Jungle+ Artikel 19.06.2025
Die neue Generation islamistischer Influencer

Wer braucht schon Hadithen, Bruder!

Die islamistische Szene wird immer jünger und extremer, sie braucht dabei weder Moscheen noch Koranlektüre – so könnte man die Ergebnisse des gerade erschienenen Verfassungsschutzberichts zusammenfassen. Experten bestätigen: Bei den islamistischen Influencern hat ein Generationswechsel stattgefunden.

»Lies!« war gestern. Unter diesem Slogan verteilten Salafisten ab 2011 in deutschen Fußgängerzonen Exemplare des Koran. Das passte zum salafistischen Religionsverständnis, das auf wortwörtlicher Auslegung des Koran und der überlieferten Prophetenerzählungen, der Hadithen, basiert. Der gewaltbereite Islamismus, der eine islamische Ordnung anstrebt – der Jihadismus –, rekrutierte seine Anhänger damals vor allem unter Salafisten. Wer zum »Islamischen Staat« (IS) oder al-Qaida ging, musste der strengen salafistischen Lebensweise folgen. Doch das hat sich laut Verfassungsschutz geändert.

Nicht nur viele islamistische Influencer, sogar die Propaganda des »Islamischen Staats« im Internet komme inzwischen weitestgehend ohne theologische Inhalte und komplexe Ideologie aus, heißt es im Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2024, der vergangene Woche erschien. Der IS gebe seinen Anhängern »die Möglichkeit, mit einem Minimum an Ideologie ein Maximum an Gewalt zu phantasieren und auch auszuleben«, schreiben die Verfassungsschützer. »Er ist damit vor allem auch für Personen attraktiv, die weder die Motivation haben, noch mitunter über die intellektuellen Fähigkeiten verfügen, sich mit den ideologischen Traktaten von al-Qaida oder den theologischen Disputen von Salafisten zu beschäftigen.« Der Bericht schließt daraus: »Man muss kein Salafist mehr werden, um Jihadist zu sein.«

Die neuen islamistischen Influencer treten im Hoodie auf, zeigen auch mal ihre teuren Autos, manche tragen nicht einmal einen Bart. Sie sind cool und reden wie HipHopper.

Die zweite damit einhergehende Entwicklung sei die starke Verjüngung der Szene. Mehrfach unterbanden die Behörden im Jahr 2024 Anschlagspläne von Minderjährigen, einige der Jugendlichen waren noch nicht einmal strafmündig. Sie hatten sich auf der Social-Media-Plattform Tiktok radikalisiert, häufig in kürzester Zeit.

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