09.10.2025
Stefan Hensel tritt als Anti­semitismusbeauftragter Hamburgs zurück

Konfrontation mit Hass und Hetze

Er hat genug: Nach Angriffen und Drohungen gibt der Hamburger Antisemitismusbeauftragte Stefan Hensel sein Ehrenamt nach über vier Jahren ab.

Stefan Hensel gibt sein Ehrenamt als Antisemitismusbeauftragter Hamburgs ab: »Nach über vier intensiven Jahren werde ich meine Tätigkeit als Beauftragter für jüdisches Leben und die Bekämpfung und Prävention von Antisemitismus zum Jahresende beenden«, teilte er am Mittwoch vergangener Woche mit.

»Die ständige Konfrontation mit Hass, Hetze und antisemitischen Übergriffen und Bedrohungen – besonders seit dem 7. Oktober 2023 – sowie der enorme zeitliche Aufwand dieses Ehrenamts haben mich zu diesem Schritt bewegt.« Am Abend des 25. Mai war Hensel mit seiner Tochter im Auto unterwegs, sie sangen ein Lied auf Hebräisch mit, als ihn ein Mann aus einem Lieferwagen heraus durch das offene Fenster lautstark als »Kindermörder« und »Scheiß-Israeli« beschimpfte. Später versuchte der Angreifer nach Polizeiangaben, Hensel mit seinem kleineren Wagen von der Straße abzudrängen.

Hensel initiierte die deutschlandweit ­erste Studie über Antisemitismus aus Betroffenenperspektive. 

Im vergangenen November hatte der rot-grüne Senat ihn noch für eine ­zweite Amtszeit bestätigt, trotz Einwänden des liberalen Teils der jüdischen Gemeinde Hamburgs. Hensel versicherte, laufende Projekte wie die Bildungsreisen nach Israel und Polen oder den Projekttag »Wir müssen reden« weiter zu betreuen. Er war im Juli 2021 ernannt worden, »um die Bekämpfung von Antisemitismus in der Stadt weiter zu stärken«; Hamburg hatte damals als eines der letzten Bundesländer eine solche Stelle eingerichtet.

Hensel initiierte die deutschlandweit ­erste Studie über Antisemitismus aus Betroffenenperspektive. Durch den Fokus auf die jüdische Wahrnehmung von Antisemitismus bezeugte die Dunkelfeldstudie »Jüdisches Leben und Alltag in Hamburg« einen erschütternd weitverbreiteten Antisemitismus.

Die Resonanz auf die Studie war ernüchternd: Kaum offi­ziell vorgestellt, im Juli 2024, war sie in der Stadtgesellschaft auch schon wieder kein Thema mehr und verpuffte folgenlos. Als elf Monate später der Antisemitismusbeauftragte selbst Opfer des alltäglichen Antisemitismus wurde, verurteilten alle in der Hamburgischen Bürgerschaft vertretenen Parteien, Senat und Bürgermeister umgehend den Angriff.