05.06.2025
Eine Zugfahrt von Berlin nach Hamburg

Der analoge Mann

Aus Kreuzberg und der Welt: Im Zug

Schon wieder mit der Bahn auf dem Weg nach Hamburg, diesmal, um meinen Bruder zu besuchen. Ich bin etwas zu früh auf dem Bahnhof und kaufe mir noch ein Sandwich und Wasser. Kurz bevor der Zug einfahren soll, kommt die Durchsage, dass er eine halbe Stunde Verspätung hat. Kein Problem, ich habe es am Freitagvormittag nicht eilig, checke in Ruhe meine Wagen- und Sitzplatznummer und suche dazu die Position auf dem Gleis, in Abschnitt D, wo der Zug vermutlich halten wird. Dann zeichne ich ein bisschen.

Plötzlich sehe ich, dass die Wartenden in der Nähe der Rolltreppe in Bewegung kommen. Neugierig gucke ich auf die Anzeigentafel. Kleingedruckt steht da jetzt, dass der Zug statt auf Gleis 8 auf Gleis 6 einfährt – in zwei Minuten!

Plötzlich sehe ich, dass die Wartenden in der Nähe der Rolltreppe in Bewegung kommen. Neugierig gucke ich auf die Anzeigentafel. Kleingedruckt steht da jetzt, dass der Zug statt auf Gleis 8 auf Gleis 6 einfährt – in zwei Minuten! Ein älteres dänisches Pärchen steht verwirrt vor der Tafel und versucht den Sachverhalt zu verstehen. »The train is now on platform six«, rufe ich ihnen zu und husche schon mit den anderen Reisenden auf die Rolltreppe.

Im Laufschritt rennen wir zur nächsten Rolltreppe wieder runter auf Gleis 6, wo auch schon der Zug steht. Wo ist Abteil 47? Der Bahnsteig ist voller Leute, also laufe ich auf der anderen Seite entlang. Mist, ich bin zu weit gelaufen, der Zug besteht aus zwei Teilen! Jetzt bloß nicht in den falschen Teil einsteigen, sonst ist mein Sitzplatz futsch. Ich laufe zurück und steige ein.

Der Zug fährt ab. Ich finde meinen Platz. Jetzt sehe ich, dass der Zug doch ganz schön voll ist. Gut, dass ich reserviert habe. »Gut, dass wir noch reserviert haben«, sagen auch zwei junge Frauen, die sich kurz darauf neben mich setzen. In den folgenden zwei Stunden pfeifen sie sich einen Piccolo nach dem anderen rein.

Jan Müller von Tocotronic war auch im Zug

Auch eine Gruppe fränkischer Touristen mittleren Alters packt ihre Biere aus. Einer von ihnen spricht besonders laut. Typisch für diese Art Mann: Alles, was er erzählt, ist sehr langweilig. Ich versuche, ein paar Sätze seines Gelabers festzuhalten, und döse vor mich hin.

Beim Aussteigen auf dem Hamburger Hauptbahnhof sehe ich, dass auch Jan Müller von Tocotronic im Zug war. Wir kennen uns, aber ich spreche ihn nicht an. Der Bahnsteig ist voller Menschen und Jan ist mit einem Klapprad beschäftigt. Ich gehe zur S-Bahn.

Ein halbe Stunde später verletzt eine Frau mit einen Messer auf demselben Gleis 15 Menschen.