30.10.2025
Die Union verkauft Abschiebungen als Allheilmittel

Aus dem Lehrbuch des Populismus

Mit Abschiebungen will die Bundesregierung das angeblich ramponierte Stadtbild wieder in Ordnung bringen. Lediglich die AfD dürfte davon profitieren.

Ganz egal, ob die Aussage von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) zum Stadtbild, die für solche Furore sorgte, geplant war oder ihm ganz spontan einfiel: Sie gehörte auf jeden Fall in ein Lehrbuch des Populismus. Denn er hat zwei Dinge, die bestenfalls assoziativ miteinander verbunden sind, in einen Kausalzusammenhang gestellt, der so nicht existiert: »Wir haben natürlich immer im Stadtbild noch dieses Problem, und deswegen ist der Bundesinnenminister ja auch dabei, jetzt in sehr großem Umfang Rückführungen zu ermöglichen und durchzuführen.«

Es mag sein, dass viele Bundesbürger sich an Stadtvierteln oder öffentlichen Orten stören, in denen inzwischen ein hoher Anteil der Menschen einen sogenannten Migrationshintergrund hat. Vermehrte Abschiebungen würden an diesem vermeintlichen Problem, anders als von Merz suggeriert, nur sehr wenig ändern.

Irgendwelche tragfähigen Konzepte, wie man Problemen beikommen könnte, die nicht nur existieren, sondern auch drücken, haben diese Damen und Herren nicht. 

Das zeigt schon ein Blick auf entsprechende Zahlen: Etwas mehr als 40.000 Menschen in Deutschland gelten derzeit als »unmittelbar ausreisepflichtig«, weitere 180.000 als ausreisepflichtig, was heißt, dass in vielen Fällen eine sogenannte Duldung oder andere Gründe der Abschiebung entgegenstehen.

Schaffte man, was alleine schon praktisch nicht durchführbar ist, sie alle innerhalb der nächsten Monate außer Landes, das Merz’sche Stadtbild bliebe weitgehend dasselbe, weil gerade einmal gut 200.000 Menschen, verteilt auf die Republik, optisch kaum ins Gewicht fielen. Hinzu kommt noch, dass sich »Ausreisepflichtige« ja keineswegs präferiert und geballt an öffentlichen Orten aufhalten, schon gar nicht jene, die sich einer unmittelbar drohenden Abschiebung entziehen möchten.

Gelder für Integration fallen dem Rotstift zum Opfer

Politiker, die da gerade diese »Stadtbild«-Debatte vom Zaun brechen, wissen das natürlich ganz genau. Irgendwelche tragfähigen Konzepte, wie man Problemen beikommen könnte, die nicht nur existieren, sondern auch drücken, angefangen bei Radikalisierung gewisser migrantischer Gruppen über chronischen Lehrermangel in sogenannten Problemvierteln bis zu Schaffung bezahlbaren Wohnraums, um nur einige zu nennen, haben diese Damen und Herren nicht. Ganz im Gegenteil: Allenthalben fallen Gelder für Integrationsmaßnahmen dem Rotstift zum Opfer.

Also verspricht man, mit harten law and order-Maßnahmen irgendwelche Stadtbilder wieder in Ordnung zu bringen, die es angeblich früher in einer guten alten Zeit mal gab.

AfD und anderen Rechtsextremen in die Hände spielen

Tritt dann trotz vermehrter Abschiebungen die versprochene Änderung nicht ein, ganz einfach weil mangelnde Abschiebungen in keiner Weise die Ursache waren, macht man dennoch ungerührt weiter. Dann, man kennt das Drehbuch, liegt das Ausbleiben irgendeines Effekts nur daran, dass eben noch nicht genug abgeschoben wurde. Das funktioniert so lange, wie es gelingt, einen weitgehenden Konsens herzustellen, der diesen willkürlich kon­struierten Ursache-Wirkung-Nexus nicht hinterfragt.

Nur spielen Merz und alle, die da mitmachen, damit, wie so oft in Fragen von Asyl und Migration, erneut der AfD und anderen Rechtsextremen in die Hände. Denn die Regierung wird einmal mehr schlicht nicht halten können, was sie im Rahmen ihrer »Mi­grationswende« so vollmundig verspricht; einfach weil eben selbst Massenabschiebungen Stadtbilder nicht grundlegend ändern werden.

In absehbarer Zeit dürfte die Kritik laut werden, dass sich ja trotz Merz’ Ankündigungen nichts wirklich verändert habe, er also sein Versprechen einmal mehr nicht eingehalten habe und es deshalb an der Zeit sei, die zu wählen, die nicht nur reden, sondern wirklich handeln.

Dafür sind inzwischen zu viele der zu Problemen erklärten Menschen entweder deutsche Staatsbürger oder haben solide Aufenthaltstitel, während unzählige der beklagten Zustände ohnehin andere Ursachen haben. In absehbarer Zeit dürfte also die Kritik laut werden, dass sich ja trotz Merz’ Ankündigungen nichts wirklich verändert habe, er also sein Versprechen einmal mehr nicht eingehalten habe und es deshalb an der Zeit sei, die zu wählen, die nicht nur reden, sondern wirklich handeln.

Derweil schafft die ganze Debatte übers Stadtbild, ob gewollt oder nicht, weitere Akzeptanz für die rigide Abschiebe- und Abschottungspolitik des Innenministeriums, das dafür sogar bereit ist, den Taliban so weit wie irgend möglich entgegenzukommen, und Woche für Woche Yezidinnen und Yeziden in den Irak zurückschickt. Die Union wird Abschiebungen, das dürfte inzwischen klar sein, in nächster Zeit als das Allheilmittel gegen alle möglichen sozialen Probleme bewerben.