16.10.2025
Johanna Schell­hagen, Labournet TV, im Gespräch über mediale Streikunterstützung

»Ein Bildergedächtnis der Klassenkämpfe«

Die Organisation Labournet TV stellt internationale Filme über ­Arbeitskonflikte zur Verfügung und produziert auch selbst welche. Die »Jungle World« sprach mit Johanna Schellhagen, die für Labournet TV Videos und Dokumentarfilme dreht, produziert und schneidet, über das Filmarchiv und die Arbeit im Produktionskollektiv.

Was macht Labournet TV?
Wir unterstützen Arbeitskämpfe mit Videos. Das hat viele Facetten. Wir dokumentieren zum Beispiel Streiks mit der Kamera und veröffentlichen diese Videos. Das machen wir, um den Streiks mehr öffentliche Sichtbarkeit zu geben, aber manchmal sind sie auch für die interne Diskussion unter den Kolleg:innen gedacht. Wir interviewen vor allem die Arbeiter:innen selbst, weil sie am besten Bescheid wissen und weil das, was sie zu sagen haben, am interessantesten ist.
Wir sammeln aber auch Filme und Videos, die wir nicht selber produziert haben, und stellen sie auf labournet.tv kostenlos und mit Untertiteln zur Verfügung. Unser Ziel ist es, ein historisches Bildergedächtnis der Klassenkämpfe in den verschiedenen Ländern aufzubauen. Bisher haben wir 903 Filme aus 69 Ländern gesammelt.
Drittens produzieren wir alle paar Jahre einen abendfüllenden Dokumentarfilm, der auch in Programmkinos läuft. Das machen wir, wenn wir denken, dass es wirklich wichtig wäre, etwas zu dokumentieren. 2015 haben wir zum Beispiel »Die Angst wegschmeißen« gedreht, über eine Welle extrem erfolgreicher Streiks migrantischer Logistikarbeiter in Italien.

In dem Film »Luft zum Atmen« aus dem Jahr 2019 geht es zum Beispiel um die »Gruppe oppositioneller Gewerkschafter« bei Opel in Bochum, eine Gruppe linker Arbeiter, die dort 40 Jahre lang aktiv war. Ist das eine typische Labournet-Produktion?
»Luft zum Atmen« war einerseits eine untypische Produktion, weil die Gruppe auf uns zugekommen ist, es also ein Auftragswerk war – wenn man mal davon absieht, dass wir die Finanzierung dafür selber aus dem Boden stampfen mussten. Aber der Film ist sehr typisch, weil es um selbstorganisierten Widerstand im Betrieb geht, genau unser Thema. Es war ein Glücksfall, weil diese Genossen in den über 40 Jahren Betriebsintervention sehr viel gelernt haben und das alles in dem Film an die jüngere Generation weitergeben konnten.

»Wir brauchen 100 neue Fördermitglieder, die insgesamt 1.500 Euro im Monat spenden, sonst können wir unsere Arbeit 2026 nicht fortsetzen.«

Wie finanziert sich Labournet TV?
Wir finanzieren uns vor allem über unsere derzeit 140 Fördermitglieder, die zusammen 2.000 Euro im Monat spenden. Dazu kommen Projektförderungen. Die Stiftung Menschenwürde und Arbeitswelt hat unsere neue Website zu einem großen Teil finanziert. Wenn wir größere Filme machen, starten wir ein Crowdfunding. Es fließt außerdem sehr viel ehrenamtliche Arbeit in Labournet TV.

Gerade haben Sie einen Aufruf gestartet, Fördermitglied zu werden. Gab es dafür einen Anlass?
Ja, weil bestimmte Kulturförderungen weggefallen sind, haben wir seit diesem Jahr eine große Finanzierungslücke. Wir brauchen 100 neue Fördermitglieder, die insgesamt 1.500 Euro im Monat spenden, sonst können wir unsere Arbeit 2026 nicht fortsetzen. Das wäre sehr traurig, weil wir jetzt nach 14 Jahren ein Level erreicht haben, wo uns die Arbeit gut von der Hand geht, wo wir viele Kontakte zu Belegschaften und Aktivist:innen haben und deshalb viel bewirken können. Seit es die neue Website gibt, haben sich viele neue Freiwillige gemeldet, die sich einbringen und teilweise schon selber Videos produzieren. Eigentlich sieht es also gerade gut aus, aber eine Mindestfinanzierung von 3.500 Euro pro Monat brauchen wir einfach. Man kann ein Projekt wie Labournet TV nicht rein ehrenamtlich stemmen.