Bedürfnis nach Chaos
Hektische Vorbereitungen, um noch rechtzeitig Papiere zu erstellen, intensive Debatten über Ziele und Maßnahmen oder wenigstens ein paar Sonntagsreden – man sollte erwarten, dass die UN-Klimakonferenz COP 30, die am 10. November in der brasilianische Stadt Belém beginnt, ihren Schatten vorauswirft. Doch die mediale Aufmerksamkeit hält sich in Grenzen, das öffentliche Interesse scheint dürftig.
Vor zehn Jahren vereinbarte die »internationale Gemeinschaft« im Pariser Abkommen, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Epoche zu begrenzen. Im vergangenen Jahr lag die globale Durchschnittstemperatur 1,55 Grad über diesem Niveau. Fällig sind in Belém auch Neuauflagen der alle fünf Jahre erstellten nationalen Klimapläne (Nationally Determined Contributions) für den Ausstieg aus fossilen Energien. Sie müssten eigentlich unter dem Motto »Ups, jetzt müssen wir uns aber wirklich mal beeilen« stehen. Denn bleibt es bei den bis Mitte 2024 vorgelegten Selbstverpflichtungen, wird eine durchschnittliche globale Erwärmung um 2,6 bis 3,1 Grad bis Ende des Jahrhunderts prognostiziert.
Geringen Erwartungen an die Weltklimakonferenz
Doch die Erwartungen an die Weltklimakonferenz sind geringer denn je. Bereits bei COP 29 in Aserbaidschan war es nicht gelungen, nennenswerte Fortschritte zu erzielen, vor allem wegen der Blockadehaltung vom Export fossiler Brennstoffe abhängiger Staaten. Nun ist Donald Trump Präsident der USA, der im April ein Dekret mit dem Titel »Die Wiederbelebung der schönen sauberen Kohleindustrie Amerikas« erließ. Manche Leute wollen die Welt einfach nur brennen sehen.
Und es sind ihrer gar nicht so wenige. Eine von dem Politologen Michael Bang Petersen geleitete Forschungsgruppe fand 2023 heraus, dass knapp ein Drittel der US-Bevölkerung ein »Bedürfnis nach Chaos« habe, sie bejahten Fragen wie »Ich brauche Chaos um mich herum – es ist zu langweilig, wenn nichts passiert« und »Wenn ich an unsere politischen und sozialen Institutionen denke, kann ich nicht anders, als zu denken: ›Lasst sie doch einfach alle verbrennen.‹«
Die Klimabewegung ist überwiegend auf antizionistischen Irrwegen unterwegs und es ist bestenfalls eine vage Hoffnung, dass eine Deeskalation im israelisch-palästinensischen Konflikt daran etwas ändert.
Dieser Anteil mag in anderen westlichen Staaten noch etwas niedriger liegen, aber die bockige deutsche Liebe zum Verbrennungsmotor weist durchaus in die gleiche Richtung. Tatsächlich ist die Sabotage der Klimapolitik der sicherste Weg zu einer »Mad Max«-Erde mit Tornados als Zugabe.
Aber wo bleiben die anderen zwei Drittel? Die Klimabewegung ist überwiegend auf antizionistischen Irrwegen unterwegs und es ist bestenfalls eine vage Hoffnung, dass eine Deeskalation im israelisch-palästinensischen Konflikt daran etwas ändert. Unter dem Druck der Straße steht die Bundesregierung nicht, aber man könnte ja dennoch so etwas wie Vernunft von ihr erwarten. Während die SPD wie üblich wenig zu sagen hat, darf man bei der Union wie in der Migrationspolitik darüber rätseln, ob das Festhalten am Verbrennungsmotor nur gedankenlose Anpassung an die extreme Rechte ist oder ob auch in deren Kreisen vielen die Zivilisation zu langweilig geworden ist.