16.10.2025
Antizionismus in der österreichischen Studierendenvertretung

Kräuterkunde und Judenhass

Die verfasste Studierendenschaft Österreichs, insbesondere deren sozial­demokratische Fraktion, richtet sich immer stärker antizionistisch aus. Das ist für jüdische Studierende besonders bitter in einem Land, in dem die studentische Vertretung großen Einfluss auf die Hochschul­politik besitzt.

Wien. Als am Mittwoch vergangener Woche etwa 65 Personen, darunter ein Teilnehmer mit rotem Hamas-Dreieck auf seinem T-Shirt, die drei Haupteingänge der Universität Wien blockierten und die »Intifada« forderten, war das für die größte Fraktion der Österreichischen Hochschüler:innenvertretung (ÖH), den Verband Sozialistischer Student:innen Österreichs (VSStÖ), kein Grund zur Kritik. Vielmehr sah er sich dazu veranlasst, den Protestierenden noch am selben Tag in den sozialen Medien seine Solidarität auszusprechen.

In seiner Stellungnahme warf der VSStÖ dem Rektorat der Universität Wien vor, die Studierenden polizeilicher Repression ausgesetzt zu haben, weil es eine Räumung veranlasst hatte. Bei der nicht angemeldeten Kundgebung war ein Großaufgebot der Polizei im Einsatz. 73 Personen wurden wegen Verstoßes gegen das Verwaltungsstrafgesetz angezeigt, 27 vorübergehend festgenommen. Zudem machte sich der VSStÖ nachträglich mit der Forderung der Protestierenden gemein, die Universität Wien solle die Kooperation mit der Hebrew University of Jerusalem aufkündigen.

Im Frühjahr beschloss der Verband Sozialistischer Student:innen Öster­reich auf Basis einer Falsch­meldung, die Interessen­vertretung der jüdischen Studierenden zu boykottieren.

Im Vergleich zu Deutschland kommt der Studierendenvertretung in der österreichischen Hochschulpolitik eine weitaus bedeutendere Rolle zu. Als republikweit agierende verfasste Studierendenschaft ist sie die gesetzliche und verpflichtende Vertretung aller österreichischen Studierenden. Sie verfügt über einen mehrere Millionen Euro umfassenden Jahresetat und besitzt großen Einfluss auf die Leitungen der Universitäten und die Debatten auf dem Campus.

Kritik an der Haltung des VSStÖ kam einzig von der Vertretung der Jüdischen Österreichischen Hoch­schüler:in­nen (JÖH): »Als gewählte Vertretung jüdischer Studierender in Österreich sind wir alarmiert, wenn uns vor der Haupt­universität mit Hamas-Dreiecken und Intifada-Rufen der Zugang versperrt wird. Besonders enttäuscht sind wir dabei vom VSStÖ Uni Wien, der als ÖH-Vorsitz diesem demagogischen Protest online die ›volle Solidarität‹ bekundet«, sagten Lia Guttmann und Milli Li Rabinovici, die Co-Präsidentinnen der JÖH.

Es ist nicht das erste mal, dass sich die sozialdemokratische Fraktion in der ÖH mit jüdischen Studierenden entsolidarisiert und ihren immer heftigeren Antizionismus unter Beweis stellt. Im Frühjahr hatte der VSStÖ auf Basis einer Falschmeldung kurzerhand beschlossen, die demokratisch gewählte Interessenvertretung jüdischer Studierender in Österreich zu boykottieren. Die Entscheidung folgte auf Zuruf von Organisator:in­nen des Intifada-Camps an der Universität Wien. Diese behaupten in einem Posting, welches die JÖH als »Lobby der Zionistischen Entität« diffamiert, es seien in einer von den jüdischen Studierenden moderierten Chatgruppe rassistische Aussagen gefallen, ohne dass dies Konsequenzen nach sich gezogen hätte.

Klärungsgespräche mit der JÖH

Der VSStÖ teilte daraufhin der Vertretung der jüdischen Studierenden mit, bis auf Weiteres keine ihrer Veranstaltungen mehr bewerben zu wollen, was auch die zu diesem Zeitpunkt geplante Diskussionsveranstaltung der JÖH mit dem Hamas-Kritiker Hamza Howidy betraf. Zudem stelle man die Zusammenarbeit insgesamt in Frage. Auf den Hinweis, dass die fraglichen Äußerungen von Mitgliedern einer öffentlichen Gruppe vom damaligen JÖH-Vorsitz im Chat zurückgewiesen und gelöscht worden waren, reagierte der VSStÖ nicht. Mittlerweile hat der VSStÖ seine Blockadehaltung etwas gelockert und führt Klärungsgespräche mit der JÖH.

Unabhängig davon bedeutet derlei Verhalten für die JÖH und die von ihr vertretenen Studierenden, dass eine normale, das heißt gleichberechtigte und angstfreie Teilhabe am universitären Geschehen nur sehr eingeschränkt möglich ist. Wie dies mit den Grundwerten der sozialdemokratischen Studierenden zusammengeht, in denen es heißt, man stehe für einen »vollwertigen Zugang zu Bildung« und eine »universelle Freiheit für alle Menschen« ein, bleibt ungeklärt.

Über »Kräuterkunde und Räuchern« zu »innerer Kraft«

Da verwundert es nicht, dass die von der ÖH organisierten Kritischen Einführungstage, die derzeit stattfinden, das Thema Antisemitismus komplett aussparen. Die Prioritäten liegen offenbar anderswo. So finanziert und organisiert die ÖH beispielsweise am 11. Oktober einen Workshop unter dem Titel »Naturverwurzelt«, der den Teil­nehme­r:in­nen verspricht, über »Kräuterkunde und Räuchern« zu »innerer Kraft« zu kommen.

Einer Recherche von »Kommunistischer Studierendenverband – Linke Liste« zufolge greift die Referentin des Workshops auf homöopathische beziehungsweise wissenschaftsfeindliche Methoden zurück und hat sich beim Verein »Freunde naturgemäßer Lebensweise« ausbilden lassen. Gegründet hat diesen das 2021 verstorbene FPÖ-Mitglied Ignaz Schlifni, auf den sich der Verein immer noch beruft.