Montag, 21.10.2019 / 15:59 Uhr

Ein libanesischer Frühling im Herbst?

Von
Gastbeitrag von Anja Stanitzek

Während in sich Syrien die nächste blutige Tragödie abspielt, flammen Massenproteste im Libanon auf. Auslöser war eine geplante Steuer auf Whatsapp.  Dies nahmen große Teile der libanesischen Bevölkerung zum Anlass, um nicht nur gegen diese Steuer, sondern auch gegen die Regierung, grassierende Korruption, Vetternwirtschaft und allgemeine Perspektivlosigkeit zu protestieren.

 

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Seit langem gab es keine derartigen Massendemonstrationen mehr im Land, nah dem dritten Tag war gar schon von einer Revolution die Rede.

Die Slogans, die dabei skandiert wurden, erinnern stark an den Arabischen Frühling von vor acht Jahren: "Die Bevölkerung will den Sturz des Regimes".

 

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Videos in Facebookgruppen zeigen, wie ausgelassen dabei die Stimmung ist, auch wenn es zu Zusammenstößen mit Sicherheitskräften, verletzten und sogar Toten kam. Mal zu traditionellen arabischen, mal zu Technobeats  und auch zu kurdischen Klängen tanzen Männer und Frauen gemeinsam. Man sieht Kopftücher und lange Haare. Kreuze und muslimische Gebete. Laut Augenzeugen seien einfach alle auf der Straße und das in einem Land, das ansonsten tief gespalten ist.

Im Regierungsviertel in Beirut kamen viele Menschen zusammen. Bodyguards des Bildungsministers stiegen aus dem Auto und schossen mit ihren Gewehren in die Luft. Eine Frau kickte dem Bodyguard in den Bauch. Auf Twitter wird sie inzwischen als Ikone gefeiert.  
 

Nachdem erst in den vergangenen Wochen in Bagdad und anderen irakischen Städten hunderttausende auf die Straße gegangen und brutalst von proiranischen Milizen bekämpft wurden, sieht der Iran sich nun in einem zweiten Land unter seiner Schirmherrschaft mit Massenprotesten konfrontiert. So gingen in Südbeirut auch einige Büros der Hizbollah in Flammen auf.

Auch im Süden des Landes, der weitgehend unter Kontrolle der selbsternannten Partei Gottes steht, kam es zu Protesten, die sich eben nicht nur gegen die Regierung, sondern dezidiert auch gegen den Einfluss der Hizbollah richteten. Wie überall sonst im Land auch, drückten auch hier Teilnehmer ihre Freude darüber aus, dass alle Libanesen diesmal gemeinsam demonstrieren:

"“It warms my heart. There are Christians, Muslims… Behind me you can see Shia and Sunnis. We are all together, we are united,” said Rami, a 54-year-old restaurant owner

Vereint scheinen die Demonstranten auch bei einer weiteren Forderung: Der nach Trennung von Staat und Religion.

Umso nervöser dürfte man in Teheran die Entwicklung verfolgen. Mittlerweile gibt es Bilder, die zeigen, dass „Zivilisten“ aus Syrien in den Libanon gebracht werden. Dies deutet daraufhin, dass die Hizbollah ihre Kämpfer, die bislang im Nachbarland für Friedhofsruhe sorgen, ins eigene Land zurückholt.

 

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Im Laufe des Wochenendes kam es dann auch zu Ausschreitungen mit proriranischen regimetreuen Shiitiischen Milizen. Dies endete mit zwei Toten,  52 verletzten Polizisten und 70 Festnahmen.  

Immer lauter wird inzwischen der Ruf nach einem Rücktritt der Regierung während sich in anderen arabischen Ländern unzählige mit dem Anliegen der Libanesen solidarisieren.

Die christliche Partei ist bereits aus der Koalition ausgetreten. Darüber hinaus fordern die Demonstranten eine Übergangsregierung, die aus Richtern bestehen soll bis eine Neuwahl stattgefunden hat. In anderen arabischen Ländern solidarisieren sich die Menschen. Es kam inzwischen auch zu Solidaritätsdemonstrationen in den Vereinigten Staaten und in Israel.

Der Chef der Hizbollah, Hassan Nasrallah, lehnt  allerdingsden Rücktritt der Regierung logischerweise ab. Für ihn und damit den Iran würde ein solcher einen nachhaltigen Machtverlust bedeuten. Ausserdem geht das Gerücht, er habe gedroht, dass sollte es so weiter gehen, er seine Milizen auf die Straße schicken und für Ruhe sorgen werde.

Derweil beschloss die Regierung Reformen, doch Beirut steht still und die Demonstranten bleiben im ganzen Land auf den Straßen.

 

 (Bilder sind verschiedenen libanesischen Facebookgruppen entnommen:

https://m.facebook.com/story.php?story_fbid=10156457664187554&id=557152553ttps://www.facebook.com/sabaapolitics/;  https://www.facebook.com/groups/338430430044972/)