26.06.2025
Der militärische Schlagabtausch zwischen dem Iran, Israel und den USA

Bunker brechen

Israel und die USA haben das iranische Atomprogramm mit ihren Militärschlägen vielleicht um viele Jahre zurückgeworfen. Nach wechselseitigem Beschuss haben Israel und der Iran am Dienstag einen Waffenstillstand zugestimmt, jedoch kam es im Laufe des Dienstag weiterhin zu Angriffen von beiden Seiten. Trotz israelischer Luftangriffe auf Repressionsorgane des iranischen Regimes und seiner Schwächung deutet sich die von vielen im Iran gewünschte Revolution im Augenblick nicht an.

Am frühen Morgen des vorvergangenen Freitags, am 13. Juni, trat Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu vor die Kamera und stellte die militärische Operation »Rising Lion« (in etwa: sich erhebender Löwe, eine Anspielung auf 4. Mose 23,24) gegen die Islamische Republik Iran vor. Ziel der Operation sei es, das Urananreicherungsprogramm der Islamischen Republik aufzuhalten oder zurückzuwerfen, da das Regime kurz vor der Fertigstellung einer Atombombe gestanden habe. Das Programm beschrieb er als Bedrohung für das Überleben Israels.

Zu diesem Zweck sollten Atomanlagen im Land zerstört und hochrangige Nuklearwissenschaftler getötet werden. Außerdem wolle man das ballistische Raketenprogramm des Iran zerstören und zu diesem Zweck mobile Abschussanlagen, Lager und Produktionsstätten für ballistische Raketen ausschalten. Auch das beschrieb Netanyahu als existentielle Gefahr für Israel, die mit jedem Monat der Untätigkeit wachse.

Anders als noch bei den iranischen Raketenangriffen 2024 wurden ausschließlich zivile Ziele in israelischen Großstädten beschossen, was ein Kriegsverbrechen darstellt.

Kurz darauf wandte er sich an die iranische Bevölkerung und sagte, die Operation bereite ihr den Weg für ihr eigenes »Ziel der Freiheit«. Das sei die Gelegenheit, »aufzustehen und eure Stimmen hören zu lassen: Frau, Leben, Freiheit!« Als offizielles Kriegsziel Israels wurde ein Regimewechsel im Iran jedoch nicht genannt.

Zu diesem Zeitpunkt waren über 200 israelische Kampfflieger zu einem Überraschungsangriff auf den Iran aufgebrochen, um die genannten Ziele auf militärischem Wege zu erreichen. Gleichzeitig führte der israelische Auslandsgeheimdienst Mossad Sabotageakte auf iranischem Boden durch.

Im Erstschlag wurden durch Luftangriffe und Sabotage nahezu alle Luftabwehrbatterien des Iran ausgeschaltet, damit wurde die unangefochtene Lufthoheit über den Iran erlangt. Seitdem kann die israelische Luftwaffe fast ungestört im Iran operieren und damit die Kriegsziele eines nach dem anderen erreichen.
Ebenfalls am ersten Tag wurden mindestens neun iranische Wissenschaftler getötet, denen Israel vorwarf, an einem erst vor kurzem entdeckten geheimen Atomwaffenprogramm beteiligt zu sein. Zudem wurden Atomanlagen in Natanz, Isfahan und Teheran angegriffen und beschädigt, weitere Angriffe sollten folgen. Andere Attacken schalteten wichtige Anlagen des ballistischen Raketenprogramms aus, vor allem Raketenbasen, Raketenfabriken sowie mobile Abschussanlagen.

Iranische Kriegsverbrechen

Noch folgenschwerer war aber die noch am ersten Tag erfolgte Ausschaltung der gesamten militärischen Führung des islamischen Regimes, vor allem der Anführer der Revolutionsgarden, aber auch der regulären Armee. Der Diktator Ali Khamenei wurde nicht getötet, angeblich auf Wunsch von US-Präsident Donald Trump, so berichtete es CBS News unter Berufung auf Regierungsmitarbeiter.

Die Islamische Republik konnte wegen der Ausschaltung ihrer militärischen Führung erst am Abend des 13. Juni reagieren und ließ unter dem Namen Operation »Echtes Versprechen« (gemeint ist: der Vernichtung Israels) ballistische Raketen auf Israel feuern. Anders als noch bei den Raketenangriffen 2024 wurden nun ausschließlich zivile Ziele in israelischen Großstädten beschossen, was ein Kriegsverbrechen darstellt. Trotz der starken israelischen Raketenabwehr und einer umfassenden Ausstattung mit Schutzbunkern töteten die iranischen Angriffe 29 Menschen (Stand Redaktionsschluss) und verletzten Tausende, nahezu alle Zivilpersonen. Die mehr als 20 Raketensalven mit mindestens 500 Mittelstreckenraketen trafen unter anderem die Ölraffinerie von Haifa und mehrere Krankenhäuser.

Die israelische Armee konnte jedoch weit über die Hälfte der iranischen Raketenwerfer und viele Raketen ausschalten, so dass die Raketensalven von Tag zu Tag kleiner werden. Medienberichte über einen israelischen Mangel an Abwehrraketen haben die IDF dementiert, US-amerikanische Schiffe mit Abwehrraketen wurden in die Region geschickt, um Israel zu Hilfe zu kommen.

Der Iran feuerte auch Hunderte Drohnen ab, von denen laut der israelischen Armee 99 Prozent abgefangen werden konnten. Israel hat weder im Luftkrieg noch bei den iranischen Raketenangriffen eigene militärische Verluste gemeldet, während im Iran nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen zwischen 270 und 600 tote Angehörige der Streitkräfte zu verzeichnen sind, aber auch 100 bis 700 Zivilpersonen, je nach Zählweise und Quelle (Stand Redaktionsschluss).

Keine Urananreicherung auf iranischem Boden

Längst gehen der Islamischen Repu­blik die militärischen Optionen aus. Die Technologie ihrer Luftwaffe ist veraltet und wegen fehlender Ersatzteile sind die Kampfflugzeuge kaum funktionsfähig, die Luftabwehr ist lückenhaft. Auch die Stellvertretermilizen sind zu stark geschwächt oder nicht willens, dem iranischen Regime militärisch beizustehen.

Russland und China halten sich indes zurück. Versuche Frankreichs, Deutschlands, Großbritanniens und der EU, am 20. Juni in Genf den Iran zu Verhandlungen zu überreden, scheiterten. Der iranische Außenminister nannte die europäischen Forderungen »unrealistisch«, nicht einmal auf einen neuen Verhandlungstermin konnte man sich einigen.

Die europäischen Forderungen stimmen weitgehend mit den US-amerikanischen Forderungen der ersten Verhandlungsrunden überein, die folgendermaßen lauteten: Keine Urananreicherung auf iranischem Boden, eine Beschränkung des ballistischen Rake­ten­programms und ein Ende der iranischen Unterstützung von Terrororganisationen im Ausland. Die USA und die arabischen Golfstaaten schlugen ein den Iran einschließendes Atomenergiekonsortium mit Sitz in den arabischen Golfstaaten vor, von wo der Iran für zivile Zwecke angereichertes Uran beziehen könnte, doch der Iran lehnt dies ab. Stattdessen besteht das Regime auf seinem »Recht auf Urananreicherung«, das ihm der Atomwaffensperrvertrag zugestehe.

Während sich hier nichts bewegte, begann eine Debatte über die letzte wichtige iranische Atomanlage, Fordo. Diese war bewusst so tief in einen Berg gebaut worden, dass die israelische Luftwaffe sie nicht aus der Luft hätte zerstören können. Nur die USA sind in der Lage, sie mit ihren schweren bunkerbrechenden Bomben zu zerstören. Trump sagte am 19. Juni, er würde innerhalb von zwei Wochen entscheiden, ob er die restlichen iranischen Atomanlagen angreifen lasse.

Bewertung der Kriegsschäden noch nicht abgeschlossen

Am Morgen des 22. Juni war es so weit: Schwere US-amerikanische Bomber griffen den Iran an. Trump ließ vermelden, die Anlage Fordo sowie weitere in Natanz und Isfahan seien zerstört worden – und somit nun alle Anlagen des Atomwaffenprogramms. Ob Fordo tatsächlich zerstört werden konnte, war bei Redaktionsschluss allerdings noch unklar. Aus dem Pentagon hieß es hierzu, die Bewertung der Kriegsschäden seien noch nicht abgeschlossen.

Der Iran reagierte am Folgetag mit einer Raketensalve auf die US-Basis al-Udeid in Katar, einem Verbündeten des Iran. Da der Iran alle Beteiligten vorgewarnt hatte, konnten die Raketen abgefangen werden und niemand wurde verletzt. Offenbar war diese laut Trump »sehr schwache Antwort« abgesprochen, um eine weitere Eskalation gesichtswahrend zu meiden. Wenige Stunden später verkündete Trump auch einen durch Katar vermittelten Waffenstillstand zwischen dem Iran und Israel ab 6 Uhr Mitteleuropäischer Sommerzeit, der von beiden Seiten bestätigt wurde. Doch auch nach Waffenstillstand schlugen noch iranische Raketen in Israel ein, Personen kamen dabei nicht zu Schaden. Israel reagierte, indem es eine Radarinstallation bei Teheran zerstörte, Premierminister Netanyahu ließ aber verkünden, dass Israel künftig von weiteren Schlägen absehen werde.

Derweil ist der Verbleib von 400 Kilogramm hochangereicherten Urans unklar. Das Atomprogramm ist wahrscheinlich um Jahre zurückgeworfen, aber nicht beendet. Regimevertreter drohen nun damit, offiziell aus dem Atomwaffensperrvertrag auszusteigen. Das iranische Regime gab an, Material aus Fordo sowie anderen Nuklearanlagen vor dem Angriff ausgelagert zu haben; das legen auch Satellitenaufnahmen nahe, auf denen einige Tage vor dem US-Angriff ein erhöhtes Transportaufkommen an der Anlage Fordo festzustellen ist.

Die Zukunft des Mullah-Regimes

Und dann ist da noch die Frage nach der Zukunft des Mullah-Regimes. Schätzungen zufolge lehnt drei Viertel der Bevölkerung das repressive iranische Regime ab, vor allem die junge Generation, die 2019 und besonders 2022 bei den »Frau, Leben, Freiheit«-Protesten viel riskiert hat. Als Reaktion auf die antisemitische Propaganda des verhassten Regimes hegen viele Iraner Sympathien für Israel. Um einen Regimewechsel zu begünstigen, hat das israelische Militär nicht nur militärische Ziele, sondern auch den Repressionsapparat der Islamischen Republik angegriffen, zum Beispiel das Polizeihauptquartier in Teheran, zu dem auch die Sittenpolizei gehört, sowie die bei Protesten zum Einsatz kommende Bereitschaftspolizei, die als Regimeschläger bekannten Basij und das Zentrum der Internetzensurbehörde. Auch das Gebäude des staatlichen Propagandamediums IRIB wurde angegriffen und kurzzeitig gehackt. Am Montag meldeten die israelischen Behörden außerdem einen symbolischen Angriff auf das berüchtigte Evin-Gefängnis.

Viele regimekritische Menschen im Iran haben sich über den Tod von Vertretern des Regimes gefreut, fürchten sich aber auch vor den israelischen Angriffen und verurteilen solche mit zivilen Opfern. Einige Bewohner Teherans sind an die kaspische Küste geflohen, um dort das Ende des Kriegs abzuwarten. Solange der Krieg andauert, wird es daher wohl eher keine Revolution geben. Nach Ende des Kriegs wäre das aber möglich, da das Regime stark geschwächt ist.

Eine Sonderrolle in der iranischen Opposition spielt der in den USA lebende Reza Pahlavi, der älteste Sohn des letzten Schahs, dessen Diktatur 1979 gestürzt wurde. 

Der Erfolg eines solchen Unterfangens ist trotzdem fraglich. Zum einen ist da die Befürchtung, dass der Krieg und die Schwäche des Regimes dessen Unterdrückungsapparat noch weiter radikalisieren; erste gefährliche Anzeichen gibt es dafür bereits in Form einer Verhaftungs- und Hinrichtungswelle. Zum anderen ist die iranische Opposition zwar in der Ablehnung des Regimes geeint, ihr fehlt aber auch aufgrund der staatlichen Repression eine zentrale Organisation.

So gibt es feministische Vorkämpferinnen wie Narges Mohammadi und junge Aktivistinnen der Proteste von 2022, aber auch nationalistische Oppositionelle sowie die verbliebenen Mitglieder der im albanischen Exil lebenden Volksmujahedin. Eine Sonderrolle spielt der in den USA lebende Reza Pahlavi, der älteste Sohn des letzten Schahs, dessen Diktatur 1979 gestürzt wurde. Pahlavi preist sich selbst als Symbolfigur für einen etwaigen demokratischen Übergang an, ist aber im Iran wegen seiner Haltung zur Diktatur seines Vaters umstritten.