Jungle+ Artikel 23.10.2025
Eine verdrängte Person in der Geschichte der »Frankfurter Rundschau«

Dann druck die Legende!

Die »Frankfurter Rundschau« beruft sich stolz auf ihre lange Geschichte und ihren antifaschistischen Markenkern. Doch zum achtzigsten Jahres­tag der Zeitungsgründung kommt eine totgeschwiegene Episode wieder ans Licht: In den fünfziger Jahren drängte der Herausgeber Karl Gerold den Antifaschisten Karl Anders aus der Zeitung.

Zum Niedergang der Demokratie gehört das klägliche Versinken der bürgerlich-liberalen bis linksliberalen Presse, die zwar, beim heiligen Karl Kraus, nie die heroisch-kritische Intelligenz besaß, die sie sich selbst zuschrieb, aber doch irgendwie als »vierte Macht« in der Gewaltenteilung funktionierte. Noch ein bisschen kläglicher ist, wie das Versinken geleugnet wird, und am kläglichsten ist, es sich mit der eigenen Legende gemütlich zu machen.

Am 1. August ist die Frankfurter Rundschau 80 Jahre alt geworden. Die glorreichen Tage sind vorbei, das einst über 1.500 Köpfe zählende Personal auf einen verschwindenden Bruchteil davon geschrumpft, die Eigentümer haben so oft gewechselt, dass heute alles mehr Nostalgie als ­Inhalt ist, nur noch eine Hülle, die dem Medienkonzern Ippen gehört, wo man, wie es der ehemalige Redakteur und Betriebsrat Claus-Jürgen Göpfert einmal im Hessischen Rundfunk vorsichtig ausdrückte, »eine sehr kri­tische Haltung gegenüber einer organisierten Arbeitnehmerschaft« pflegt.

Die verbliebenen Redakteure schreiben Texte »­medienneutral«, ein Euphemismus für die Vielfachverwertung in anderen »Mänteln« und Formaten. Autor und Medium haben ihre enge Bindung aneinander verloren. Einst übernahm der Verlag der Frankfurter Rundschau, um zu überleben, Druckaufträge für die Springer-Presse, jetzt produziert die Zeitung verkäuflichen content.

Der große »Blattmacher« Karl Gerold, langjähriger Chefredakteur und bis zu seinem Tod 1973 Herausgeber der »Frankfurter Rundschau«, wird zum Gottvater des Hauses hochstilisiert.

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