Jungle+ Artikel 03.07.2025
Wie die Literatur dazu beigetragen hat, das Tabu der Alzheimer-Erkrankung zu überwinden

Bis alles um einen herum verschwindet

Der Zustand wird als Dunkelheit und heimtückischer Nebel beschrieben oder mit der Übernahme einer feindlichen Macht verglichen. Autoren wie Annie Ernaux, John Bayley und Tilman Jens haben die Alzheimer-Erkrankung von Angehörigen in eindringlichen Romanen geschildert und dazu beigetragen, die mit dem Verlust geistiger Kräfte verbundene Scham zu bekämpfen. Dabei betonen sie ihre privilegierte Situation als Pflegende, die über ausreichende Mittel verfügen. Die Kosten der Behandlung scheinen heutzutage das eigentliche Tabu zu sein.

Anfang der nuller Jahre wurde eine weltweite Leserschaft Zeuge des langsamen Verfalls von Alfred Lambert. Lambert ist eine Figur, die der damalige Shooting Star der US-amerikanischen Literaturszene, Jonathan Franzen, in seinem berühmten Roman »Die Korrekturen« (2001) geschaffen hat. Alfreds Ehefrau Enid – sie versucht, die Familie zusammenzuhalten, und besteht darauf, dass ihre drei Kinder Weihnachten nach Hause kommen – bemerkt nicht oder möchte nicht wahrhaben, dass ihr Mann zusehends in die Demenz abgleitet.

Bereits 1984 erschien mit dem niederländischen Roman »Hersenschimmen«, der 1988 in deutscher Übersetzung unter dem Titel »Hirngespinste« erschien, ein Buch, das das Abgleiten in die Demenz aus der Perspektive eines älteren Amerikaners niederländischer Herkunft schildert. Hendrik Jan Marsman alias J. Bernlef, der einen an Alzheimer Erkrankten in das Zentrum seiner Erzählung stellte, gehört neben der französischen Schriftstellerin und Literaturnobelpreisträgerin Annie Ernaux zu den Ersten, die das Thema literarisch anpackten.

So wie die Tuberkulose, die Melancholie, die Depression und Aids als epochenprägende Krankheiten in die Literatur eingegangen sind, sind Demenz und Alzheimer ein Synonym der Gegenwart. 

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