Samstag, 04.01.2020 / 15:14 Uhr

'Tod eines Volkshelden‘ - Reaktionen auf das Ende von Qassem Soleimani

Von
Andreas Benl

Während  im Nahen Osten vielerorts offen Freude und Erleichterung über das Ende des Chefs der Revolutionsgardisten geäußert wird, üben sich deutsche Medien in Bedenkenträgerei oder warnen vor Eskalation und Chaos.


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(Qassem Soleimani und Ayatollah Ali Al Khamenei, Quelle: Wikipedia)

 

Weder die im November letzten Jahres blutigst niedergeschlagene Proteste im Iran, noch die anhaltenden Demonstrationen im Irak haben besondere Aufmerksamkeit in deutschen und westlichen Medien erlangt. Seit Silvester bestimmen dagegen beide Länder die Berichterstattung. Zunächst der Überfall von Teheran gesteuerter islamistischer Milizen auf die amerikanische Botschaft in Bagdad; nun der Tod des iranischen Revolutionsgardenchefs Qassem Soleimani durch einen amerikanischen Luftschlag.

Beide Ereignisse erscheinen in der Berichterstattung als Auseinandersetzung der USA mit ‚dem Irak‘ bzw. ‚dem Iran‘. Dem haben oppositionelle Aktivisten aus beiden Ländern heftig widersprochen. Sie sind empört über Medienberichte, die versuchen, eine Verbindung zwischen den irakischen Demonstranten gegen die Korruption der Regierung in Bagdad und vor allem den tödlichen Einfluss der Islamischen Republik Iran einerseits und der Kommandoaktion gegen die amerikanische Botschaft andererseits herzustellen.

 

 

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(Video: Feude in Idlib, Syrien)

 

Nun wiederholt sich das gleiche Szenario in Bezug auf den Iran. Seltsam einförmig sind die Kommentare von FAZ bis taz. Zitiert werden ausschließlich die Racheschwüre von Hardlinern und ‚Reformisten‘ der Herrschenden der Islamischen Republik. Man spricht von einer „Kriegserklärung“ an „den Iran“. Ein „Volksheld“ sei Soleimani dort gewesen. In einem Land, wo die Revolutionsgarden in wenigen Tagen mit 1500 ermordeten Demonstranten unter weitgehender Absenz westlicher Berichterstattung ein Massaker veranstalteten, das die Ausmaße von Tian’anmen in Peking 1989 wohl noch übertraf.

Feier- oder Trauertage?

Zahlreiche über die sozialen Medien verbreitete Posts sprechen eine andere Sprache. Die drei Tage, an denen das Regime Staatstrauer verordnet hat, sind für viele Iraner Feiertage. Masih Alinejad ist als Exilstimme der im Iran gegen die Zwangsverschleierung kämpfenden Frauen bekannt geworden. Sie hat darauf hingewiesen, dass Soleimani kein Held gewesen sei für die gewöhnlichen Iraner, die gegen die Unterstützung des Landes für Hisbollah und Hamas protestieren: „Leider verfehlen westliche Medien den Punkt, indem sie Soleimani verherrlichen - er war der gemeinsame Feind der Menschen im Iran, im Libanon, im Irak und in Syrien.“ Seine Beteiligung am Vorgehen gegen iranische Studenten Ende der neunziger Jahre sei ein weiterer düsterer Punkt in seiner Biografie.

In der ganzen Region pägen heute nicht Kalaschnikow-schwingende Islamisten, sondern unbewaffnete Jugendliche und Frauen das Bild der Sozialproteste.

Nicht anders das Bild in den Nachbarstaaten des Iran. Auch die Tagesschau hatte vor wenigen Tagen eine Frontstellung im Irak gegen Teheran konstatiert (ohne daraus kritische Konsequenzen zu ziehen):

„Hier Hunderttausende Otto-Normal-Iraker, die seit Monaten gegen den Iran auf die Straße gehen und deshalb von pro-iranischen Milizionären beschossen werden, dort einige Tausend bezahlte und vom Iran in Stellung gebrachte Claqueure.“

 

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(Video: Jubelfeier in Bagdad)

 

Nun kursieren Bilder von feiernden Menschen aus dem Irak – oft aus mehrheitlich schiitischen Gebieten, die doch nach hiesiger Völkerkunde natürliche Verbündete des ‚Schiitenführers‘ Soleimani sein müssten. Nicht anders ist die Situation in den Gebieten in Syrien, die nicht unter der Kontrolle von Teherans Verbündeten Assad stehen. Man erinnert sich dort daran, dass Soleimani nicht nur für Hungerblockaden in Syrien verantwortlich war. Er schloss auch wenige Tage nach dem Atomdeal 2015 ein Bündnis zur Rettung Assads mit Putins Regime, das Syrien seit Jahren in Schutt und Asche bombt. Ein Faktum, das man hierzulande anscheinend erst jetzt wahrnimmt.

„Wer atmet erleichtert auf, dass General Soleimani tot ist? Dissidenten, Feministinnen und Säkularistinnen aus dem Iran, dem Irak, Syrien und dem Libanon."

In der ganzen Region, in der heute nicht Kalaschnikow-schwingende Islamisten, sondern unbewaffnete Jugendliche und Frauen das Bild der Sozialproteste prägen, gleichen sich die Szenen. Selbst aus Gaza, wo die islamistischen Herrscher von Hamas und Islamischem Djihad um ihren Finanzier Soleimani trauern, werden Freudenkundgebungen aus der Bevölkerung zum Tod des „Kriminellen Qasem Soleimani“ berichtet, der als Mörder der Menschen in Syrien und im Irak erinnert wird.

Im Westen gibt es wenige Stimmen, die dieses Panorama darstellen. Es sind meistens Menschen, die den Islamismus aus eigener bitterer Erfahrung kennen.

Die in den USA lebende Autorin Asra Nomani erläutert: „Wer atmet erleichtert auf, dass General Soleimani tot ist? Dissidenten, Feministinnen und Säkularistinnen aus dem Iran, dem Irak, Syrien und dem Libanon. Er war ein schiitischer Osama bin Laden mit Staatsbudget und Flagge.“

In Deutschland hatte Hamed Abdel-Samad Bundespräsident Steinmeier bereits vor einem Jahr für sein Glückwunschtelegramm zum 40. Jahrestag der Islamischen Republik kritisiert. Seyran Ates und Ahmad Mansour haben sich ebenfalls einschlägig geäußert. Fragt sich, ob der Rest der Gesellschaft wenigstens einen Plan B für den Tag hat, an dem die Gespenster verschwinden.