Presse unter Beschuss
Nach Angaben der Datenbank U.S. Press Freedom Tracker, die von der Freedom of the Press Foundation betrieben wird, und der Journalistenvereinigung Los Angeles Press Club wurden in der vergangenen Woche zwischen 30 und 50 Medienschaffende während der Proteste gegen die Razzien gegen Papierlose, also nichtregistrierte Einwanderer, Opfer von Polizeigewalt. Berichte sprachen davon, dass Reporter:innen und Fotograf:innen mit Tränengas besprüht, mit Gummigeschossen beschossen und in einigen Fällen sogar festgenommen wurden, obwohl sie eindeutig als Pressevertreter erkennbar waren.
So wurde die australische Journalistin Lauren Tomasi vor laufender Kamera von einem Gummigeschoss am Bein getroffen, während sie mit einem Mikrophon in der Hand von den Protesten in der Innenstadt von Los Angeles berichtete. Auf dem Video ist zu sehen, wie sie vor Schmerzen schreit und ihren Unterschenkel umklammert, während sie und ihr Kameramann sich so schnell wie möglich von einer Polizeikette entfernen.
Andere Medienschaffende berichten von Platzverweisen, kurzfristigen Festnahmen und physischen Angriffen durch Polizeibeamte. Die Attackierten sagen aus, während der Vorfälle Presseausweise oder Pressehelme sichtbar getragen zu haben.
Eine Reihe von Berichten deuteten darauf hin, dass Bundesbeamte wahllos Gewalt angewendet sowie Kampfmittel eingesetzt und Journalist:innen erheblichen Verletzungen zugefügt hätten.
Livia Albeck-Ripka, Reporterin der New York Times erzählt in einem Video, das auf der Website der Tageszeitung veröffentlicht wurde, dass am 8. Juni gegen Mitternacht eine Reihe von Beamten begann, Gummigeschosse in ihre Richtung zu feuern. »Ich wurde unter dem Rippenbogen getroffen. Es war ein ziemlich intensiver, sofortiger Schmerz. Mir blieb die Luft weg«, sagte sie. »Doch ich hatte Glück, denn ich wurde nicht ernsthaft verletzt. Ich habe nur einen Bluterguss.« In dem Moment, in dem die Munition auf sie und ihre Kollegen abgefeuert wurde, seien sehr wenige Leute auf der Straße gewesen. »Es war spät in der Nacht, und wir standen in einiger Entfernung von den Beamten.«
Nichtregierungsorganisationen wie Reporter ohne Grenzen, das Committee to Protect Journalists und die Freedom of the Press Foundation fordern in einem gemeinsamen Brief an die Ministerin für Innere Sicherheit, Kristi Noem, eine sofortige Untersuchung der Vorfälle und ein Ende der Einschüchterung der Presse. Eine Reihe von Berichten deuteten darauf hin, dass Bundesbeamte wahllos Gewalt angewendet sowie Kampfmittel wie Tränengas oder Pfefferkugeln eingesetzt und Journalist:innen erhebliche Verletzungen zugefügt hätten, heißt es in dem Schreiben. In einigen Fällen schien es sogar, als hätten Bundesbeamte absichtlich Journalist:innen angegriffen. Der Los Angeles Press Club dokumentiert indes auch weiterhin, wie Polizisten, Beamte der Einwanderungsbehörde und Nationalgardisten gegen Medienschaffende vorgehen.
Kein Quellenschutz mehr bei Whistleblowern
Um die Pressefreiheit scheint es in den USA derzeit nicht gut bestellt. Die Regierung unter Präsident Donald Trump gibt sich seit Monaten offen pressefeindlich und geht systematisch gegen kritische Berichterstattung und unliebsame Medien vor. Der Associated Press wurde der Zugang zum Weißen Haus verweigert, weil sie sich nicht nach der Wortwahl der Regierung richten will, die den Golf von Mexiko gerne als Golf von Amerika bezeichnet sehen möchte. Die zwischen Regierung und Gerichten umstrittene Einstellung der staatlichen Finanzierung für US-Auslandssender wie Voice of America und Radio Free Europe / Radio Liberty (RFE/RL) könnte weltweit über 400 Millionen Menschen vom Zugang zu verlässlichen Informationen abschneiden.
Trump hatte bereits nach seiner Wahl angekündigt, Journalisten zu verhaften, gegen Nachrichtenagenturen zu »ermitteln« und einzelnen Sendern die Lizenzen zu entziehen. Auch medizinische Fachjournale, die die Politik der Regierung Trump kritisieren, sollen Fördermittel verlieren. Justizministerin Pam Bondi hob am 25. April die von der Regierung Joe Bidens erlassene Regelung zum journalistischen Quellenschutz im Fall von Whistleblowern auf. Journalist:innen können in solchen Fällen nun wieder vorgeladen, ihre Telefondaten beschlagnahmt, ihre Notizen eingesehen werden.
»Schädliche Veröffentlichungen«
Die neue Regelung ist bewusst vage formuliert: Solche Maßnahmen würden nicht nur ergriffen, wenn es um die nationale Sicherheit gehe, sondern um alle »schädlichen Veröffentlichungen« nachzuverfolgen, die »Regierungsinteressen unterminieren«.
Anfang Mai ordnete Trump per Dekret an, die staatlichen Zuschüsse für die nichtkommerziellen Sender National Public Radio (NPR) und Public Broadcasting Service (PBS) zu streichen. Trump wirft den Sendern vor, parteiisch und voreingenommen zu sein. Ebenfalls im Mai richtete die US-Regierung eine Website ein, auf der sie positive Meldungen über den Präsidenten teilt. Eine Liste mit Schlagzeilen verlinkt auf Veröffentlichungen rechter, Trump-naher Medien, die die Regierung loben.