29.05.2025
Gespräch mit Jennifer Anlauf von der Initiative Pride Soli Ride über CSD-Paraden in der ostdeutschen Provinz

»Die Bedrohung durch Neonazis ist Normalität«

Die Pride-Saison hat begonnen. In einigen ländlichen Orten in ­Ostdeutschland wird es erstmals eine CSD-Parade geben. Seit einem Jahr unterstützt die Initiative Pride Soli Rides kleinere Prides und ­organisiert Anreisen aus Berlin. Die Jungle World sprach mit Jennifer Anlauf* über die Beweggründe der Initiative.

Wie entstanden die Pride Soli Rides?

Nachdem 2020 im thüringischen Altenburg ein schwuler Mann von zwei Rechtsextremen ermordet worden war, fand dort im Jahr darauf der erste CSD statt. Damals waren organisierte Neonazis ­anwesend und bedrohten die Teilnehmenden. Wir waren als kleine Gruppe dort und wollten damit junge Queers in der Provinz schützen. In Anbetracht der Landtagswahlen in Brandenburg, Thüringen und Sachsen vergangenes Jahr haben wir dann mit Genoss:innen vor Ort gesprochen. Daraus entstand die Idee der organisierten Anreisen aus Berlin zu den CSDs im Osten.

Was ist also eure Motivation?

Es geht uns vor allem darum, queere Menschen in der ostdeutschen Provinz zu unterstützen. Das bedeutet, ihnen mit unseren Soli ­Rides zu zeigen, dass wir sie und ihren Mut sehen. Wir wollen dazu beitragen, dass sie sich auf ihrer Demonstration sicher fühlen können. Außerdem unterstützen wir die Organisator:innen dabei, rechte Akteure zu erkennen und sich ihnen entgegenzustellen, ­indem wir sie vor allem mit antifaschistischen Strukturen verbinden. Gleichzeitig lernen wir von den Erfolgen und der guten ­Praxis in den Regionen und nehmen das für andere mit.

Zu welchem Schluss kommt ihr mit Blick auf die vergangene Pride-Saison?

Wir haben nicht damit gerechnet, dass wir unseren Ansatz so schnell wieder anpassen müssen. Nachdem wir anfangs lediglich lockere gemeinsame Fahrten organisieren wollten, war schnell klar: Es braucht organisierte und geschützte Anreisen. Eigentlich brauchen alle CSDs mittlerweile eigene Schutzkonzepte. Die ­Bedrohung durch Neo­nazis ist im ostdeutschen Hinterland Normalität.

Was bedeutet das für das Jahr 2025? Organisiert ihr weiterhin die Pride Soli Rides?

Im Großen und Ganzen ja. Mittlerweile nehmen wir als Initiative eher eine Vermittlungsrolle ein. Wir überlegen mit Berliner Gruppen, wer die Anreise zu welchem CSD übernehmen kann. Darüber hinaus benötigen die CSDs aber auch andere Unterstützung. Zum Beispiel findet der CSD in Wittenberg zum ersten Mal statt und die Organisator:innen brauchen dafür finanzielle Unterstützung. Deshalb haben wir zum ersten Mal über eine Veranstaltung Spenden gesammelt. Genau dazu ist für die Strukturen vor Ort eine Ver­netzung untereinander und in die Großstädte unheimlich wichtig. Das gilt insbesondere in Zeiten, in denen demokratiestärkende Projekte und Strukturen von Kürzungen bedroht sind.

Womit rechnet ihr in der kommenden Saison?

Das ist natürlich schwer einzuschätzen. Aber wir stehen gerade erst mit den Zehenspitzen in der neuen Saison und innerhalb kürzester Zeit wurde der erste CSD in Schönebeck in Sachsen-Anhalt von den Behörden wegen angeblichen Nichteinhaltens der Auflagen abgebrochen, in Dessau kam es bei der Demonstration zu heftigen Beleidigungen und einem tätlichen Angriff und selbst im Westen, in Gelsenkirchen musste ein CSD wegen einer bisher nicht weiter benannten Gefahrenlage kurzfristig abgesagt werden. Auch gegen den CSD in Eberswalde nehmen wir bereits Mobilisierung in rechten Netzwerken wahr. Umso wichtiger ist es, die Leute an Ort und Stelle weiterhin zu unterstützen und zu überlegen, welche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden können.

* Pseudonym, Name der Redaktion bekannt