14.08.2025
Die Doku »Soldaten des Lichts« porträtiert eine Verschwörungssekte

Wenn Wildkräuter-Shakes nicht mehr helfen

Julian Vogel und Johannes Büttner begleiten in ihrem Dokumentarfilm »Soldaten des Lichts« eine Verschwörungssekte rund um den veganen Youtuber David Ekwe-Ebobisse. Ihr Film zeigt, wie schnell die Suche nach Heilung und Gemeinschaft in Ausbeutung,­ Wahnsinn und Antisemitismus kippen kann.

Am 13. Mai dieses Jahres war es so weit: Der Reichsbürgerverein »Königreich Deutschland« wurde verboten. Immobilien wurden durchsucht, das wurde Vermögen eingefroren und das Vereins­oberhaut, der selbsternannte König Peter Fitzek, verhaftet. Statt der behaupteten 6.000 Anhänger waren es am Ende nach Schätzungen der Behörden nur 1.000 – dennoch eine beängstigende Zahl angesichts der gefährlichen Hirngespinste, auf denen das »Königreich« beruhte.

Von genau solchen Menschen, die in den Sog wirrer Verschwörungs­erzählungen geraten sind, erzählt Julian Vogels und Johannes Büttners Dokumentarfilm »Soldaten des Lichts«. In diesem Fall sind dies der Youtuber David Ekwe-Ebobisse und die Menschen, die er um sich geschart hat. Ähnlich wie bei dem veganen Koch und Verschwörungstheoretiker Attila Hildmann geht bei Ekwe-Ebobisse ein radikaler Ernährungsansatz mit ebenso radikalen Vorstellungen der Welt einher.

Dabei ist der auch als Mr. oder Dr. Raw bekannte Youtuber ebenso geschäftstüchtig wie Hildmann – mit einem eigenem Online-Shop und einem Restaurant in Frankfurt am Main. Gegen das Re­staurant, das als Treffpunkt für »Reichsbürger« diente, formierte sich Protest, der im Film auch eine Rolle spielt; am Ende schlossen es die Behörden.

Das mitunter antisemitische Movens, dem ­Ekwe-Ebobisse und seine Anhänger folgen, besteht darin, ihr eigenes unkonkretes Unwohlsein auf andere zu projizieren.

Das Leben der Gruppe, die Ekwe-Ebobisse um sich geschart hat, wirkt auf den ersten Blick eher harmlos. Man macht Sport zusammen, fastet, ernährt sich gesund – eine Gemeinschaft, die Halt geben soll. Doch gibt es auch Momente wie jenen, in dem er einer krebskranken Frau sagt, wie wichtig es sei, dass sie jeden Tag rausgehe und Wildkräuter sammle. »Entspann dich ein bisschen. Geh auf die Vitori-Matte!« rät er ihr. Später wendet er sich an ihren Sohn: »Deine Mutter soll nicht vergessen: Der Krebs stirbt, wenn die Temperatur über 42 Grad ist.«

Und dann ist da noch Timo. Der psychisch erkrankte junge Mann hat sich während der Covid-19-Epidemie radikalisiert und erhofft sich von Ekwe-Ebobisse Heilung von »der Dunkelheit«, die er in sich spürt. An einer Stelle im Film zieht ihn Ekwe-Ebobisse für seine Instagram-Follower vor die Handykamera.

Er erzählt davon, wie viel besser es Timo bei ihm gehe, wie viel fitter dieser jetzt sei und dass er sogar ein Sixpack habe. Timo ist spindeldürr. Sein Gesicht wirkt eingefallen, nervöse Tics huschen immer wieder darüber. Eine Sache sollte eigentlich jedem ersichtlich sein: Dieser Mann braucht Hilfe, die weit über Wildkräuter-Shakes hinausgeht.

Bildsprache, die den Prozess der »Ideologieproduktion« widerspiegelt

Der Regisseur Vogel berichtet, er habe für den Film eine Bildsprache gesucht, die den Prozess der »Ideologieproduktion« widerspiegelt, der Verschwörungserzählungen innewohnt. »Dabei orientierte ich mich an der Ästhetik einer Fabrik – einem mechanischen Ort, an dem Gedanken und Überzeugungen wie Produkte gefertigt werden. Jede Szene, jede Bildkomposition sollte dieser Produktionsweise Rechnung tragen.« Dies zeigt sich in starren Bildkompositionen. In statischen Einstellungen sieht man den Alltag der Wunschgemeinde: Kochen, Putzen, Päckchen für den Versand packen.

Dem Ganzen haftet etwas ungemein Kühles an, die Menschen wirken wie Roboter. Zugleich offenbaren Vogel und Büttner so auch den großen Widerspruch, indem Ekwe-­Ebobisses Anhänger feststecken: Obwohl sie sich vom Staat so schlimm gegängelt fühlen, begeben sie sich freudig in das Hamsterrad Ekwe-Ebobisses. Sie wollen endlich raus aus der Fabrik, zu der ihr Leben in ­ihren Augen verkommen ist – und begeben sich geradewegs in die nächste.

Aus Gesprächen wird zudem klar, dass Ekwe-Ebobisse die Shakes, die Nahrungsergänzungsmittel und den Wohnraum, die er ihnen zur Verfügung stellt, mit ihrer Bezahlung verrechnet. So bleibt ihnen nur ein kleines Taschengeld. Dass dieses manchmal nicht einmal fürs Handyguthaben ausreicht, offenbart Timo später im Gespräch mit seinen ­Eltern.

Versatzstücke des klassischen Judenhasses

Das mitunter antisemitische Movens, dem Ekwe-Ebobisse und seine Anhänger folgen, besteht darin, ihr eigenes unkonkretes Unwohlsein auf andere zu projizieren. So wollen ­Vogel und Büttner, die im Film größtenteils als stille Beobachter agieren, einmal von Ekwe-Ebobisse wissen, wie ernst er denn das ganze Gerede von dunklen satanischen Mächten meint, die heimlich die Welt regieren.

Seine Antwort: Er meint es komplett ernst. Auch wenn es im Film nie ganz konkret wird, begegnen einem doch immer wieder Versatzstücke des klassischen Judenhasses: die Verteufelung von Eliten, die Projektion von Schuld, eine dualistische Weltsicht von Licht gegen Dunkelheit.

Im Gespräch mit Ekwe-Ebobisse berichtet zum Beispiel der »Geistheiler Sananda«, eigentlich Oliver Michael Brecht, davon, dass selbst nach einer erneuten Preiserhöhung seinerseits die Menschen in Scharen zu ihm kommen. Der ganz in Weiß gekleidete Schwabe blickt dabei auf seinen beachtlichen Fuhrpark vor seiner Villa. Auch wenn man nichts als Verachtung für die düsteren geldgeilen Machteliten übrighat – auf den eigenen Luxus will man dann doch nicht verzichten.

Es ist eine pathische Projektion, die einem hier begegnet, und sie ist typisch ist für den Antisemitismus: Die eigenen dunklen Wünsche werden auf ein als feindlich imaginiertes Gegenüber projiziert.

Es ist, in den Worten Horkheimers und Adornos, eine pathische Projektion, die einem hier begegnet, und sie ist typisch ist für den Antisemitismus: Die eigenen dunklen Wünsche werden auf ein als feindlich imaginiertes Gegenüber projiziert. Und spätestens, wenn ein Anhänger des »Königreichs Deutschland« in seiner Autowerkstatt davon schwadroniert, dass in Sachen Holocaust einiges an Lügen kursiere, wird die Ideologie hinter dem Ganzen überdeutlich.

Dass das »Königreich Deutschland« zwischen Entstehung und Erscheinen des Films verboten wurde, gibt diesem noch einmal eine ganz besondere Pointe. Denn im Film hört man die Protagonisten immer wieder spotten, dass der Staat ja eh nichts gegen sie unternehme, weil er viel zu schwach dafür sei. Am Ende hat er sich doch als stärker erwiesen.

Timo hilft dies nicht mehr. Nachdem er erfolgreich gegen seine von seinen Eltern angetriebene Zwangseinweisung geklagt hatte, verließ er Deutschland. Sechs Monate nach den Dreharbeiten von »Soldaten des Lichts« verstarb er, auf 53 Kilo ab­gemagert, unter mysteriösen Umständen in Luxemburg.

Soldaten des Lichts (Deutschland 2025). Buch und Regie: Julian Vogel, Johannes Büttner