16.10.2025
Primaten und Alkohol

O’zapft is

Eine kürzlich erschienene Studie beschäftigt sich mit dem Lieblingslaster der Menschheit und ihrer Primatenverwandtschaft, dem Alkoholkonsum.

»Kommt ein Schimpanse in die Kneipe … « Vielleicht ist es nur den rigiden Gepflogenheiten des wissenschaftlichen Publizierens zu verdanken, dass ein jüngst in der Fachzeitschrift Science Advances erschienener Bericht nicht mit diesen Worten beginnt.

Die Forscher:innen, die die Ernährungsgewohnheiten wilder Schimpansen in Côte d’Ivoire und Uganda beobachteten, kommen in ihrer Arbeit zu dem Schluss, dass die Menschenaffen durch den Konsum vergorener Früchte täglich rund 14 Gramm der berauschenden Substanz zu sich nehmen.

Dennoch war die mediale Aufmerksamkeit groß, beschäftigt sich die Studie unter dem irreführend nüchternen Titel »Ethanol ingestion via frugivory in wild chimpanzees« (Einnahme von Ethanol durch Fruchtverzehr bei wilden Schimpansen) doch mit einem Lieblingslaster der Menschheit und ihrer Primatenverwandtschaft, nämlich dem Alkohol.

Die Forscher:innen, die die Ernährungsgewohnheiten wilder Schimpansen in Côte d’Ivoire und Uganda beobachteten, kommen in ihrer Arbeit zu dem Schluss, dass die Menschenaffen durch den Konsum vergorener Früchte täglich rund 14 Gramm der berauschenden Substanz zu sich nehmen. Auf ihr Körpergewicht gerechnet entspricht das einer Menge, die ein Mensch nach ­einem pint Bier intus hat, also etwas mehr als einem halben Liter.

Für einen Vollrausch reicht das eher nicht, zumal der Konsum sich über den ganzen Tag verteilt. Unklar ist auch, ob die Tiere sich gezielt einen antüdern oder das Zellgift notgedrungen in Kauf nehmen, weil man im Dschungel nun mal nicht wählerisch sein darf, wenn man nicht verhungern will.

Entscheidung für den härteren Stoff

Hinweise liefert allerdings die entferntere Verwandtschaft: Loris, die nahe an der Basis des Primatenstammbaums angesiedelt sind, ernähren sich außer von Früchten auch von Nektar und zuckrigen Pflanzensäften, die unter tropischen Bedingungen ebenfalls leicht vergären. In Laborexperimenten, in denen die Tiere die Wahl zwischen verschiedenen Drinks mit einem Alkoholgehalt von null bis fünf Prozent hatten, entschieden sie sich durchgängig für den härteren Stoff.

All das untermauert die These, dass die verhängnisvolle Affinität der Menschheit zu der Substanz mit der chemischen Formel C2H5OH tiefe ­evolutionäre Wurzeln hat. Dies könnte sich vor rund zehn Millionen Jahren noch verstärkt haben: Zu dieser Zeit verlegten die gemeinsamen Vorfahren von Gorillas, Schimpansen und Menschen ihr Leben allmählich von den Bäumen auf den Boden und waren mehr als zuvor auf gärendes Fallobst angewiesen. Interessanterweise führte zu dieser Zeit eine Genmutation dazu, dass diese frühen Homininen Alkohol 20mal besser verstoffwechseln konnten als andere Primaten.

Ein Freibrief für ungehemmtes Saufen ist die Theorie vom betrunkenen Affen allerdings nicht. Auch die Vorliebe für andere ungesunde Dinge wie Fett oder Zucker hat sich im Lauf von Evolution und Kulturgeschichte ja vom Überlebensvorteil zum Gesundheitsrisiko entwickelt, und überhaupt bedeutet »natürlich« nicht automatisch »gesund«. Was gewisse Food-Influencer aber wohl nicht davon abhalten wird, demnächst beschwipste Schimpansen als Argument dafür anzuführen, warum neben Bergen von Fleisch auch die Maß Bier zu einer zünftigen Paläodiät gehört.