09.10.2025
Trump-Anhänger vermuten den Mossad hinter dem Mord an Charlie Kirk

Maga-Antisemitismus: Ein Sturm braut sich zusammen

Prominente Unterstützer Donald Trumps suggerieren, dass der Mossad hinter Charlie Kirks Ermordung steckte. In der US-Rechten entsteht eine antizionistische Strömung, auch der unverhüllte Antisemitismus nimmt zu.

Oberflächlich betrachtet könnte man vermuten, dass US-Präsident Donald Trump für Antisemitismus nicht sonderlich anfällig ist. Immerhin hat seine Tochter Ivanka einen jüdischen Ehemann und ist selbst zum Judentum konvertiert. Die drei Kinder des Paars – und damit Donald Trumps Enkelkinder – sind jüdisch.

Auch in seinem engsten politischen Umfeld gibt es ­Jüdinnen und Juden. Das prominenteste Beispiel ist sein Homeland Security Advisor und medialer Kettenhund Stephen Miller. Nicht zuletzt gilt Trump als Unterstützer Israels und enger Verbündeter des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu.

Gleichzeitig jedoch fällt Donald Trump regelmäßig durch antisemitische Äußerungen auf. Immer wieder stellt er in seinen Reden eine Verbindung zwischen Juden und Reichtum her. Im Juli bezeichnete er in einer Rede skrupellose Banker als »Shylocks« – der Name ist Shakespeares »Kaufmann von Venedig« entlehnt und klar antisemitisch konnotiert.

Laut Charlie Kirk kontrollierten Juden nicht nur die »Universitäten, sondern auch Hollywood, einfach alles«.

Im November 2022 empfing Trump den Rapper Kanye West, der sich im Monat zuvor auf Twitter selbst als Antisemit geoutet hatte und Adolf Hitler verehrte. West wiederum hatte Nick Fuentes im Schlepptau, einen prominenten Vertreter des Weißen Christlichen Nationalismus und Holocaustleugner. Zwar behauptete Trump, er habe nicht gewusst, wer Fuentes ist, und distanzierte sich wenig später auch von West, doch ein Nachgeschmack blieb.

Die Maga-Bewegung als Ganze ist in dem Punkt ziemlich heterogen. Es gibt dort viele, die Israel ehrlich unterstützen – beispielsweise den jüdischen Politkommentatoren Ben Shapiro. Gleichzeitig gibt es immer mehr Anti­zionist:in­nen, ebenso wie beinharte Antise­mit:in­nen. Eine Rolle spielen auch christliche Zionist:innen, die von einem Großisrael träumen, weil sie in dessen Errichtung – und anschließender Vernichtung in einem endzeitlichen Krieg – eine notwendige Voraussetzung für die Wiederkehr Jesu und das Ende aller Zeiten sehen.

Diese wachsende Kluft im Maga-Lager zeigte sich nach dem tödlichen Attentat auf den rechten Influencer Charlie Kirk Anfang September deutlicher denn je. Schnell waren antisemitische Verschwörungstheorien in Umlauf, die offenbar so virulent waren, dass Netanyahu persönlich in einem Video klarstellte, dass Israel nicht hinter der Ermordung Kirks steckte.

Kirk sei wie Jesus von »Hummus essenden« Herrschern Jerusalems ermordet worden

Besonders hervorgetan hat sich die Online-Persönlichkeit Candace Owens. Mit 5,3 Millionen Abonnent:innen auf Youtube gilt sie als eine der wichtigsten Stimmen des verschwörungstheoretischen Antizionismus von rechts. Ihr zufolge hat sich Kirk in jüngster Zeit immer mehr von Israel abgewendet und ist deshalb unter Druck der »zionistischen Großspender« geraten. Diese Theorie propagierte auch das sich links gerierende Medienportal Grayzone des – jüdischen – Pro-Putin-Journalisten Max Blumenthal.

Dass »die Zionisten« Kirk deshalb ermorden ließen, suggeriert nicht nur Owens deutlich. Bei Kirks Beerdigungszeremonie hielt der frühere Fox-News-Moderator Tucker Carlson eine Rede, in der er den Verstorbenen mit Jesus verglich. Der sei schließlich auch von den »Hummus essenden« Herrschern Jerusalems ermordet worden, weil er die Wahrheit sagte und die Mächtigen ihn zum Schweigen bringen wollten.

Carlsons Rede kommentierte der schon erwähnte Nick Fuentes in seiner Online-Show hämisch grinsend: Das sei ja sogar ihm zu antisemitisch gewesen. Das war natürlich ein Witz – Fuentes ist Vertreter eines ganz offenen, unverblümten Antisemitismus. Der 27jährige Streamer ist vor allem bei jungen Republikanern beliebt. Er hat vor einigen Jahren einen Kleinkrieg gegen Kirk geführt, weil dieser als Israel-Unterstützer galt. Seine Anhänger – die Groypers – besuchten eine Veranstaltung Kirks nach der anderen und stellten »israelkritische« Fragen, etwa zum Einfluss der ­Israel-Lobby in den USA.

Antisemitische Topoi

Bei dem Thema wird unter US-Rechten – ebenso wie bei den Demokraten – ein Generationenkonflikt konstatiert. Während die älteren Republikaner mehrheitlich noch zu Israel stehen, breitet sich vor allem bei den jüngeren ein Antizionismus bis hin zum offenen Anti­semitismus aus. »Die Maga-Influencer, die Hitler rehabilitieren«, war kürzlich ein Artikel im liberalen Magazin Atlantic überschrieben, der diese Entwicklung konstatierte.

Kirk stand der christlichen Rechten nahe und war deshalb traditionell pro­israelisch und ein Unterstützer der rechten israelischen Regierung. Sein Publikum waren aber eben die jungen Rechten. In den Monaten vor seinem Tod lud Kirks Organisation Turning Point USA immer öfter antizionistische Redner ein, beispielsweise Tucker Carlson.

Auch verwendete Kirk – ähnlich wie Trump – gelegentlich antisemitische Topoi. So sagte er im Oktober 2023, Juden kontrollierten nicht nur die »Universitäten, sondern auch Nichtregierungsorganisationen, Hollywood, einfach alles«. Wiederholt behauptete er, »jüdische Großspender« hätten in den USA »Hass auf Weiße« befeuert. Auch hätten Juden eine »kulturmarxistische Agenda« finanziert und dadurch selbst Antisemitismus unterstützt.

Stephen Miller, Qanon und Epstein

Vergangene Woche wurde ein Brief veröffentlicht, den Kirk offenbar bereits im Mai an Netanyahu geschrieben hatte. Er warnte dort »aus tiefer Liebe für Israel und die Juden« vor einem »antiisraelischen und antisemitischen Trend«, der vor allem bei jungen Leuten immer stärker werde – und zwar »sogar in konservativen Kreisen«.

Bei so viel Widersprüchlichkeit kann es auch nicht verwundern, dass Stephen Miller, der selbst jüdisch ist, in seiner Rede bei der medial groß inszenierten Beerdigung Kirks mit dem Satz »We are the Storm!« einen Schlachtruf des antisemitischen Verschwörungskults Qanon verwendete.

Qanon ist die Keimzelle einer weiteren Verschwörungserzählung, die derzeit vor allem in der US-amerikanischen Rechten an Zuspruch gewinnt, nämlich dass der verstorbene Sexualstraftäter Jeffrey Epstein eigentlich ein Agent des Mossad gewesen sei. Epstein habe mächtigen Männern minder­jährige Opfer zugeführt, um sie anschließend mit Videoaufnahmen zu erpressen. Auf diesem Weg habe der Mossad die »Elite« kontrolliert.

Kosmopolitismus, Intellektualismus, urbane Modernität und liberaler Universalismus – die Feindbilder der Maga-Bewegung überschneiden sich in auffallender Weise mit denen des Antisemitismus. 

Seit Donald Trump sein Wahlversprechen, alle Dokumente zum Fall Epstein zu veröffentlichen, gebrochen hat, hat diese Verschwörungserzählung ein Revival erfahren, vor allem bei der Maga-Basis. Im Juli sah sich sogar der ehemalige israelische Ministerpräsident Naftali Bennett gezwungen, auf X zu beteuern, Epstein habe ganz sicher nicht für den Geheimdienst des Landes gearbeitet.

All diese Verschwörungstheorien – zu Kirk, Epstein, Qanon und der angeblichen »israelischen Kontrolle« der US-Politik – verbreitet am lautesten die republikanische Kongressabgeordnete Marjorie Taylor Greene. Ein Porträt über sie, das kürzlich in der New York Times erschien, trug den Titel »Greene setzt sich von Trump ab. Das verweist auf eine beginnende Spaltung bei Maga«.

Kosmopolitismus, Intellektualismus, urbane Modernität und liberaler Universalismus – die Feindbilder der Maga-Bewegung überschneiden sich in auffallender Weise mit denen des Antisemitismus. Auch wenn Trumps Regierung von Anfang an den Krieg Israels in Gaza unterstützt hat und vorgibt, sich um die Sicherheit jüdischer Studierender an US-amerikanischen Universitäten zu sorgen – die tiefe Verwurzelung ihrer nationalistischen Ideologie in Verschwörungsmythen und Endzeitglauben sorgt fast schon zwangsläufig dafür, dass Antisemitismus zumindest immer in Griffweite liegt.