die Charité gehört zu 100 Prozent dem Land Berlin. Die 2006 gegründete Tochterfirma CFM mit 3.500 Angestellten erfüllt vor allem diesen Zweck: den Tarifvertrag zu umgehen.

Die Arbeitgeberseite tue alles, »um die Zweiklassengesellschaft an der Charité dauerhaft zu zementieren«, sagt die Verdi-Verhandlungsführerin Gisela Neunhöffer.

Die Verhandlungen laufen seit Februar. Seit dem 22. April befinden sich etwa 700 gewerkschaftlich organisierte CFM-Beschäftigte im per Urabstimmung beschlossenen unbefristeten Erzwingungsstreik. Das CFM-Management zeigte sich jedoch bis zuletzt unnachgiebig. Die für Ende vergangener Woche anberaumte Verhandlungsrunde sagte die Geschäftsführung kurzfristig ab.

Die Verdi-Verhandlungsführerin Gisela Neunhöffer gibt sich im Gespräch mit der Jungle World überzeugt, dass die CFM-Geschäftsführung versuche, »nach den zahlreichen po­sitiven Signalen von Seiten des Berliner Senats als Eigentümer der Charité konstruktive Verhandlungen zu verhindern«.

Sowohl der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) als auch die Staatssekretärin für Gesundheit und Pflege, Ellen Haußdörfer (SPD), hatten sich ­zuletzt zu einer Angleichung an den TVöD für die CFM-Beschäftigten bekannt. Wegner hatte vorgeschlagen, dies solle schrittweise geschehen. Verdi sei »zu den Einzelheiten und der Ausgestaltung dieses Stufenplans jederzeit verhandlungsbereit«, sagt Neunhöffer. Bereits zuvor hatte Verdi kritisiert, dass die CFM über zwei Wochen keinen Verhandlungstermin vereinbaren wollte und damit den Streik unnötig verlängert habe.

Versuch, die Belegschaft zu spalten

In einem Brief an die Beschäftigten zur Absage der Verhandlungen vergangene Woche argumentierte die CFM, Verdi habe auch für den Tag der Gespräche wieder gezielt Streikaktivitäten vor Ort organisiert, das ermögliche »keinen konstruktiven Gesprächsrahmen und lässt uns an der Ernsthaftigkeit des Dialogangebots zweifeln«.

Dann folgte ein Versuch, die Belegschaft zu spalten. Vor allem an die Beschäftigten gerichtet, die sich nicht am Streik beteiligen, heißt es in dem Brief weiter: »Wir sehen, mit welch großer Kraftanstrengung es für so viele von euch verbunden ist, trotz Streikmaßnahmen viele wichtige Leistungen weiterhin zu erbringen.« Weil die ­Verhandlungen nun länger dauerten als erhofft, »haben wir uns entschieden, den Beschäftigten mit der Maiabrechnung eine freiwillige Einmalzahlung in Höhe von 250 Euro brutto auszuzahlen«.

»Das ist genau mein Humor«, sagt Neunhöffer dazu sarkastisch. Für sie zeige dieser »hilflose Versuch« der Geschäftsführung auch, mit welch paternalistischem Gestus diese die größtenteils migrantischen Arbeiter:innen bei der CFM zu behandeln versucht. »Das ist so eine Gönnerattitüde von oben nach unten, statt sich endlich auf Augenhöhe auf die Beschäftigten zuzubewegen«, sagt die Verdi-Vertreterin. Die Arbeitgeberseite tue ihrer Meinung nach alles, »um die Zweiklassengesellschaft an der Charité dauerhaft zu zementieren«. Die Verhandlungsabsage vergangene Woche sei nicht nur ein Affront gegen die Beschäftigten, sondern stelle auch die Autorität des Regierenden Bürgermeisters in Frage, so Neunhöffer weiter.

Plötzlich taucht Linken-Chef Jan van Aken auf

Wie Ayada Sabah ist auch Iris Gerlicher zusammen mit Hunderten weiteren streikenden CFM-Beschäftigten zurzeit fast jeden zweiten Tag auf der Straße. Vergangene Woche, kurz bevor die Geschäftsführung die nächste ­Verhandlungsrunde absagte, zog eine Streikdemonstration lautstark unter anderem vor die Senatsverwaltung für Arbeit und Soziales in der Oranienstraße in Berlin-Kreuzberg.

»Wir hoffen, dass nun endlich ein vernünftiges Angebot in Richtung TVöD kommt, auf nichts anderes lassen wir uns ein«, sagte Gerlicher, die auch der Verdi-Tarifkommission angehört, dort der Jungle World. Im Hintergrund tauchte plötzlich der Co-Bundesvorsitzende der Linkspartei, Jan van Aken, auf, der aber offenbar nur zufällig mit dem Fahrrad vermutlich auf dem Weg zur Arbeit oder ­einem Termin an der Demonstration vorbeikam. Er schaute neugierig auf den lauten Tumult vor dem Senatsverwaltungsgebäude und radelte dann weiter.

»Bei uns organisieren sich engagierte Leute von jungen Erstsemestern über Langzeitstudenten bis zu noch älteren Leuten.« Kolja von der Initiative »Berlin steht zusammen«

Passend dazu sagt Kolja von der Initiative »Berlin steht zusammen«, die die Arbeitskämpfe bei der Charité und auch bei den Berliner Verkehrsbetrieben in diesem Jahr von Anfang an unterstützt hat: »Bei uns organisieren sich engagierte Leute von jungen Erstsemestern über Langzeitstudenten bis zu noch älteren Leuten.« Es sei gut, »dass da nicht immer gleich eine Parteifahne weht, hinter der man sich versammelt«.

An jenem Tag ließ sich niemand von der Senatsverwaltung bei den Streikenden blicken, um wie gefordert ein Gespräch mit ihnen zu führen. Schließlich rief Neunhöffer vom Lautsprecherwagen den Menschen zu: »Ihr habt durchgehalten und die Reihen geschlossen. Wir lassen uns nicht von Taschenspielertricks und Entmutigungsstrategien kleinkriegen.« Es gehe um mehr Geld, aber auch um Würde, Respekt und Gerechtigkeit.

Anfang dieser Woche nun kam zumindest wieder ein internes Gespräch zwischen Charité-, CFM- und Verdi-Vertreter:innen zustande, bei dem Neunhöffer zufolge hart darum gerungen wurde, wie man wieder zurück an den Verhandlungstisch kommen ­könne. Die Streikbereitschaft in der CFM-Belegschaft sei nach wie vor ­stabil. Dort wartet man nun erst mal ab, was die nächsten Tage bringen ­werden, und hält den Streik aufrecht.