22.05.2025
Im neuen Koalitionsvertrag wird von einer deutschen Mondmission phantasiert

Deutsche Ambitionen

Jens Spahn sagt, die neue Bundesregierung wolle den ersten deutschen Astronauten oder die erste deutsche Astronautin auf den Mond bringen. Viel Realitätsbezug hat diese Behauptung nicht.

Mit »Mehr Fortschritt wagen« war 2021 die Ampelkoalition angetreten, der schwarz-rote Koalitionsvertrag trägt nun den biederen Titel »Verantwortung für Deutschland«. Zu den vielen Klagen über die neue Bundesregierung gehört daher, sie lasse es an ehrgeizigen Zielen mangeln.

Das will Jens Spahn, der Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, nicht auf sich sitzen lassen. »Wir haben Ambitionen«, sagte er am Mittwoch vergangener Woche im Bundestag. »Wir wollen den ersten deutschen Astronauten oder die erste deutsche Astronautin auf den Mond bringen.«

Ähnlich steht es auch im Koalitionsvertrag. »Astronautische Weltraummissionen inspirieren die nächste Generation zu Höchstleistungen. Wir streben an, dass eine deutsche Astronautin oder ein deutscher Astronaut im Rahmen einer internationalen Mission zum Mond fliegt.«

Bemerkenswert ist, dass die neue Bundesregierung, von der man ja Ambitionen im Bereich der Sozial- oder Klimapolitik gar nicht erwartet hat, sich bei der Verbreitung von Technologie­optimismus recht wenig Mühe gibt, einen Realitätsbezug herzu­stellen.

Die Formulierung ist etwas vorsichtiger, »zum« ist etwas anderes als »auf den«. Die einzig realistische Chance wäre eine Teilhabe an den geplanten »Artemis«-Missionen der Nasa ge­wesen. Im Austausch für Lieferungen der European Space Agency hätten drei Europäer:innen mitfliegen dürfen, allerdings wohl nur bis zur geplanten Raumstation »Gateway« im Mondorbit. »Hätten«, denn im Budgetentwurf der neuen US-Regierung für die Nasa ist »Gateway« nicht mehr vorgesehen; auch in diesem Bereich hat Präsident Donald Trump die transatlantische Zusammenarbeit aufgekündigt.

Vermutlich glaubt Spahn zu Recht, wegen wichtigerer nicht erreichter Ziele werde die ausgebliebene Mondmission in Vergessenheit geraten. Bemerkenswert ist dennoch, dass die neue Bundesregierung, von der man ja Ambitionen im Bereich der Sozial- oder Klimapolitik gar nicht erwartet hat, sich bei der Verbreitung von Technologie­optimismus recht wenig Mühe gibt, einen Realitätsbezug herzu­stellen.

So heißt es im Koalitionsvertrag: »Unser Ziel ist: Der erste Fusionsreaktor der Welt soll in Deutschland stehen.« Deutschland ist an internationalen Programmen der Fusionsforschung beteiligt, die Ampelkoalition beschloss im vorigen Jahr zusätzliche nationale Fördermittel von etwa 200 Millionen Euro bis 2029 – um auch nur die Chance auf einen nationalen Vorsprung zu erlangen, wären Investitionen in zweistelliger Milliardenhöhe erforderlich.

Zukunftstechnologien nicht ernstgenommen

Die Fusionsenergie kann nur einen Beitrag zum Klimaschutz leisten, wenn sie weltweit verfügbar wird. Dass ein Satz wie »Wir setzen uns für eine Aufhebung des Patentrechts im Bereich der Fusionsenergie ein, um auch ärmeren Staaten deren Nutzung zu ermöglichen« nicht im Koalitionsvertrag steht, ist keine Überraschung.

Eher schon, dass die neue Bundesregierung tatsächliche oder vermeint­liche Zukunftstechnologien offenbar selbst nicht ernst nimmt – andernfalls hätte man den konkreten Möglichkeiten, stärkeren gemeinsamen Bemühungen im Rahmen der EU, etwas mehr Beachtung schenken müssen, statt zu versprechen, dass Deutsche ihre nationale Borniertheit bis zum Mond bringen werden.