Homestory #42/2025
Im hiesigen Journalismus gibt es ein Thema, das mit unheimlicher Regelmäßigkeit immer wieder beackert wird: die Antideutschen. Traditionell sind es vor allem die Blätter, die im Ostteil Berlins herausgegeben werden, die ziemlich genau etwa einmal im Jahr debattieren lassen, ob diese ominösen Antideutschen nun wirklich links seien oder nicht, ob Kritik an Israel wirklich antisemitisch sei – alles Fragen, die schon so oft von entsprechenden Leuten durchgekaut wurden, dass man sich fragt, ob die sich nicht mittlerweile selbst langweilen.
Bisweilen aber wird es märchenhaft. Kaum übertroffen ist bis heute ein Text aus der Zeit von 2017, in dem Mohamed Amjahid sich über angebliche Antideutsche mokierte, die gern zu McDonald’s gehen und dort angeblich, wer hat’s nicht auch schon mal selbst gemacht, »mit dünnen Fritten das Victoryzeichen« formen.
Ob Scooter unter Antideutschen beliebt ist oder eher doch nicht, konnte bis Redaktionsschluss übrigens nicht zweifelsfrei geklärt werden.
Zuletzt hat ein Stefan Mey Ende September in der Taz in biederster Manier verkündet: »Wir müssen über Antideutsche reden.« Besonders witzig: In dem Taz-Kommentar wird verwiesen auf den Text »Stickern gegen Deutschland« von Michael Sappir, der im Online-Magazin The Diasporist erschien. Wer sich in den zweifelhaften Gegenden des Internet eher nicht herumtreibt: The Diasporist ist die am besten aussehende jener Websites, die sich darauf spezialisiert haben, Israel so ziemlich jede Bösartigkeit vorzuwerfen, die man sich zusammenphantasieren kann.
Sappir stört sich an Stickern, die er in Leipzig und Berlin gesehen und penibel dokumentiert hat, was ein wenig an einen zeternden Rentner denken lässt, der der Stadteinigung Briefe schreibt, um sie darauf aufmerksam zu machen, wo noch geputzt werden muss. Beispielsweise echauffiert er sich über einen Aufkleber, der Asterix und Obelix zeigt, die einen römischen Soldaten aus seinen Sandalen befördern, garniert mit dem Spruch: »Antisemiten die Fresse polieren!«
Auch stößt ihm ein anderer Sticker auf, für den ein Foto einer Menschengruppe, die eine Palästina-Flagge trägt, manipuliert wurde: Die Flagge wurde gegen die Israels ausgetauscht, auf die Köpfe der Leute wurde jeweils das Konterfei von H. P. Baxxter montiert, darunter die Zeile: »Antiimps wegscootern«.
Sappir weiß zu berichten, der Sticker würden propalästinensische Militante als »reaktionäre Bedrohung« und »eine beliebte Musikgruppe der antideutschen Szene als lustige Waffe gegen sie« darstellen. Doch etwas lustig zu finden, fällt Michael Sappir offensichtlich prinzipiell schwer. Ob Scooter nun unter Antideutschen beliebt ist oder eher doch nicht, konnte bis Redaktionsschluss übrigens nicht zweifelsfrei geklärt werden.
Was soll man denn sonst sein?
Klar ist den Redakteurinnen und Redakteuren Ihrer Lieblingszeitung allerdings, dass Sappir einige der schönsten Sticker vergessen hat: Da wäre zum Beispiel der, der Wladimir Putin, Bashar al-Assad und Ali Khamenei zusammen zeigt, darüber und darunter steht: »Kill Together, Die Together«.
Auch hübsch: ein Poster, das vor einiger Zeit im Hamburger Schanzenviertel gesehen wurde und die Punksängerin Siouxsie Sioux mit einem Shirt zeigt, auf dem ein Davidstern aufgedruckt ist, dazu die Zeile: »Fight Hamas«.
Doch der wohl beste Spruch, der es soweit bekannt nie auf einen Sticker geschafft hat und diese immer wieder aufflackernde lästige Debatte eigentlich ein für allemal beenden könnte, stammt vom geschätzten Stephan Grigat, der einmal in einer Diskussion sagte, die einzige Antwort auf die Frage, ob man antideutsch sei, könne nur die Gegenfrage sein: »Was soll man denn eigentlich sonst sein, prodeutsch?«