12.06.2025
Ein Schlägertyp im wohlhabenden Berliner Bezirk Grunewald

Der analoge Mann

Aus Kreuzberg und der Welt: Grunewald

Samstagmittag. Julia und ich sind auf dem Weg in den reichen, bürgerlichen Berliner Ortsteil Grunewald, um unsere Freundin Anja zu besuchen und gemeinsam zu zeichnen. Direkt gegenüber vom S-Bahnhof sitzt sie auf einer Bank und hat auch schon eine Skizze angefertigt. Wir begrüßen sie und setzen uns zu ihr. Bald sind wir in unsere Zeichnungen versunken. Statt des 1879 erbauten Bahnhofeingangs nehmen wir uns den daneben gelegenen Biergarten »Floh« vor. Nach vielleicht 30 Minuten parkt ein schwarzer SUV direkt vor unserer Bank. Der Wagen ist sehr schlecht geparkt, eigentlich direkt an der Kreuzung des beschaulichen Bahnhofsvorplatzes. So, als wolle er nur kurz stehen bleiben.

»Ach nö«, sagt Julia, »dann können wir ja einpacken.« Schon fragt Anja den Fahrer des Wagens, der gerade aussteigt: »Entschuldigen Sie, wie lange wollen Sie hier parken?« – »Warum wollen Sie das wissen?« fragt er zurück. Mit sanfter Stimme antwortet Anja: »Wir zeichnen den Biergarten und Ihr Auto versperrt uns den Blick.« Der Mann rollt mit den Augen und fragt: »Wie lange wollen Sie denn hier noch sitzen? Sie stören meinen Blick genauso«, sagt er schroff.

»Willst du ’n paar in die Fresse haben?« brüllt er. »Ich rufe jetzt die Polizei!« sagt Anja und fotografiert den Mann.

»Das ist aber jetzt sehr doof, wie Sie reagieren«, sagt Anja. »Ja, vollkommen unangemessen«, pflichte ich ihr bei. »Was hast du gesagt?« regt sich der Mann jetzt auf. »Sie hätten genauso sagen können, wie lange Sie hier parken wollen, anstatt so garstig zu antworten«, füge ich hinzu. »Mann, halt die Klappe, du Idiot«, sagt der Mann und kommt ein paar Schritte näher. »Gehen Sie doch einfach weiter«, sagt Anja.

Der Mann provoziert mich. Wie kann man nur so dumm und gemein sein, drei friedlich auf der Bank zeichnende Leute zu bedrohen? Jetzt will ich ihn auch provozieren. Ohne hochzugucken, hebe ich die Hand und mache mit der Rückseite der Hand ein paar gar nicht friedliche, wegwischende Bewegungen in seine Richtung. Plötzlich steht er direkt mit dem Gesicht vor mir. »Willst du ’n paar in die Fresse haben?« brüllt er. »Ich rufe jetzt die Polizei!« sagt Anja und fotografiert den Mann. »Haben Sie mich gerade fotografiert?« brüllt der jetzt Anja an. »Ich rufe jetzt die Polizei«, wiederholt Anja. »Machen Sie doch«, antwortet der Mann schon etwas leiser.

Ich sage lieber nichts. Ich habe mehrere Fehler gemacht. Auch im Reiche-Leute-Bezirk Grunewald gibt es gewaltbereite Männer. Diesen habe ich provoziert und noch dazu viel zu nah rankommen lassen. »Halt lieber deine Schnauze, du Arschloch«, sagt er, während er sich langsam entfernt. Auf Polizei hat er wohl keinen Bock. Wir packen zusammen und gehen. Auf dem Weg zu Anja fährt er in seinem schwarzen SUV an uns vorbei. Mit Sonnenbrille, obwohl die Sonne gar nicht scheint.