23.10.2025
Geraldine Rauch, die Präsidentin der TU Berlin, mokiert sich über von Islamismus Betroffene

Aktivistische Hochschulleitung

Die Präsidentin der Technischen Universität Berlin, Geraldine Rauch, kritisierte den AStA ihrer Hochschule für eine Veranstaltung zum Thema Islamismus. Gegen antiisraelische Hetze an der TU tut sie hingegen nichts.

Wie an vielen Universitäten veranstaltet auch der AStA der Technischen Universität (TU) Berlin zu Beginn des Wintersemesters kritische Orientierungswochen. Es gab Diskussionen über die Kürzungen des Landes Berlin im Hochschulbereich, Informationen über BAföG und alternative Studienfinanzierung. Ein Vortrag über »Neonazis und rechte Jugendarbeit in Berlin und Ostdeutschland« musste auf den 4. November verschoben werden.

Normalerweise mischt sich die Hochschulleitung nicht in die Arbeit der Studentenvertreter ein; auch auf Veranstaltungen wird normalerweise kein Einfluss genommen. Doch was ist schon normal, wenn die Präsidentin Geraldine Rauch heißt? Nur mit knapper Not konnte sie sich im vergangenen Jahr im Amt halten, nachdem sie mit ihrem X-Account einen Tweet mit antisemitischer Bildsprache gelikt hatte.

»Wenn Geraldine Rauch unsere Texte gelesen und verstanden hätte, könnte sie nicht behaupten, dass die Aussagen islamfeindlich sind.« Maria Kireenko, von der jüdisch-kurdischen Frauenallianz Pek Koach

Als der AStA im Rahmen der Orientierungswochen die Veranstaltung »Speak Now: Stimmen gegen den Islamismus« mit der jüdisch-kurdischen Frauenallianz Pek Koach ankündigte, regte sich Widerstand. Die Gruppe Not in Our Name TU warf Pek Koach auf Instagram vor, in der gleichnamigen Broschüre unterschiedlichste Formen des »politischen Islams« und »islamische Prinzipien« als Bedrohung darzustellen. Die Veranstaltung würde »islamfeindliche Rhetorik« und »antipalästinensische Haltung« auf dem Campus der TU normalisieren und fördern.

Dem Posting gingen Mails voraus: »Der AStA informierte uns«, teilte Maria Kireenko von Pek Koach der Jungle World mit, »dass er einige Mails mit immer demselben Inhalt erhalten hatte, in denen uns vorgeworfen wurde, eine islamfeindliche Rhetorik und antipalästinensische Haltung zu vertreten. Es waren dieselben Vorwürfe, die später auch von der Gruppe Not in Our Name TU veröffentlicht wurden.«

Auch die Präsidentin der TU, Geraldine Rauch, erreichten die Mails. Statt sie zu ignorieren, griff sie ein. Mit den Herausgeberinnen der Broschüre suchte sie vorher jedoch nicht das Gespräch. »Rauch hat dem AStA geschrieben, dass Personen und Gruppen ihre Bedenken über unseren Vortrag geäußert hätten und dass sie die Sorge habe, wir würden antimuslimische Ressentiments schüren. Das weisen wir natürlich zurück, denn es stimmt einfach nicht«, so Kireenko.

»Bei islamfeindlichen Äußerungen einschreiten«

Zwar hatte Rauch die Veranstaltung nicht verboten, allerdings betont, diese, »wenn sie denn wirklich stattfindet, eng zu monitoren und bei islamfeindlichen Äußerungen einzuschreiten«, zitierte die Welt Rauchs Mail an die Studentenvertretung. Neben der Präsidentin unterschrieb demnach außerdem Mohammad Sarhangi, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum für Antisemitismusforschung, die Nachricht.

Pek Koach erinnert in ihrer Broschüre, die Grundlage für den Vortrag war, an die islamistische Gewalt gegen Griechen zur Zeit des Osmanischen Reiches, an den langen Arm des türkischen Rechtsextremismus in Deutschland und an islamistische Gewalt gegen Israel. Dabei geht es dem Verein vor allem darum, die Betroffenenperspektive abzubilden. »Nie wieder«, so kann man in dem Text von Constantin Ganß, Vizepräsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, lesen, »muss heißen, Jüd:innen zuzuhören und ihre Ängste ernst zu nehmen, weniger abgedroschene Phrasen in den Raum zu werfen, sondern mehr konkrete Taten zu zeigen. Es muss heißen, gegen das iranische Regime und die Hamas aufzustehen und solidarisch mit Israel zu sein.«

Bekannte Autorinnen wie Rebecca Schönenbach und Ninve Ermagan schreiben über »Die Entrechtung der Frau als islamistisches Kernanliegen« und »Assyrer:innen im Fadenkreuz des Islamismus: Eine bedrohte Minderheit«. Was daran islamfeindlich sein soll, kann Kireenko nicht nachvollziehen: »Wenn Geraldine Rauch unsere Texte gelesen und verstanden hätte, könnte sie nicht behaupten, dass die Aussagen islamfeindlich sind. Wir machen unsere Arbeit, und wir sind betroffen von Islamismus. Uns dann vorzuwerfen, Ressentiments zu schüren, ist absolut daneben. Was ich gut finde, ist, dass der AStA da nicht eingeknickt ist.«

Kufiya um den Kopf gewickelt

Auch die Kurdische Gemeinde Deutschlands (KGD) war von Rauchs Intervention irritiert. In einer Stellungnahme schrieb ihr Vorsitzender Ali Ertan Toprak, der politische Islam sei keine Randerscheinung, sondern eine reale Bedrohung für die Demokratie. »Die Aufklärung über diese Gefahr ist nicht ›islamfeindlich‹, sondern Ausdruck demokratischer Verantwortung und Solidarität mit denjenigen, die sich mutig gegen religiösen Extremismus stellen.« Als Konsequenz fordert Toprak den Rücktritt der Präsidentin.

Die Veranstaltung fand trotz Protesten statt. Störungen gab es laut Kireenko keine. Ihr war lediglich eine Gruppe aufgefallen, die geschlossen FFP2-Masken trug. »Eine Frau hatte eine Kufiya um den Kopf gewickelt. Sie haben sich in eine Ecke gesetzt und getuschelt. Als ich – als Beispiel für antisemitische Gewalt – davon erzählte, dass einem jüdischen Studenten der FU, Lahav Shapira, die Gesichtsknochen gebrochen wurden, haben sie gelacht.«

Not in Our Name TU rief Recherchen des Journalisten Gerrit Sebald zufolge zu einer Demonstration auf, in deren Aufruf der 7. Oktober 2023 als »Leuchtfeuer der revolutionären Hoffnung« bezeichnet wurde.

Not in Our Name TU – das sollte Geraldine Rauch als Universitätspräsidentin eigentlich wissen – ist nicht allein damit beschäftigt zu verhindern, dass Islamismus als Bedrohung wahrgenommen werden könnte. Die Gruppe rief Recherchen des Journalisten Gerrit Sebald zufolge zu einer Demonstration auf, in deren Aufruf der 7. Oktober 2023 – der Tag, an dem die Hamas fast 1.200 Juden ermordete und Hunderte Geiseln nahm – als »Leuchtfeuer der revolutionären Hoffnung« bezeichnet wurde.

Noch bis Ende Oktober veranstaltet Not in Our Name TU an der Hochschule die »Palestine Days«, um ein »Stück Palästina auf den Campus (zu) bringen – um palästinensische Kultur sichtbar zu machen«. In einem Aufruf zu einer Kundgebung auf dem Universitätsgelände anlässlich der »Palestine Days« war von einem Völkermord Israels an den Palästinensern die Rede. Ob Rauch sich auch bei diesen Veranstaltungen dafür eingesetzt hat, dass potentiell israelfeindliche und antisemitische Ressentiments dokumentiert werden, ist nicht bekannt. Eine Anfrage der Jungle World ließ die Universitätsleitung bis Redaktionsschluss unbeantwortet.

Pek Koach wird sich jedenfalls von den Vorfällen an der TU nicht irritieren lassen und ihren Vortrag auch an anderen Universitäten halten.