02.10.2025
In Schleswig-Holstein kam es ­vermehrt zu Bränden in linken Projekten

Anstieg rechtsextremer Gewalt: Es brennt

In Schleswig-Holstein kam es vermehrt zu Bränden in linken Projekten. Die Verursacher konnten bislang nicht ermittelt werden, doch Kritiker warnen vor einem immer offener zur Schau gestellten Rechts­­extremismus.

Die Täter kamen in der Nacht und blieben unerkannt. Die Gartenlaube der linken Stadtverordneten des schleswig-holsteinischen Elmshorn, Karin Kunkel, brannte in der Nacht auf den 8. September vollständig nieder. »Genau zwei Nächte nach unserem Sommerfest mit einem gut sichtbaren Pavillon mit ›Die Linke‹-Aufdruck«, erzählt Kunkel im Gespräch mit der Jungle World.

An einen Zufall möchte sie nicht glauben. Der Kreisverband der Linkspartei vermutet einen politisch motivierten Brandanschlag. Kunkel kann zumindest einen technischen Defekt in der Laube ausschließen: Es gebe keinen Stromanschluss, der einen Brand hätte auslösen können. Und die Parzelle sei überhaupt nicht einsehbar, so dass man nicht zufällig an ihr vorbeikomme. Die Polizei ermittelt nach eigenen Angaben in mehrere Richtungen. Für eine politisch motivierte Tat lägen noch keine Anhaltspunkte vor.

Direkt nach dem Brand gab es viel Solidarität, Kunkel zufolge aber vor allem aus der eigenen Partei. Die anderen demokratischen Parteien in Elmshorn hätten sich hingegen gar nicht gemeldet, bedauert sie. Ihrer Ansicht nach reiht sich das Ereignis ein in eine fortschreitende Rechtsentwicklung in der Stadt, die bislang nicht als rechte Hochburg bekannt war. Die AfD hat nicht einmal einen Vertreter im Stadtparlament.

»Wir sehen in Schleswig-Holstein einen krassen Anstieg rechts­extremer und antisemitischer Kriminalität.« Jan Kürschner, innen­politischer Sprecher der Landtags­fraktion der Grünen

Sven von der Antifaschistischen Initiative im Kreis Pinneberg pflichtet Kunkel bei. Mit anderen hat er nach dem Brand eine spontane Solidaritätskundgebung organisiert, bei dem zu seinem Bedauern nur um die 50 Personen zusammenkamen. Auch er beobachtet ein Erstarken des Rechtsextremismus, insbesondere an den Schulen. »Rechte Tendenzen ziehen sich durch alle Schulformen. Ein ›Sieg Heil‹ zur Begrüßung verwundert kaum noch.«

Seine Initiative beobachte mit Sorge eine Zunahme rechtsextremer Aktivitäten. Zwar sei man noch weit entfernt von den Zuständen in den neunziger Jahren, als Gruppen von Skinheads sehr präsent waren und es auch zu gewaltsamen Übergriffen kam. Doch in den vergangenen Jahren nehme insbesondere die verbale Gewalt zu. »An AfD-Infoständen kommt es immer wieder zu Drohungen wie ›Ihr werdet schon sehen‹ und ›Wartet, bis wir an der Reihe sind‹.« Das Klima, so Sven, habe sich stark gewandelt, auch die Bedrohung empfindet er als ernsthafter als früher.

Karin Kunkel erkennt die Veränderung auch im Stadtbild. »Man sieht vermehrt rechte Sticker und vor meinem Haus wurde auch schon ›Sieg Heil‹ gegrölt.« Als sie für den Bundestagswahlkampf plakatiert habe, sei ihr mehrmals der Hitlergruß gezeigt worden. Damals seien insbesondere in den sozialen Medien die beleidigenden Kommentare sehr viel zahlreicher geworden. Kunkel macht sich Sorgen über weitere Angriffe auf ihre Gartenlaube – und über ihre Sicherheit. Immerhin habe sie einen Hund, betont sie. Ohne ihn gehe sie ungern spazieren.

Antifaschistischer Grundkonsens dahin

Sven bemängelt, dass es nach dem Brand in der Gartenlaube keine Worte der Anteilnahme gegeben habe, nicht von den Grünen und von der CDU schon gar nicht. Lediglich von einem Elmshorner SPD-Mitglied habe es solidarische Worte gegeben. Der antifaschistische Grundkonsens sei dahin. Und auch der politische Gegner sei heutzutage schwer zu definieren. »Wir werden von AfD-Sympathisanten mit Migrationshintergrund angepöbelt. Da werden wir beschuldigt, die eigentlichen Faschisten zu sein.«

Es ist eigentlich untypisch für das Bild, das man sonst gemeinhin von Schleswig-Holstein hat. Das Bundesland bewirbt sich selbst mit dem Slogan »Der echte Norden«. Ferienidyll zwischen Nord- und Ostsee, ruhige, besonnene Menschen – daran soll man wohl denken. Bei der Bundestagswahl 2025 steigerte sich die AfD zwar mit einem Plus von 9,7 Prozentpunkten auf rund 16,1 Prozent – von einer Dominanz wie in einigen ostdeutschen Bundesländern ist hier aber noch keine Rede. Doch mehren sich in jüngster Vergangenheit die Berichte über rechtsextreme Umtriebe. Es kam zu einigen Bränden in linken Projekten, die bislang nicht aufgeklärt werden konnten.

Schon vor zwei Jahren fuhr der damals 19jährige Melvin S., der zum Tatzeitpunkt Mitglieder der AfD war, am Rande einer Parteiveranstaltung der AfD in Henstedt-Ulzburg mit seinem Auto in eine Gruppe von Gegendemonstranten und verletzte vier Menschen. Im Juni dieses Jahres kam es dann zu einem verheerenden Brand im Autonomen Jugendhaus (AJH) in Bargteheide. Von einem Brandanschlag möchte Lennert vom Vorstand des AJH im Gespräch mit der Jungle World zwar nicht reden. Aber es hatte auf dem Gelände bereits am 1. Januar dieses Jahres und am 26. Mai 2024 gebrannt. »Es ist schon seltsam, dass es innerhalb eines Jahrs dreimal bei uns gebrannt hat.« Er geht nicht von einem Zufall aus und auch die Kriminalpolizei glaubt nicht an eine natürliche Brandursache.

Mmehrere Sachbeschädigungen in jüngster Vergangenheit

Mutmaßliche Täter und auch die genauen Brandursachen konnten zwar noch nicht ermittelt werden. Doch Lennert berichtet von mehreren Sachbeschädigungen in jüngster Vergangenheit. »Es kommt vermehrt zu rechten Schmierereien und in diesem Jahr mussten wir schon drei- bis viermal neue Fenster einbauen, weil sie eingeworfen wurden.« Im Stadtbild seien häufiger gesprühte SS- oder 88-Tags zu sehen, bei Veranstaltungen im AJH komme es immer wieder zu Pöbeleien. Das Klima habe sich verändert, erzählt er. Besonders während des Bundestagswahlkampfs habe er die extremen Rechten vermehrt wahrgenommen. »Da sind vermummte Mitglieder der Jungen Alternative aus Ahrensburg durch Bargteheide geradezu Patrouille gefahren und haben Leute auf der Straße angepöbelt.« Nach der Bundestagswahl sei es zwar wieder ruhiger geworden, rechtsextreme Aufkleber und Sprühereien seien jedoch weiterhin allgegenwärtig.

Jan Kürschner, der innenpolitische Sprecher der grünen Landtagsfraktion, sieht in rechtsextremen Aktivitäten wie den beschriebenen keine Einzelfälle. »Die Brandanschläge werden in Zusammenhang miteinander stehen, jede andere Annahme wäre blauäugig. Wir sehen in Schleswig-Holstein ohnehin einen krassen Anstieg rechtsextremer und antisemitischer Kriminalität«, berichtet er der Jungle World. Er will im Innen- und Rechtsausschuss einen Bericht der Regierung beantragen. Der Verfassungsschutzbericht für Schleswig-Holstein aus dem Jahr 2024 bestätigt die Einschätzungen. Um 55,5 Prozent hat demnach die »politisch motivierte Kriminalität – rechts« im Vergleich zum Vorjahr zugenommen. Dabei liegt der Kreis Pinneberg knapp hinter Lübeck an zweiter Stelle.

Das Autonome Jugendhaus in Bargteheide ist mittlerweile fast wiederhergestellt. Die regelmäßigen Plena können seit vergangener Woche wieder stattfinden und für Ende des Jahres sind die ersten Veranstaltungen geplant. Immerhin haben sich viele Menschen mit einer Spende solidarisch mit dem Haus gezeigt. Das gebe Hoffnung, so Lennert.