Generation »Groyper«
»Wenn dieser Gruppenchat jemals geleakt werden sollte, wären wir dran, aber echt«, heißt es in einer der Nachrichten. Doch rund ein Dutzend führende Mitglieder der Young Republicans, des Verbands der Republikanischen Partei für 18- bis 40jährige, schrieben fleißig weiter.
2.900 Seiten umfassten die Auszüge des Chats schließlich, die Politico zugespielt wurden. Republikaner aus mehreren Bundesstaaten hatten sich in dem Chat vernetzt – und Hunderte von rassistischen, antisemitischen, homophoben, misogynen und anderweitig menschenverachtenden Nachrichten ausgetauscht.
»Wunderbar, ich liebe Hitler«
Viele der Äußerungen sollen wohl witzig gemeint sein. »Wer mit nein stimmt, kommt in die Gaskammer«, schrieb beispielsweise Peter Giunta, damals Vorsitzender der Young Republicans im Bundesstaat New York. Ein anderer antwortete auf die Ankündigung eines Co-Vorsitzenden aus Michigan, dass seine Delegierten für »den am weitesten rechten Kandidaten stimmen« würden: »Wunderbar, ich liebe Hitler.«
Kurz darauf veröffentlichte Politico rassistische Nachrichten des 31jährigen Republikaners Paul Ingrassia, den Trump für die Leitung des Office of Special Counsel nominiert hatte, eine Bundesbehörde, die für den Schutz der Rechte von Bediensteten im öffentlichen Dienst zuständig ist. Die Zustimmung des Senats für seinen Amtsantritt zu bekommen, dürfte für Ingrassia nun fast unmöglich sein.
Auch mehrere der Young Republicans verloren ihre Ämter, die Partei im Bundesstaat New York entzog ihrer Jugendorganisation sogar erst mal ganz die Genehmigung zur weiteren Parteiarbeit. Nur von ganz oben kamen andere Töne: Vizepräsident J. D. Vance sagte, er weigere sich, bei der »scheinheiligen Empörung« darüber mitzumachen, was »ein paar junge Leute, ein paar kids in einem Gruppenchat schreiben«. Dass Demokraten zu politischer Gewalt aufrufen, sei schlimmer.
Was früher mal Alt-Right hieß, diese rechtsextreme Internetkultur, die vor der ersten Amtszeit Donald Trumps nur den Besuchern abseitiger message boards und Neonazi-Foren bekannt war, ist längst etwas viel Diffuseres und Alltägliches geworden.
Tatsächlich ist das Verstörende an den Gruppenchats weniger ihr Inhalt, sondern wie banal er erscheint. Jeden Tag kann man ähnliche Posts massenhaft öffentlich auf X oder den einschlägigen Plattformen lesen. Für viele junge Erwachsene gehören rassistische Memes und für normies oft unverständliche rechtsextreme Insiderwitze quasi zum Alltag. Was früher mal Alt-Right hieß, diese rechtsextreme Internetkultur, die vor der ersten Amtszeit Donald Trumps nur den Besuchern abseitiger message boards und Neonazi-Foren bekannt war, ist längst etwas viel Diffuseres und Alltägliches geworden, unterstützt durch Personen wie Elon Musk, der auf seiner Plattform X auch offenen Antisemitismus und Rassenideologie zulässt.
Der Autor John Ganz nannte Anfang des Jahres die Ausbreitung der extremen Rechten in Zeiten der unkontrollierten sozialen Medien »Groyperisierung«, in Anspielung auf die Anhänger des Neonazis Nick Fuentes, die sich Groyper nennen. Während Journalisten immer noch fasziniert von intellektuellen Stichwortgebern wie dem Blogger Curtis Yarvin seien (denn dieser benutzt Begriffe, die man aus dem Feuilleton kennt), sei das eigentliche prägende Milieu der jungen Rechtsextremen eben jene Online-Kultur in der sie sich alltäglich »in Gruppenchats, ihren Social-Media-Timelines, in Discord-Chats« bewegen.
Der genannte Neonazi Nick Fuentes ist das wohl bekannteste Gesicht dieser sonst größtenteils anonymen Internetbewegung. Der 27jährige schreibt keine Bücher oder pseudointellektuelle Traktate, sondern tritt in seiner Videoshow wie ein Entertainer auf, wie ein Streamer eben – nur einer, der die vermeintliche Macht der Juden als das größte Problem der USA ansieht und einen christlich-autoritären weißen Ethno-Staat anstrebt.
Antisemitismus und Feindschaft zu Israel
Weil er damit dem Zeitgeist entspricht und im Internet sich letztlich alles durchsetzt, was, und sei es aus Empörung, Aufsehen erregt, tut er das derzeit mit einigem Erfolg. Der postlinke Querfront-Podcast »Red Scare« nahm kürzlich ein freundschaftliches Gespräch mit ihm auf und die New York Times widmete ihm ein langes Porträt.
Es sind vor allem Antisemitismus und die Feindschaft zu Israel, mit denen Fuentes und seine Anhänger versuchen, die Republikanische Partei zu spalten. Systematisch setzten sie damit etwa den kürzlich ermordeten Influencer Charlie Kirk unter Druck und zwangen ihn, sich immer wieder öffentlich für seine Unterstützung Israels zu rechtfertigen. Waren lange vor allem Anhänger der Demokraten israelfeindlich eingestellt, zeigen Umfragen, dass mittlerweile die Hälfte aller Republikaner unter 50 Israel negativ sehen.
Einige prominente Unterstützer Donald Trumps zeigen sich mittlerweile besorgt darüber, wie verbreitet extremistische Ansichten in der jüngeren Generation ihres politischen Lagers geworden sind. Die geleakten Gruppenchats seien »nur die Spitze eines ziemlich üblen Eisbergs«, schreib beispielsweise der konservative Autor James Lindsay auf X.