09.10.2025
Der Hype um die Global Sumud Flotilla in Italien

Identitätspolitische Großbühne Gaza

In kaum einem anderen europäischen Land fand die Global Sumud Flotilla in den vergangenen Wochen so viel Unterstützung wie in Italien.

In Italien war das Thema der Global Sumud Flotilla sowohl auf der Straße als auch in den Medien omnipräsent: jene von mehr oder weniger bekannten Aktivisten geleitete Seemission mit dem vorgeblichen Ziel, Hilfsgüter und Lebensmittel in den Gaza-Streifen zu bringen, die in der Nacht von Donnerstag auf Freitag vergangener Woche vom israelischen Küstenschutz gestoppt wurde.

Als Reaktion darauf kam es in Italien zu einer Welle an Protesten unter dem Slogan Blocchiamo tutto (Alles blockieren). In ihnen gipfelte die bereits seit Wochen aufgeheizte Stimmung, zu der auch Medien, Gewerkschaften und parlamentarische Opposition beigetragen hatten. Insbesondere die mediale Präsentation der Flotilla glich in den vergangenen Tagen einer kollektiven Psychose: Kaum eine Nachrichtensendung, die nicht darüber berichtete und die aktuellen Standorte der Schiffe zeigte, kaum eine Talkshow, in der nicht Aktivisten zugeschaltet wurden.

Besonders gefragt war jemand, der nicht auf einem Boot saß: die wiederholt durch antisemitische Aussagen aufgefallene UN-Sonderberichterstatterin Francesca Albanese, die sich in Dutzenden Studiosendungen als Heilige Madonna der Palästinenser und ihrer Unterstützer hofieren ließ – ohne dass dem jemand ernsthaft widersprochen hätte.

Insbesondere die mediale Präsentation der Flotilla glich in den vergangenen Tagen einer kollektiven Psychose: Kaum eine Nachrichtensendung, die nicht darüber berichtete und die aktuellen Standorte der Schiffe zeigte, kaum eine Talkshow, in der nicht Aktivisten zugeschaltet wurden.

Zugleich breitete sich das Bedürfnis, sich medienwirksam zu Palästina zu bekennen, rasant aus: Abgeordnete im Parlament, Provinzbürgermeister, die plötzlich »den Staat Palästina anerkannten«, und eine Parade von A-, B- und C-Promis, die ihre persönlichen Storys bei Instagram mit inhaltslosen, dafür aber hochemotionalen Solidaritätsbekundungen füllten. Schließlich kündigte der größte italienische Gewerkschaftsbund CGIL für vergangenen Freitag einen landesweiten achtstündigen Generalstreik an. All dies zusammen brachte nach Angaben der CGIL mehr als zwei Millionen Menschen in mehr als 100 Demonstrationen in Italien auf die Straßen.

Im europäischen Ausland dagegen hielt sich der Hype um die Flotilla außerhalb der üblichen Aktivistenkreise zunächst in Grenzen. Erst nach der Festnahme der Gaza-Segler durch Israel gab es in mehreren europäischen Städten Solidaritätskundgebungen mit Zehntausenden von Menschen.

Warum Italien? 

Warum also Italien? Sicher gibt es dort echte Empathie mit den Menschen im Gaza-Streifen, sicher auch das legitime Bedürfnis, gegen den Krieg im Nahen Osten zu protestieren. Kritiker bemerken jedoch, dass es auffällt, wie selektiv dieses humanitäre Friedensbedürfnis ist – beispielsweise war zu keinem Zeitpunkt seit Beginn des russischen Kriegs gegen die Ukraine ein Streik aus Solidarität mit der ukrainischen Bevölkerung im Gespräch.

Somit entlarvt sich der Generalstreik als innenpolitisches Schauspiel. Die politische Opposition sah in der Flotilla die einmalige Gelegenheit, sich endlich gegen die Regierung von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni zu profilieren. Die Parteien Partito Democratico, Linksgrüne Allianz sowie die Fünf-Sterne-Bewegung setzten ihre Abgeordneten auf die Schiffe, ein paar reichweitenstarke Journalisten sprangen auf, man erklärte die Regierung Melonis zur »Komplizin von Netanyahus Genozid« und der Gaza-Streifen wurde zur Kulisse einer identitätspolitischen Großbühne.

Während die Linken auf hoher See »Genozid« brüllten, bot Melonis Regierung Matrosen auf, um die eigenen Staatsbürger zu schützen – eine nationale Umarmung, mit der die Aktivisten offenbar kein Problem hatten.

Grotesk wurde es, als die Teilnehmer der Flotilla von eben dieser angeblichen Komplizin Schutz forderten – und ihn auch noch umgehend bekamen. Verteidigungsminister Guido Crosetto entsandte sofort zwei Kriegsschiffe, schneller und entschlossener noch als die linke spanische Regierung, die es Italien gleichtat. Während die Linken auf hoher See »Genozid« brüllten, bot Melonis Regierung Matrosen auf, um die eigenen Staatsbürger zu schützen – eine nationale Umarmung, mit der die Aktivisten offenbar kein Problem hatten.

Der Generalstreik und die bisherigen Proteste haben wieder einmal gezeigt: Der Gaza-Streifen ist für die »propalästinensische« Bewegung längst kein realer Ort mehr, an dem Menschen leben und sterben, sondern eine Projektionsfläche, ein Schwarzes Loch, das Empathie, Frust, Revolutionsphantasien und Promi-Kitsch in sich hinein zieht – und mit ihnen Realitätsbezug und Verhältnismäßigkeit. Für die Menschen im Gaza-Streifen wird dadurch nichts besser, für Israel nichts anders. Und auch die italienische Linke wird am Ende nichts gewinnen. Sie belügt sich nur selbst, wenn sie glaubt, aus diesem Theater politisches Kapital schlagen zu können.