26.06.2025
Antisemitismus in der linken polnischen Partei Razem

Marxisten für die Hamas

Mitglieder der linken polnischen Partei Razem fallen immer wieder durch antisemitische Äußerungen auf.

Adrian Zandberg, Co-Vorsitzender der linken Partei Lewica Razem (Linke gemeinsam) und Hoffnungsträger der polnischen Linken, hatte bei der Präsidentschaftswahl am 18. Mai kandidiert. Er erhielt knapp 4,9 Prozent der Stimmen – das beste Ergebnis für einen dezidiert linken Kandidaten seit 2010. Bei einer Fernsehdebatte im Wahlkampf traf er auf Grzegorz Braun, den Präsidentschaftskandidaten der rechtsextremen Konfederacja Korony Polskiej, der mit über 6,3 Prozent der Stimmen einen Rekordwert für Faschisten seit dem Ende des Realsozialismus 1989 erzielte, und fragte ihn, warum dieser den russischen Präsidenten Wladimir Putin nicht einen Verbrecher nenne. Im Zuge dessen sagte Zandberg, er stimme Brauns Einschätzung zu, dass der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu ein Kriegsverbrecher sei.

Das veranlasste Braun zu einem seiner berüchtigten antisemitischen Monologe: »Gott sei Dank grenzen wir nicht an den jüdischen Staat, denn dann könnte sich die von israelischen Ministern, Rabbinern und Generälen propagierte Politik des Völkermords gegen uns richten.« Außerdem sagten diese, Gojim – Nichtjuden – seien »wie Tiere, die den Juden dienen sollten«. Zandberg unterbrach Braun nicht und kritisierte diese Äußerungen auch in seiner Antwort nicht.

Seit ihrer Gründung 2015 präsentiert sich Razem als Partei eine Partei, für die der Kampf gegen Diskriminierung entscheidend ist und die sich für Gleichberechtigung und Minderheitenrechte einsetzt. Sie ist die am weitesten links stehende der relevanten Parteien Polens, bezeichnet sich aber als sozialdemokratisch. Doch aus Recherchen der polnischen Initiative zur Bekämpfung des Antisemitismus (Sitwa) geht hervor, dass der Antisemitismus in der Partei zunimmt.

Razem postete einen Comic, der Darth Vader mit einer israelischen Flagge dabei zeigt, wie er einen Planeten in die Luft sprengt und das als Kampf gegen den Terrorismus bezeichnet.

Einer der führenden Politiker und Sejm-Abgeordneten, Maciej Konieczny, engagiert sich demnach in europaweiter Lobbyarbeit für palästinensische Organisationen und nahm an der Gründungskonferenz des Hamas-nahen Vereins Europäisch Palästinensischer Rat für politische Beziehungen (Eupac) mit Sitz in Brüssel teil. Konieczny sagte bei einer Demonstration, dass »Israel kein normales Land« sei, weil es über Jahrzehnte bewiesen habe, »dass es nicht interessiert an einem Friedensprozess« sei. Er organisierte Konferenzen zur Sicherheit polnischer Bürger, die im Gaza-Streifen »gefangen« seien, sprach dabei aber nur von polnisch-palästinensischen Bewohnern des Gaza-Streifens und erwähnte mit keinem Wort die Sicherheit polnischer Juden, die von der Hamas entführt und in mehreren Fällen getötet worden waren.

Aleksandra Owca, neben Zandberg Co-Vorsitzende der Partei, veröffentlichte ein Video, in dem sie angab, bei der Präsidentschaftswahl Marek Jakubiak der stellvertretenden Senatssprecherin Magdalena Biejat vorzuziehen. Biejat war im vergangenen Jahr aus Razem ausgetreten, nachdem sie zwei Jahre lang Co-Vorsitzende der Partei gewesen war, und kandidierte als Parteilose bei der Präsidentschaftswahl (4,23 Prozent) für die linke Parlamentsfraktion. Jakubiak hingegen ist ein rechtsextremer Politiker, der polnischen Juden das Recht auf ihre Staatsbürgerschaft bestreitet, da »Polen keine gemeinsame Geschichte« mit Juden habe.

»Ich schäme mich sehr für euch«

Auf den wichtigsten Social-Media-Konten von Razem erschien ein Comic, der Darth Vader, den Finsterling aus den »Star Wars«-Filmen, mit einer israelischen Flagge dabei zeigt, wie er einen Planeten in die Luft sprengt und das als Kampf gegen den Terrorismus bezeichnet. In einem Beitrag über die »Nakba« – die Flucht Hunderttausender Palästinenser:innen infolge des ersten arabischen Kriegs gegen Israel im Jahr 1948 direkt nach dessen Staatsgründung – behauptete Razem, dass Israel während des Kriegs um seine Existenz alles verbrannt oder zerstört habe, was es nicht erbeuten konnte. In diesem Zusammenhang wurde von der Partei auch behauptet, die »Nakba« sei noch nicht beendet und ihre nächste Phase sei ein Völkermord im Gaza-Streifen. Als Reaktion darauf schrieb der renommierte Schriftsteller Szczepan Twardoch, der zuvor zur Wahl von Razem-Kandidaten aufgerufen hatte: »Ich schäme mich sehr für euch.«

Das Parteimitglied Aleksandra Korniak erlangte traurige Berühmtheit, weil sie den Historiker Konstanty Gebert als Mörder bezeichnet hatte – allein aufgrund seiner jüdischen Herkunft. Obwohl sie sich später entschuldigte, hinderte sie dies nicht daran, weiterhin Antisemitismus zu fördern, unter anderem durch die Verwendung des Slogans »From the river to the sea«.

Nach dem umfassenden Einmarsch Russlands in die Ukraine verließ Razem im März 2022 die antizionistische Progressive International, eine weltweite politische Organisation antikapitalistischer Gewerkschaften, Parteien und Bewegungen. Razem monierte deren mangelnde Solidarität mit der Ukraine und die Verharmlosung des russischen Imperialismus. Mittlerweile hat sich die Ausrichtung von Razem aber verändert. Vor einem Jahr verließ eine Gruppe von Sejm-Abgeordneten unter der Führung Biejats die Partei – unter anderem weil diese Bündnisse mit Organisationen eingegangen war, die offen den palästinensischen Terrorismus unterstützen. Razem verließ auch ein linkes Parteienbündnis mit der sozialdemokratischeren Nova Lewica, die der Regierungskoalition angehört. Das wiederum zog viele radikale Aktivisten an, von denen manche zuvor Razem den Rücken gekehrt hatten.

Die »Rote-Dreieck-Bande«

Unter ihnen war Paweł Preneta, einer der Anführer der Sozialistischen Aktion, einer außerparlamentarischen linken Organisation, die der Progressiven Internationale angehört und deren Mitgliedschaft sich mit der von Razem überschneidet. Der Podcast der Gruppe erhielt ein Interview mit dem polnischen Palästinenser Nidal Hamad. Preneta fragte an Hamad gerichtet: »Kann ich Marxist sein und der Hamas beitreten?« Hamad ist dem Online-Wochenmagazin Kultura Liberalna zufolge ein Terrorapologet und Unterstützer des ehemaligen syrischen Diktators Bashar al-Assad. Preneta lobte das Massaker vom 7. Oktober und beklagte, dass die Medien sich nur auf die angeblichen Opfer und Verbrechen konzentrieren, anstatt den »großen militärischen Erfolg« der Terroristen zu würdigen. Die israelische Geheimdienstoperation, durch die im vergangenen September Pager von Tausenden Mitgliedern der Hizbollah-Miliz im Libanon explodiert waren, bezeichnete er hingegen als »heftige terroristische Attacke«.

Innerhalb der Sozialistischen Aktion hat sich eine Gruppe gebildet, die sich »Rote-Dreieck-Bande« nennt. Ihre Mitglieder haben ein Logo entworfen, das Hamas-Symbole mit dem Razem-Logo kombiniert. Amanda Levi, ebenfalls Mitglied der Sozialistischen Aktion und bei Razem, schrieb bei X, dass über Andrzej Szaja, einem ehemaligen Razem-Mitglied, das öffentlich Antisemitismus bei Razem angeprangert hatte, das »rote Dreieck schwebt«.

Der Warschauer Razem-Bezirksrat Jacek Malicki bezeichnete Menschen, die sich gegen Antisemitismus aussprechen, als »Lakaien Israels« und warb für die Wahl Brauns mit dem Argument, dass dieser zumindest »Polen nicht verkaufen« werde. Braun hatte zuvor öffentlich die Frage aufgeworfen, was gegen die »Judaisierung« Polens getan werde. Nachdem Sitwa darüber berichtete, suspendierte Razem Malicki – doch das ist die einzige Disziplinarmaßnahme, die die Partei in Bezug auf ihr Antisemitismusproblem ergriffen hat.

Sitwa veröffentlichte Interviews mit sechs Personen, die Razem wegen des dort grassierenden Antisemitismus verlassen haben. Sie berichten, wie die Razem-Ortsgruppe in Danzig vor einigen Jahren eine »propalästinensische« Demonstration vor der einzigen Synagoge der Stadt organisieren wollte. Nach einer antiisraelischen Parteiresolution posteten einige Mitglieder in geschlossenen Chat-Gruppen der Partei islamistische Parolen, in denen sie Allah lobten.

Antisemitische Stereotype prägten den polnischen Präsidentschaftswahlkampf. Rafał Trzaskowski von der liberal-konservativen Bürgerkoalition versuchte, sich ihnen entgegenzustellen, und brach eine Debatte mit Grzegorz Braun wegen dessen antisemitischer Äußerungen ab.

Die Interviewten beschreiben die Beschimpfungen, denen sie ausgesetzt waren, als sie versuchten, antisemitisches Verhalten in der Partei zu kritisieren. Jeder Versuch, Israel positiv oder auch nur neutral darzustellen, sei demnach verspottet worden. Die Befragten kommen zu dem Schluss, dass die Mobilisierung »propalästinensischer« Kräfte der Parteiführung zugute komme und daher nichts gegen den wachsenden Extremismus unternommen werde. Alle sechs sind sich einig, dass es in Razem keinen Platz für Widerstand gegen Antisemitismus gibt.

Antisemitische Stereotype prägten den polnischen Präsidentschaftswahlkampf. Rafał Trzaskowski von der liberal-konservativen Bürgerkoalition versuchte, sich ihnen entgegenzustellen, und brach eine Debatte mit Braun wegen dessen antisemitischer Äußerungen ab. Trzaskowski verlor in der Stichwahl knapp gegen Karol Nawrocki, der eine geschichtsrevisionistisch-nationalistische Deutung des Holocaust zu einem Teil seiner Wahlkampagne gemacht hatte und um Brauns Anhänger geworben hatte.

Auch Biejat hatte sich gegen Brauns Rhetorik ausgesprochen – allerdings hat sie auch irreführende antiisraelische Inhalte verbreitet. Den Vogel abgeschossen hat jedoch Zandberg, der es nicht nur versäumte, sich gegen Antisemitismus auszusprechen, sondern ausdrücklich erklärte, dass er mit Braun, Polens schlimmstem Antisemiten, übereinstimme – was zeigt, wie ernst das Problem des Antisemitismus in der öffentlichen Debatte Polens ist und wie tief die politische Linke, einschließlich Razem, darin verstrickt ist.