19.06.2025
Streiks und Aufruhr in Panama

Mulino facht Proteste an

Seit Ende April gibt es in Panama soziale Proteste gegen eine neoliberale Rentenreform, die Wiedereröffnung einer Mine und Pläne zur Wiedereröffnung von US-Militärbasen. Präsident José Raúl Mulino versucht, sie zu ersticken.

Francisco Smith ist erleichtert. Nach 45 Tagen hat der Generalsekretär der Gewerkschaft der Plantagenarbeiter:in­nen, Sitraibana, den Streik abgeblasen. In Bocas del Toro, ganz im Norden Panamas an der Grenze zu Costa Rica, wurden am Donnerstag voriger Woche die ersten Straßensperren abgebaut.

Voraussetzung dafür war eine Verhandlungslösung zwischen Smith, seinem Team und einer Kommission von Parlamentsabgeordneten. Es ging darum, die negativen Folgen des neuen Rentengesetzes mit der Nummer 462 zu korrigieren, so Smith. »Die im März vom Parlament verabschiedete Rentenreform untergräbt die Rechte der Bananenarbeiter:innen, die im Gesetz 45 fixiert sind – genau dagegen haben wir uns gewehrt«, sagt Smith.

Er hatte den Rückhalt der Kolleg:innen in diesem Konflikt, hatte mehrfach Verhandlungen angeboten und die politisch Verantwortlichen zur Besonnenheit gemahnt. Bis zum 10. Juni ohne Erfolg, dann reiste er nach Panama-Stadt zu den Verhandlungen, die nun einen heftigen Arbeitskonflikt beigelegt haben.

Präsident Mulino hat bereits im Wahlkampf angekündigt, »Panama aus dem Würgegriff der Gewerkschaften« zu befreien.

Am 28. April waren rund 7.000 Arbeit­er:innen von Chiquita Panamá in den Ausstand getreten. Nachdem erst das Arbeitsministerium, am 23. Mai dann auch ein Gericht den Streik als illegal eingestuft hatte, wurden 4.900 Arbeiterinnen von dem Unternehmen entlassen. Wenig später stellte Chiquita Panamá alle Tätigkeiten in der Bananenprovinz Bocas del Toro ein, wo immerhin 17 Prozent der Exporte Panamas generiert werden. Ganz bewusst, so Francisco Smith, der vermutet, dass Chiquita mit der Regierung in Panama-Stadt an einem Strang zog, um die Sitraibana zu schwächen.

Auch Maribel Gordón, eine linke Ökonomin und Dozentin der Universidad de Panamá, hält das für wahrscheinlich, denn das Arbeitsministerium habe nicht die Befugnis, einen Streik als legal oder illegal einzustufen. »Das können nur die Gerichte, es deutet vieles darauf hin, dass die Politik die Justiz kontrolliert und nicht umgekehrt«, kritisiert die 63jährige. Sie gehörte zu den unabhängigen Kandidat:innen für die Präsidentschaft bei den jüngsten Wahlen im Mai 2024, gewann aber kaum mehr als ein Prozent der Stimmen. Sieger wurde José Raúl Mulino, der nun seit rund elf Monaten amtiert. Der konservative und wirtschaftspolitisch neoliberale 65jährige sei nicht nur dabei, das Land immer weiter zu polarisieren, sondern auch, es in beispiellose soziale Konflikte zu führen, kritisiert Gordón. »Wir erleben die gravierendsten sozialen Proteste seit 30 Jahren, und es ist der Präsident, der Öl ins Feuer kippt und heftig gegen Gewerkschaften und soziale Organisationen vorgeht«, so Gordón.

Das kritisiert auch die Internationale Arbeitsorganisation (ILO), die Panama dieses Jahr auf die Liste der 24 Staaten gesetzt hat, die stark gewerkschaftsfeindlich vorgehen. Dazu gibt es eine Vorgeschichte: Zum einen ist Mulino eng vernetzt mit dem ehemaligen Präsidenten Ricardo Martinelli (2009–2014), der wegen Korruption von der Präsidentschaftswahl 2024 ausgeschlossen wurde und seit Mai 2025 Asyl in Kolumbien genießt. Zum anderen hat er bereits im Wahlkampf angekündigt, »Panama aus dem Würgegriff der Gewerkschaften« zu befreien.

Repressiv gegen die Gewerkschaften

Entsprechend rigide und repressiv geht Mulino seit Monaten gegen die Gewerkschaften vor – insbesondere gegen die Bauarbeitergewerkschaft Suntracs. Sie ist die mit 40.000 Mitgliedern größte Gewerkschaft des Landes, ihr Generalsekretär Saúl Méndez erhält seit dem 21.Mai Schutz in der bolivianischen Botschaft. Ihm drohe genauso wie zwei Kollegen aus der Suntracs-Führung Haft, gegen sechs weitere werde ermittelt, so William Hughes, Wirtschaftswissenschaftler an der öffentlichen Universidad de Panamá. Das ist kein Einzelfall, denn auch gegen gewerkschaftlich organisierte Lehrer, Universitätsdozenten oder eben Plantagen­arbeiter:in­nen wird juristisch vorgegangen.

Gegen Francisco Smith läuft ein Ermittlungsverfahren wegen »zivilen Ungehorsams« – trotz der erfolgreichen Verhandlungen in Panama-Stadt, die Mittwochnacht voriger Woche zum Durchbruch führten. »Es ist das Parlament, welches verhandelte. Die Regierung hat bisher keinerlei Einlenken si­gnalisiert«, kritisieren Analysten wie Hughes, die vor weiteren Eskalationen warnen.

Die sind wahrscheinlich, denn, so meint Hughes, die Regierung Mulino scheine nicht nur die Gewerkschaften in die Knie zwingen zu wollen, sondern lege sich auch mit Umwelt-, Student:in­nen- und indigenen Organisationen an.

»Wir haben es in Panama nicht mit einem Konflikt zu tun, sondern mit mindestens vier: Neben dem Konflikt mit Sitraibana und Suntracs kritisiert die Zivilgesellschaft das Memorandum mit den USA, das US-Militärpräsenz am Panama-Kanal ermöglicht, die geplante Wiedereröffnung einer gigantischen Kupfermine sowie den Bau eines Staubeckens. Das soll den Panama-Kanal mit zusätzlichem Wasser versorgen, und dafür sind Enteignungen vorgesehen«, zählt Hughes auf. Betroffen davon sind vor allem indigene Gemeinden, die seit nunmehr drei, vier Wochen protestieren, weswegen die betreffende Provinz Darién, ganz im Süden an der Grenze zu Kolumbien, alles andere als unter Kontrolle ist. Gerüchte zufolge könnten Aufstandsbekämpfungseinheiten mit kleinen Flugzeugen in die Region transportiert werden.

Vorstufe zur Einrichtung von US-Militärstützpunkten

Das könnte zum Einsatz von Schusswaffen führen, warnt Hughes, der der Regierung vorwirft, selbstherrlich aufzutreten und Gesetze zu verletzen. Es sei mit den Gesetzen nicht vereinbar, die vom kanadischen Unternehmen First Quantum verwaltete Cobre Panamá, die größte Kupfermine Mittelamerikas, wiederzueröffnen. »Im Oktober 2023 hat das Oberste Gericht den offenen Tagebau mit Verweis auf die Gesundheitsrisiken geschlossen. Die geplante Wiedereröffnung wäre ein heftiger Verstoß gegen die Justiz«, warnt Hughes.

Ähnlich liegt der Fall bei einer am 11. April unterzeichneten Absichtserklärung mit den USA: Da erlaubte die Regierung Mulino der US-Armee, im Umfeld des Kanals Schulungen und auch Übungen abzuhalten und Ausrüstung zu lagern. »Das ist für viele Einwohn­er:in­nen des Landes die Vorstufe zur Einrichtung von Militärstützpunkten, und deshalb laufen die Proteste gegen eine arrogante und präpotente Regierung«, meint Hughes. Eigenmächtig, ohne Rücksprache mit der politischen Opposition oder zivilgesellschaftlichen Organisationen sei die Regierung Mulino vorgegangen, das zeuge eingedenk der US-Invasion vom 20. Dezember 1989 von wenig Fingerspitzengefühl.

Die Bananenproduktion in der Region Bocas del Toro ist komplett zum Erliegen gekommen. 

Ähnlich sieht das auch Maribel Gordón. Sie hofft auf eine Vermittlung durch die Kirchen, die sich bereits mehrfach mit Vertretern der Regierung Mulino getroffen haben und einen Dialog mit der Zivilgesellschaft anmahnen. Doch der kommt bisher kaum voran. Der Kompromiss mit der Sitraibana war ein Durchbruch, aber trotz etlicher Appelle ist die Regierung mit dem Präsidenten an der Spitze noch nicht tätig geworden, um die Krise beizulegen.

Derweil beginnen in Bocas del Toro die Aufräumarbeiten: Die Bananenproduktion in der Region ist komplett zum Erliegen gekommen. Chiquita Panamá hat alle Tätigkeiten bis auf weiteres ausgesetzt, und ob der Fruchtkonzern schnell zurückkehren wird, sei unklar, meinten Branchenexperten noch vor wenigen Tagen. Doch das sei nicht sonderlich plausibel, waren doch Chiquita-Verantwortliche bei den Verhandlungen zugegen, so Silvestre Díaz, ein in Gewerkschaftskreisen gut vernetzter Politiker der linken Partei Frente Am­plio por la Democracia (FAD). Der Rückzug sei für Chiquita zu kostspielig.

Allerdings fragt er sich, wie es weitergehen wird, denn die Situation in Panama sei verfahren, die Gerichte hielten der Regierung den Rücken frei, Übergriffe habe es gegeben und die Glaubwürdigkeit der Justiz sei beschädigt. Diese Einschätzung teilt auch William Hughes.