Mittwoch, 10.01.2018 / 11:20 Uhr

Am Ende der Fahnenstange: Wien und das Fahnenverbot

Von
Yasemin Makineci

Mit der Entscheidung Trumps, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen, war zwar kein Grund gegeben, den der Antisemit bräuchte, um zum Judenmord aufzurufen – denn diesen braucht er nicht. Doch erschien der Palästinensischen Jugend Österreichs (PJÖ) sowie dem Verein Dar al-Janub, „Verein für antirassistische und friedenspolitische Initiative“, der Anlass gegeben, das muslimische Mobilisierungspotenzial nach dem Aufruf der Hamas zu einer weiteren Intifada zu nutzen und am 8.12.2016 eine Kundgebung unter dem Titel „Jerusalem Hauptstadt Palästinas“ vor der US-Botschaft im 9. Wiener Gemeindebezirk abzuhalten.

Hakenkreuz auf israelischer Fahne

Die Kundgebung war bunt: etwa 500 Personen unter einem Meer palästinensischer und türkischer Fahnen skandierten dabei das Repertoire der klassischen Sprechchöre, vom islamischen Glaubensbekenntnis bis hin zum Aufruf zur Judenvernichtung. Diese Sprechchöre sind dokumentiert auf dem Live-Stream der Facebook-Seite BDS Austria, dessen Sprecher Oliver Farid Hashemizadeh ebenfalls Sprecher des Vereins Dar al-Janub ist. Neben „Marg bar Israil“ und „Chaibar Chaibar ya yahud“, deutlich hörbar in dem von BDS Austria bereitgestellten Mitschnitt (1), war auch ein Teilnehmer der Kundgebung mit einem Schild mit der israelischen Fahne zu sehen, in dessen Mitte ein Hakenkreuz abgebildet war.

Kurzum: Wer die Feinde der Aufständischen sind, das entscheiden die Demo-Ordner.

Drei Beobachter der Kundgebung erfragten bei der Polizei, ob sie eine Israelfahne zeigen dürfen und ernteten schnippische Antworten anstelle einer Amtsführung. Als sie die Fahnen zeigten, wurden sie körperlich von den Teilnehmern der Kundgebung angegriffen und erhielten daraufhin von der Polizei eine Strafverfügung (2) mit der Begründung, „in äußerst provokanter Weise [die Israelfahne] gespannt und dadurch erheblichen Unmut und Provokationen unter den anwesenden palästinischen [sic] Protestanten [sic] erzeugt“ zu haben.

Klare Regeln?

Zahlreiche antisemitische Angriffe (3) in Europa, unter anderem den versuchten Brandanschlag auf die Göteborger Synagoge und acht Tage später, bequemerweise am Schabbat; fand am 16.12.2017 die zweite Kundgebung des Vereins Dar al-Janub vor der US-Botschaft statt. Diesmal gab es klare Regeln zur Wahrung der Grenzen des Sagbaren: auf einem von den Organisatoren ausgehändigten Papier wurden die Teilnehmer der Kundgebung angewiesen, nur und ausschließlich jene Sprechchöre zu rufen, die Organisatoren über den Lautsprecher vorbrüllten sowie „keine Symbole gegen Religionen, Ethnien oder Nationalitäten“ zu zeigen oder Fahnen zu verbrennen.

Auf der anderen Seite der Botschaft – der Ort war ursprünglich als Treffpunkt der muslimischen Kundgebung zugeordnet und wurde dann polizeilich verlegt – fand die Gegenkundgebung (4) des Wiener Bündnisses Boycott Anti-Semitism und der Jüdisch-Österreichischen Hochschülerschaft statt, auf der sich zunächst propalästinensische Teilnehmer verirrten und einige die Personen auf der Gegenkundgebung abfilmten. Wären dort auch keine Flaggen des Staates Israels zu sehen gewesen, so hätte bereits die Gegenkundgebung selbst für „erheblichen Unmut und Provokation“ gesorgt: Wer Jude ist, entscheidet der Antisemit.

Chaminei macht die „Feinde des Irans“ für die größten Aufstände seit 2009 im Iran verantwortlich. Am vergangenen Samstag fand eine Kundgebung unter dem Titel „Solidarität mit den Protesten im Iran“ statt. Im Aufruf der Kundgebung hieß es: „Wir verstehen unsere Kundgebung als eine unabhängige, progressive Solidaritätsveranstaltung und bitten euch daher, nur ein weißes Tuch als Symbol des Protests und unserer Solidarität mitzunehmen. Ebenso bitten wir darum, auf alle anderen religiösen und politischen Symbole, Fahnen oder Bilder zu verzichten.“ Die exiliranische Organisatorin bat jedoch noch vor Veröffentlichung des Aufrufes zunächst darum, Freunden und Bekannten, die an der Kundgebung teilnehmen werden, darauf hinzuweisen, keine Fahnen zu zeigen. Als Grund wurde im Vorfeld kolportiert, dass es ihr als Organisatorin um den Schutz kurdischer Teilnehmer ginge, welche bereits vergangene Woche auf einer Kundgebung von Shah-Anhängern körperlich angegriffen wurden.

USA und Israel einzige staatliche Unterstützer der Proteste

Auf weitere Nachfrage, weshalb denn anstelle des Fahnenverbotes die Polizei nicht angewiesen wird, jene Teilnehmer mit kurdischer Flagge dann doch zu beschützen, sprach die Organisatorin, als sich eine Gruppe von etwa 15 Personen mit Israelfahnen abseits der Kundgebung mit Erlaubnis der Polizei (!) versammelte, von dem Schaden, den amerikanische oder israelische Flaggen für die Kundgebung anrichten würden. Die Begründung dafür lautete: Die geistlichen Führer würden dies als Argument für die Gewalt gegen Demonstranten in Anschlag bringen. Das mache sich deshalb so schlecht, weil ohnehin jeder glaube, dass die Aufstände von außen initiiert seien. Kurzum: Wer die Feinde der Aufständischen sind, das entscheiden die Demo-Ordner.

Auch für den Grünen Parlamentsklub ist der Feind bereits ausgemacht. So fungierte die Presseaussendung (5) von Ewa Dziedzic vom 5.1.2018 als Aufruf, an der Kundgebung teilzunehmen, der sich für sie nicht ohne Antiamerikanismus machen ließ: „Noch am Donnerstag wollte die iranische Führung notfalls das Militär einsetzen, um gegen weitere Proteste vorzugehen. Zeitgleich drohen die USA, die iranische Regierung zur 'Rechenschaft zu ziehen'.“ Die implizite Forderung nach einem moderatem Islam kommt ohne Ressentiment nicht aus und fällt somit in den europäischen Konsens der Feindschaft mit den USA und auch Israel. Dass diese beiden die einzigen Staaten sind, die sich öffentlich als Unterstützer der Proteste im Iran geäußert haben, schien auch niemand auf der Kundgebung zu interessieren. Dass sich von dieser Presseaussendung auf der Kundgebung distanziert wurde, ist nicht bekannt.

Auch, jedoch nicht nur aus diesem Grund wird es am 18.1.2018 wird um 17 Uhr vor dem Bundeskanzleramt in Wien eine Kundgebung in Solidarität mit den iranischen Aufständischen stattfinden.

Weitere Informationen sind auf der Facebook-Seite des Wiener Bündnisses gegen die Islamische Republik zu finden.

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(1) https://www.facebook.com/bds.austria/videos/774914836030270/
(2) http://www.jpost.com/International/Vienna-police-charge-3-men-for-waving-Israeli-flag-at-rally-533313
(3) https://www.mena-watch.com/antisemitische-gewaltwelle-in-europa-teil-2/
(4) https://www.facebook.com/events/535555936825086/
(5) https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20180105_OTS0024/dziedzic-zu-iran-ringen-um-demokratie-braucht-solidaritaet