05.06.2025
Der Interimsregierung in ­Bangladesh läuft die Zeit für Reformen davon

Die Zeit für Reformen wird knapp

Die umfassende Reform des politischen Systems in Bangladesh kommt nur schleppend voran. Gleichzeitig steigt der Druck auf die Übergangsregierung, landesweite Wahlen abzuhalten.

Knapp zehn Monate ist es her, dass die sogenannte Volksrevolution in Bang­ladesh den Sturz der Regierung der Langzeitpremierministerin Sheikh Hasina Wajed ausgelöst hat und eine von Technokraten und zivilgesellschaftlichen Kräften getragene Über­gangs­regierung an ihre Stelle getreten ist. Doch nun wächst in Teilen der Bevölkerung und der Oppositionsparteien die Ungeduld mit der vom Pionier der Mikrokreditwirtschaft und Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus geführten Interimsregierung. War der Ton in der politischen Auseinandersetzung bisher größtenteils durch wohlwollendes Abwarten geprägt, ist er in jüngster Zeit spürbar rauer geworden.

Von immer mehr Seiten wird gefordert, unbedingt noch vor Jahresende Neuwahlen abzuhalten. Diese waren bisher ohne Nennung einer Frist in Aussicht gestellt worden. Sie sollten eine Übergangsphase abschließen, während der die Interimsregierung die staatlichen Strukturen umfangreich reformieren würde.

Zunächst hatte der Stabschef der Armee, Waker-Uz-Zaman, die Forderung nach baldigen Neuwahlen gestellt. Wie mehrere Medien Bangladeshs berichteten, hatte er am 21. Mai bei einer Veranstaltung mit hohen Offizieren in der Hauptstadt Dhaka die Abhaltung von Wahlen im Dezember 2025 an­gemahnt. Waker kam im vorigen Jahr eine Schlüsselrolle beim Sturz Hasinas zu, weil er die Armee auf dem Höhepunkt der Proteste zurückhielt und den Schießbefehl verweigerte.

Muhammad Yunus, Chef der Übergangsregierung, hat nun erstmals den Zeitrahmen für Wahlen zwischen Dezember 2025 und Juni 2026 angegeben.

Nur allzu bereitwillig schloss sich die Spitze der zu Hasinas Zeiten größten Oppositionspartei Wakers Forderung an. Ende Mai bekräftigte Begum Khaleda Zia, die Vorsitzende der rechtskonservativen Bangladesh Nationalist Party (BNP) und über Jahrzehnte zen­trale Gegenspielerin der mittlerweile im indischen Exil ausharrenden Hasina, bei einer Parteiveranstaltung die Notwendigkeit baldiger Wahlen. Ihr Sohn, derkommissarische BNP-Vorsitzende Tarique Rahman, sprach sich ebenfalls für deren Abhaltung im Dezember aus. Zudem gingen Mittwoch vergangener Woche Zehntausende Unterstützer der BNP in Dhaka auf die Straße und forderten Wahlen.

Regierungschef Yunus hat nun erstmals den Zeitrahmen für Wahlen zwischen Dezember 2025 und Juni 2026 angegeben.

Die Konservativen haben ein großes Interesse daran, denn sie hoffen durch eine Verkürzung der Amtszeit der Interimsregierung einige der Vorhaben, die sich in den vorwiegend progressiven und auf mehr Machtaufteilung zielenden Reformplänen finden, verhindern zu können. Zudem ist die BNP derzeit neben der früheren Regierungspartei Awami League (AL) – noch – die am besten organisierte politische Kraft. Je mehr Zeit verstreicht, desto bessere Chancen haben neue Parteien, sich mit ihren Inhalten und ihrem Personal in Szene zu setzen und eigene Strukturen bis in die Provinz aufzubauen. Gerade die Ende Februar gegründete National Citizen Party (NCP), geleitet von einigen bekannten Vertretern jener studentischen Bewegung, die den Protest angeführt hat, der zum Sturz von Hasina beitrug, gewinnt stetig an Zulauf und gilt manchen schon als Favoritin bei den kommenden Wahlen.

Rückschlag bei Reformvorhaben

Begrüßt haben sowohl BNP als auch NCP die Mitte Mai getroffene Entscheidung der Interimsregierung, auf Basis des Antiterrorgesetzes ein vorübergehendes Betätigungsverbot gegen die AL auszusprechen. Dieses soll so lange in Kraft bleiben, wie die Gerichtsverhandlungen gegen hochrangige Vertreter der entmachteten Partei andauern. Über ein endgültiges Verbot soll erst danach entschieden werden. Dass die Partei bei möglichen Neuwahlen innerhalb des nächsten Jahres antreten kann, scheint vor diesem Hintergrund unwahrscheinlich.

Derweil musste die Interimsregierung einen Rückschlag bei ihrem Reformvorhaben hinnehmen. Der Vizevorsitzende Ali Riaz von der obersten Reformkommission räumte bei einer Pressekonferenz Anfang vergangener Woche ein, dass die Vertreter der insgesamt etwa 20 an den Diskussionen beteiligten Parteien in zentralen Fragen des Reformvorhabens keine Einigung erzielen konnten. Zu den strittigen Fragen gehörte unter anderem, ob ein Ministerpräsident mehr als zwei Amtsperioden absolvieren darf, wie das Verfahren zur Wahl des Präsidenten zu gestalten sei oder ob der Begriff des »Säkularismus« in der Verfassung durch »Pluralismus« ersetzt werden soll. Eine zweite Diskussionsphase soll diese Woche beginnen.

Temporäre Stabilisierung der Staatsfinanzen

Erfolgreich waren dagegen die Verhandlungen der Interimsregierung mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) über Wechselkursreformen. Dieser hatte auf mehr Flexibilität beim Wechselkurs, insbesondere auf die Einführung eines Crawling-Peg-Mechanismus gedrängt, der eine allmäh­liche Anpassung der Landeswährung im Laufe der Zeit ermöglichen soll. Die bisher zurückgehaltene vierte Tranche von 1,3 Milliarden Dollar des IWF-Gesamtkredits in Höhe von 4,7 Milliarden erhält Bangladesh nun im Juni. Das stabilisiert temporär zwar die Staatsfinanzen, mindert aber kaum die enormen ökonomischen Probleme im Land.

Auch außenpolitisch bleibt die Lage angespannt. Vor allem das Verhältnis zum großen Nachbarn Indien, unter Hasina der wichtigste Verbündete, verschlechtert sich zusehends. Beide ­Länder haben wechselseitig Importbeschränkungen verhängt. Dafür wirbt Bangladesh mit Nachdruck um Investoren und Handelspartner aus Pakistan – dem Land, dem es bis zum opferreichen ­Unabhängigkeitskrieg 1971 angehörte.