Montag, 25.11.2019 / 17:52 Uhr

Islamkritik mit Zahnfäule

Von
Murat Yörük

Antideutsche Islamkritik ist inzwischen wie ein verfaulter Zahn. Der Träger scheut den Gang zum Zahnarzt, obwohl er spürt, dass mit dem Zahn etwas nicht stimmt. Dabei bleibt ein übler Mundgeruch, mit dem sich arrangiert wird.

Heute das Duo Felix Perrefort und Thomas Maul auf der "Achse der Guten": Als berufene Islamkritiker müssen sie nämlich kein türkisch, persisch oder arabisch können. Wer braucht heute auch sowas? Yallah und Mashallah reicht für das Zertifikat, um als Kritiker durchzugehen. Im Text noch Scharia und Djihad streuen - schon ist man Meister im Fach.

Wer braucht auch Sprachkenntnisse, wer paukt freiwillig Grammatiktabellen, wer will schon wissen, welche Suffixe es im Türkischen gibt und wann sie gebraucht werden?

Die Zuarbeit erledigen darum die Hilfsimame, hilfsweise auch Hilfs-Linguisten, die immer dann hinzugezogen werden, sobald es für den Berufenen eng wird. Entsprechend kommt so etwas heraus:

"Bezeichnend ist, dass in der türkischen Sprache eine äquivalente Konstruktion zu „Islamist“ nicht existiert, obwohl die Grammatik sie zuließe. Verwendet wird stattdessen das Wort „şeriatçı“. Die Endungen -çı und -ci werden als Berufsbezeichnung verwendet („Elektriker“ übersetzt sich z.B. als „elektrikçi“).*"

Abgesehen davon, dass "Islamist" im Türkischen wahlweise "islamcı", "takunyalı", "refahçı" oder "dinci" bedeutet, ein "islamcı" äquivalent zu "Islamist" sehr wohl existiert und ein "islamcı" vom "şeriatçı" sich unterscheiden lässt - nicht jeder Islamist will die Scharia einführen -, lässt sich zum linguistischen Desaster dieses Artikels folgendes noch sagen:

Die Suffixe bei Substantiven ci, -cı, -cu, -cü, -çi -çı, -çu, -çü werden im Türkischen in drei Fällen benutzt.

1. Bei Tätigkeiten, Handlungen und Substantivierungen, ohne gleich ein Beruf zu bezeichnen

Beispiele:
öğren-ci = Schüler
iş-çi = Arbeiter
birin-ci = Erster

yalan-cı = Lügner
acele-ci = Eiliger
inat-cı = Sturer
kavga-cı = Schläger

2. Vertreter einer Weltanschauung oder Ideologie

cumhuriyet-ci = Republikaner
milliyet-çi = Nationalist
devrim-ci = Revolutionär
devlet-çi = Etatist
Erdoğan-çı = Erdoganist

şeriatçı = Scharia-Anhänger.

3. Berufe, sofern kein Eigenname existiert.

A) Viele Berufe haben Eigennamen:

avukat = Rechtsanwalt
doktor = Arzt
öğretmen = Lehrer
...

Die Suffixbildung avukat-cı wäre zum Beispiel grammatikalisch falsch.

B) Viele Berufsbezeichnungen lassen sich nicht durch Suffixe bilden.

Z.B.:
a)
bil-mek = wissen
bil-im = Wissenschaft
bil-gi = Wissen
bil-en = Wissender

bil-gi-ci und bil-en-ci wären grammatikalisch falsch.

b)
dik-mek = nähen
dik-iş = Naht, Näharbeit
terzi = Näher, Schneider

Dikiş-ci wäre grammatikalisch falsch.

"* Wir bedanken uns bei Emrah Erken für die wertvollen linguistischen Hinweise."

Es bleibt die Frage: Kann Islamkritiker Emrah Erken, obwohl er unter anderem auch vom türkischen Handelsministerium, also dem Erdogan-Regime als Anwalt empfohlen wird, türkisch? Offenbar nicht.

Muss man türkisch können? Nein. 

Emrah Erken scheint einiges zu können, Dummschwätzen zum Beispiel. Türkisch kann er nicht. Man muss es auch nicht. Und wenn man vorgibt, es zu können, sollte man es können. Sonst bedanken sich Berufene noch für "wertvolle Hinweise", die in Wahrheit wertlos sind.